Zusatznutzen, Dienstleistung - ,paper is eter...
 

Zusatznutzen, Dienstleistung - ,paper is eternal´

Hermann Petz, Vorstandsvorsitzender der Moser Holding, über die Bilanz 2010 der Moser Holding, die Reichweitenentwicklung der Tiroler Tageszeitung, digitale Kanäle und das Premium Papier.

Langfassung des Interviews erschienen in HORIZONT 19-2011 am 13. Mai 2011

HORIZONT: Zum Flaggschiff Tiroler Tageszeitung: Mit Jahreswechsel 2010 kam ein Relaunch, keine Formatänderung – die MA-Zahlen 2010 sind allerdings sinkend…54,4 (56,6 Prozent Nord-Tirol) auf nunmehr 46,0 (47,7 Nord-Tirol)?

Hermann Petz: Zuerst zur Formatänderung: Dieses Thema ist immer wieder aufgetaucht. Ein Reihe von Leserbefragungen hat in die Richtung tendiert, dass wir ins Kleinformat wechseln. Ich habe damals, Anfang 2009, intern vorgegeben ,Gehen wir vom Formatwechsel einmal aus´. Wir haben Nullnummern produziert, Focus-Gruppen gemacht und so weiter. Ich wollte eine bewusste Entscheidung herbeiführen.

HORIZONT: Wenn ich mich recht erinnere, haben die Leser zum Kleinformat tendiert?

Petz: Ja, die quantitative Marktforschung hat das ergeben. Die qualitative Befragung jedoch hat das etwas revidiert. Das hat weniger mit der Marktforschung zu tun, als mit der Realität: Bei der Befragung tendiert der Leser zum praktischeren Kleinformat – dann gebe ich ihm die TT im Kleinformat in der Focus-Gruppe – und derselbe Leser ist entsetzt. Das ist ja gar nicht meine TT! Es gab am Schluss zwei ganz zentrale Gründe, die uns die Entscheidung sehr leicht gemacht haben: Der eine ist sicherlich, dass wir zehn bis 15 Prozent unserer Leser mit einer Formatumstellung so massiv verärgert hätte, dass es zu einer Abbestellung der Abonnements gekommen wäre. Gleichzeitig bezweifle ich jedoch, ob man damit zehn bis 15 Prozent neue Leser gewinnen kann… . Das zweite Phänomen, und das kann man weltweit bei Formatumstellung sehr schön beobachten: Es gibt für die Anzeigenvermarktung bei großformatigen Zeitungen eine andere Logik als für Kleinformate. Einfaches Beispiel: Eine Fußleiste ist im Großformat eine andere Fläche als im Kleinformat, das schlägt auf die Preisbildung durch. Wenn man also all das zusammenzählt und Chancen und Risiken gegenüberstellt, so ist die Entscheidung klar für das Beibehalten des Großformats gefallen.

