Leitartikel von Marlene Auer, Chefredakteurin.
Das neue Jahr beginnt für den ORF gedämpft: Die geplante Gebührenerhöhung ist geringer als kalkuliert, die gemeinsamen Marktanteile von ORF eins und ORF 2 sind 2016 im Vergleich zum Jahr davor gesunken (wenngleich die öffentlich-rechtlichen Sender nach wie vor die Platzhirsche sind), der geworbene Start-up-Cluster wird geschlossen, Hunderte Stellen sollen abgebaut werden, und neue Onlineprojekte werden auf Eis gelegt.
Immerhin: Die TVthek meldet eine Rekordbilanz. Flimmit hingegen wolle man „redimensionieren“. Was das heißen soll, ist unklar. Unterdessen rüstet sich die Konkurrenz. Amazon und Apple TV stehen vor der Tür, Netflix investiert erneut trotz stagnierender Abozahlen in europäische, eigenproduzierte Serien. Die Telekommunikationsunternehmen bauen Video-on-Demand- und Entertainmentplattformen aus, und ob die Videoaustauschplattform ein Erfolg wird, bleibt noch offen.
Der ORF steht vor der großen Herausforderung, den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag als Asset auszuspielen und jene Kompetenz als Aufklärungsmedium und Spiegel österreichischer Identitäten wieder zu erlangen, die man sukzessive aufgeweicht hat. Zugleich herrscht die Quoten-Herausforderung, mit Blockbustern und Live-Events Massen zu binden.
In welchem Ausmaß dies im öffentlich-rechtlichen Bereich geschehen soll, ist zu diskutieren. Auch welches Profil die einzelnen Channels – allen voran ORF eins – künftig haben werden. Dafür braucht es kreative Köpfe, Investment und Ideen, die dem Nutzergedanken entspringen – es sind ja noch dazu zahlende Nutzer.
Es braucht Mut zum Unkonventionellen. Und eine radikale Distanzierung von Politik. Ein gezähmter ORF kann kein guter ORF werden – schon gar nicht in den rasant-digitalen Zeiten, in denen andere flinke, wendige Angebote dem großen öffentlich-rechtlichen Tanker das Wasser abgraben.
Denn für den ORF kommt verschärfend hinzu: Eine Neuordnung der Gebühren wird jedenfalls Diskussionsthema bleiben – an einem neuen Modell wird kein Weg vorbeiführen.