HORIZONT: Die Reichweite der TT in Tirol…

Petz: Wir haben beim Relaunch nicht allzuviel verändert – es gibt wieder ein eigenes Wirtschaftsbuch, die Regionalteile wurden stärker hervorgehoben. Wenn man die TT alt und neu nebeneinanderlegt, hat sich also nicht allzuviel verändert, ich glaube wir haben insgesamt an Wertigkeit gewonnen.
Aber zur MA: Ich werde sicher nicht auf die MA und die Methode hinhauen. Ich habe in meiner Studienzeit selber genügend Befragungen gemacht und weiß um die statistischen Schwankungsbreiten und woher sie kommen, genug Bescheid. Das ist nun einmal so.
Die MA erhebt einen Wert von/bis und wir nehmen den Mittelwert und stellen ihn bis auf den letzten Leser dar. Wir Menschen denken aber nicht in Bandbreiten, sondern in der singulären Zahl, die der Mittelwert eben ist – und das sind dann die Leser. Was das Ergebnis der TT angeht haben wir sicherlich das Phänomen, das wir noch untersuchen werden, dass wir bisher einen überdurchschnittlichen Mitlesefaktor hatten. In der MA 2010 haben wir einen täglichen Mitlesefaktor von 2,8 – das ist im oberen Feld aller österreichischen Bundesländerzeitungen, wir liegen da im Bereich der Kleinen Zeitung.
Dass dieser tägliche Mitlesefaktor sinkt, hat sicherlich viele Ursachen, aber bestimmt eine zentrale Ursache: Wenn man als Medienhaus, was auch wir getan haben, massiv in den Online-Bereich investiert, so kommt es zu Verschiebungen.
Wir haben die Bereiche getrennt geführt, und der Tiroler, der ein ehrlicher Mensch ist, gibt auf die Frage, ob er gestern die TT gelesen hat auch eine ehrlich Antwort, wenn er online tt.com durchgeklickt hat. Gleichzeitig stelle ich aber fest, dass unsere Verkaufszahlen, insbesondere die Abo-Zahlen, stabil sind. Ich sehe es also nicht als großes Malheur, wenn der tägliche Mitlesefaktor der gedruckten Zeitung sinkt – wenn der ,Brand-Reach´ über die gedruckte Ausgabe hinaus stimmt. Wie schon erwähnt glaube ich, dass ein regionales Medienhaus wie unseres selbstverständlich alle Kanäle, auch die unterschiedlichen digitalen, bespielen muss.
Das muss nicht die Marke der Zeitung selbst sein, aber die Bespielung der Kanäle durch ein regionales Medienhaus wie unseres muss so selbstverständlich sein, wie wenn man einen Kühlschrank aufmacht und alles drin kalt ist.
Dazu gibt es einen Edelkanal, das ist der Printkanal, der einen Zusatznutzen hat: Das sind viele haptische Elemente und eine Dienstleitung, die ihren Wert hat: Die Selektion der Inhalte, ihre einzigartige Aufbereitung auf gedrucktem Papier und insbesondere die Lieferung an den Frühstückstisch. Dazu muss unser Asset immer die regionale Verankerung mit einer eigenen Redaktionsmannschaft sein, die originär recherchiert. Das sind keine Bürgerjournalisten – die können ja nur Hinweise geben – sondern Rechercheure, die Meldungen eigens aufbereiten. Aus all diesen Gründen bin ich überzeigt, dass ein gutes Drittel der kaufkraftstarken Haushalte diese Dienstleistung auch weiterhin in Anspruch nehmen wird.
Wir konnten ja etwas interessantes im Jahr 2010, dem Jahr der meisten Markttests, feststellen: Die Werbewirkung der Tiroler Tageszeitung ist besser denn je. Ich verweise nur auf die eine Studie von William Powers ,Why paper is eternal´, die sich nur mit Papier als Medium beschäftigt und sehr anschaulich die Effekte beschreibt, die der Leser bei der Beschäftigung mit Papier erlebt. Einer dieser Effekte, der sich auch messen lässt, ist, dass der Zustand des Flows – also der Grad der Aufmerksamkeit, die man einer bestimmten Tätigkeit zuwendet – beim Zeitungslesen mit am Höchsten ist. Im Zustand dieses hohen Flows wirken auch Werbebotschaften intensiver.
Daher glaube ich, wir müssen unsere Sichtweise umkehren: Ja, wir haben alle digitalen Kanäle und bespielen die auch – und wir haben den Printkanal als zusätzliche Dienstleistung, die alle diese Mehrwerte anbieten kann.

HORIZONT: Sie machen sich also keine Sorgen angesichts signifikanter Reichweitenverluste der TT?

Petz: Nein. Auch, weil wir anhand der Marktforschung und Markttests beweisen können, dass Print eine ganz eigene, unübertroffene Zuwendung hat. Unsere Werbekunden wollen ja keine Anzeigen schalten – sie wollen Wirkung erzielen. Da zitiere ich gerne den Motivations-Guru Reinhard Sprenger, der sagt: die Leute wollen keine Bohrmaschinen, sie wollen Löcher.
Es ist also ganz einfach: wenn eine Anzeige etwas bewirkt und der Kunde mehr Grenzertrag hat, als das Inserat gekostet hat, dann wird er uns auch weiter belegen – sonst nicht. Das ist ganz einfach. Solange wir das liefern können – und wir können das liefern! – sind wir nicht vom täglichen Mitlesefaktor abhängig.
Zweites Faktum: Wir wissen, dass wir insbesondere die Haushaltsführenden erreichen – also jene, die auch die Konsumentscheidungen treffen.
Drittens haben wir verstärkt im letzten Jahr mit unseren Anzeigenkunden ganz einfach Tests gemacht, Sachen ausprobiert – wo, auf welchem Kanal wirkt welche Botschaft besser? Wie verwenden wir die digitalen Kanäle als Verstärker?

HORIZONT: Was testen Sie da?

Petz: Eine Anleihe bei der Steuerstatistik: Elf Prozent aller Einkommensbezieher zahlen 60 Prozent des Steueraufkommens. Es könnte schon sein, dass diese auch einen größeren Teil des Konsums bestreiten. Wäre schon logisch. Was wir wissen, ist, dass es bei dieser Gruppe eine tiefe Verankerung der Dienstleistung Print gibt und die sehr selektiv mit Informationsangeboten umgehen.
Wir werden auch das noch genauer untersuchen, aber ich stelle einmal die Vermutung auf, dass gerade diese Gruppe überproportional das ,Werbepickerl´ am Postkasten und der Haustür kleben hat… . Nennen wir sie einfach einmal die konsumrelevante Gruppe.
Was wir testen beziehungsweise anbieten, sind Kampagnen, die entweder nur auf Papier oder nur digital erscheinen oder cross-medial und die entsprechende marktforscherische Begleitung. Ziel ist dabei immer, mit und für unsere Kunden die Werbewirkung zu evaluieren. Lassen sie mich aber noch etwas zur inhaltlichen Ausrichtung sagen: Wir werden die Zusammenarbeit zwischen der Printredaktion und der Onlineredaktion deutlich optimieren und haben mit Miriam Sulaiman eine eigene Redakteurin als Koordinatorin bestellt. Für die ganz jungen Leser, also Kinder, werden wir ab Herbst ein Kinderprojekt als crossmediales Zeitungsprojekt starten… .

HORIZONT: Also ist unter 50 Prozent Reichweite keine psychologische Schock-Schwelle?

Petz: Wir bedienen über die Kanäle unterschiedliche Leser und Informationserwartungen. Den tendenziell flüchtigen Leser in den digitalen Kanälen, den interessierte, zugewandten und tendenziell kaufkräftigeren Leser auch über den Printkanal. Wenn ich mir die Haushaltsabdeckung über Abonnements in Tirol anschaue, so bin ich sicher, dass wir uns mit der TT bei um die 50 Prozent einpendeln werden.

HORIZONT: Kommen wir zum Medienunternehmen-Ranking des Standard – die Moser Holding AG meldet für 2010 einen Umsatz von 233 Millionen Euro – nach 200 Millionen für 2009. Gratulation!

Petz: Wir haben Wachstum, ja. Aber zwei Anmerkungen dazu: Erstens haben wir unser Geschäftsjahr von Kalenderjahr auf Juli umgestellt – daher sind die Vergleichszeiträume andere. Zweitens haben wir die Meldungen vereinheitlicht. Zum Beispiel im Bereich Druck: Interne und externe Umsätze. Ein Umsatz für ein internes Produkt ist für unsere Druckereien ein externer Umsatz. Wir haben diesmal gleich gemeldet wie auch unsere Kollegen melden. Ein Teil des Wachstums, das Sie ansprechen, kommt allerdings auch daher, dass wir bisher unsere Meldungen sehr vorsichtig abgegeben haben.
So wie wir als Moser Holding halt sind – wir machen uns lieber kleiner als wir wirklich sind.
Aber auf der anderen Seite kann ich schon sagen, dass wir 2010 in allen unseren Geschäftsfeldern originär wachsen konnten. Das war auch ausgehend von dem schwierigen Umfeld, das 2008 und insbesondere 2009 bestanden hat.
2010 konnte die Tiroler Tageszeitung, sowohl im Vertrieb als auch beim Anzeigenumsatz, wachsen. Sehr erfreulich entwickelt haben sich unsere regionalen Magazine, insbesondere das Weekend-Magazin aber auch die Tirolerin. Nicht zu vergessen der gesamte Corporate Publishing Bereich, wo wir, glaube ich sagen zu können, mittlerweile der unbestrittene Marktführer in Tirol sind. Soviel zum Tiroler Teil.
Ein sehr schönes Wachstum hat auch die RMA Regionalmedien Austria, ebenso hat sich in Oberösterreich die Rundschau sehr gut entwickelt. Davon profitieren wiederum unsere Druckereien… .

HORIZONT: Das Weekend-Magazin…?

Petz: In Tirol gehört das Weekend-Magazin zu 74 Prozent der Moser Holding, das ist hier eine Besonderheit. Wir haben ja das Weekend-Magazin in Tirol auch etwas anders positioniert – es liegt der Tiroler Tageszeitung bei und hat dadurch mit Abstand das beste Bundesländer-Reichweiten-Ergebnis in der Media-Analyse.

HORIZONT: Was gibt es für Gründe, das Geschäftsjahr vom Abschluss zum Kalenderjahr aufs Halbjahr umzustellen?

Petz: Noch ein Wort zum Umsatz: Wir haben nicht nur 2010 eine erfreuliche Umsatzentwicklung, auch unser Ergebnis konnte mit der Steigerung Schritt halten. Wir sind also sehr zufrieden. Zum Geschäftsjahr: Als ich vor nunmehr über zwanzig Jahren zur Moser Holding kam, hatten etliche Unternehmen in der Holding ihre Geschäftsjahresabschlüsse zum Halbjahr. Das hat ja auch den Vorteil, dass man den Geschäftsjahresabschluss von den Jahresgesprächen im Herbst entzerrt – und die Jahresgespräche und die daraus folgende Budgetierung ist nun einmal die wichtigste Zeit für uns. Die Umstellung ist also auch ein back-to-the-roots und war ein langgehegter Wunsch von mir. Nachdem wir jetzt die Moser Holding neu auf vier Standbeine aufgestellt haben – mit Tirol, RMA, Oberösterreich und den Druckereien – haben wir auch das Geschäftsjahr für alle Unternehmen gleich definiert.

HORIZONT: Welchen Anteil hat die Tiroler Tageszeitung an diesem Umsatz?

Petz: Rund ein Viertel. Das zeigt auch, dass unsere Umsätze innerhalb der Gruppe gut verteilt sind. Das entspricht auch unserer strategischen Aufstellung: Ich bin überzeugt, dass regionale Medienhäuser, die alle Kanäle bedienen können, auch überleben werden. Also starke Marken im Kaufsegment, präzise Abdeckung des Wochen- und Monatssegments auch im Gratisbereich und natürlich Online. Ich glaube, wir sind da sauber aufgestellt und werden diese klare Ausrichtung auf regionale Medien auch beibehalten.

HORIZONT: Seit Mai läuft die Abo-Zustellung gemeinsam mit der Mediaprint?


Petz:
Die Überlegung ist ganz einfach: Niemand würde zwei Arlbergtunnel bauen. Deshalb gewinnen auch beide in der neuen Gesellschaft, die wir mit der Mediaprint 50 zu 50 betreiben. Grundsätzlich geht es darum, die Qualität, die Zeitung an die Haustür zu bringen, zu sichern. Das Projekt als Spezial-Logistikunternehmen beschränkt sich auf die Zustellung von Kauftageszeitungen, im Wesentlichen sind es die eigenen Titel TT, Krone und Kurier und Titel wie Salzburger Nachrichten, Wirtschaftsblatt, Standard oder Presse, die wir bisher auch schon zugestellt haben.
Das läuft seit 1. Mai, und es läuft auch gut an. Natürlich soll und wird es auch ökonomische Synergieeffekte geben – aber es ist uns – Mediaprint-Geschäftsführer Thomas Kralinger und mir – besonders wichtig, dadurch die Zustellqualität weiter verbessern zu können.

HORIZONT: Eine Frage an Hermann Petz, der im Verlegerverband VÖZ als Vorsitzender des „Board Vereinbarungen mit kollektiven Partnern; Arbeits- und Sozialrecht“ für die Kollektivverträge zuständig ist – geht es den Verlagen so gut, dass sie sich für die Tages- und Wochen-Kollektivverträge ein plus von 2,5 Prozent leisten können?

Petz: 2,45 Prozent! Wir haben, denke ich, ein für alle Beteiligten faires Ergebnis erzielt.

HORIZONT: Die Reform der Kollektivverträge, insbesondere unter Betrachtung der Online-Redakteure, die ja praktisch ausschließlich außerhalb des Journalisten-KV entlohnt werden – wie ist der Stand der Dinge?

Petz: Ich bin zuversichtlich, dass wir mit den Kollektivvertragspartnern heuer zu einem Ergebnis kommen werden. Das Ziel ist, dass es einen einheitlichen Kollektivvertrag gibt, der die neuen Realitäten abdeckt. Also keinen Unterschied macht, ob ein Printjournalist auf Online oder ein Onlinejournalist auf Print arbeitet. Was zu klären ist im besonderen: Was heisst das dann für alle neu eintretenden und was heisst das für die bestehenden Journalisten? Ich sehe uns auf einem guten Weg. Es sollte heuer spätestens im Herbst ein Ergebnis geben.
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