Wegen Auflagen können "viele schöne Programmideen" nicht realisiert werden - St. Marx keine "Fahnenfrage" - Plan B wird ausgearbeitet
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat einen neuen Außenfeind ausgemacht: Neben der steigenden Konkurrenz durch private Sender und dem allgemeinen Kostendruck laste der "idiotische Umstand" des Denkmalschutzes auf den Schultern des ORF, kritisiert er gegenüber der APA. Wäre das ORF-Zentrum am Küniglberg nämlich nicht denkmalgeschützt, wäre die Standortentscheidung längst zugunsten von St. Marx gefallen, glaubt Wrabetz.
Der Denkmalschutz stelle hingegen für den Fall des Verkaufs eine Wertminderung des Küniglbergs dar. "Sonst wären wir doch schon längst weg. Dann würden wir das ORF-Zentrum verkaufen und mit dem Erlös den Neubau realisieren - da hätten wir nicht lange rechnen müssen. Es ist eine Zumutung, wenn ich denke, dass wir in Österreich Denkmalschutzregeln haben, die uns zwingen, ein sanierungsbedürftiges Zweckgebäude, das seine Lebenszeit längst erfüllt hat, mit riesigem Aufwand noch einmal herzurichten", so Wrabetz. "Viele schöne Programmideen" könnten "nicht realisiert werden, weil ein paar Architekturhistoriker meinen, man müsste das hier erhalten."
Plan B für StandortAuch wenn der ORF-General selbst immer noch der Meinung ist, dass es "für den ORF vorteilhafter ist, wenn er an einem neuen Standort zukunftssicher neu aufgestellt wird", bereitet er einen Plan B vor. "Wenn sich der Neubau so nicht realisieren lässt, werden wir Alternativen finden, die den Gegebenheiten Rechnung tragen. Das ist keine Fahnenfrage." Wichtiger als die Frage des Standortes seien die Fragen des Programms, sprich: "Auf welchen Plattformen spielt sich die Fernseh- und Radio-Zukunft ab, der Zugang zu Smart-TV, und was das für Strukturen und Organisation des ORF bedeutet - denn die werden sich jedenfalls radikal ändern." Dem will Wrabetz mit einer Strategie 2020 Rechnung tragen, die intern erarbeitet wird.
"Reicher Onkel" und Hedgefonds bei Privaten
Die neue Medienrealität nimmt der ORF-Chef unterm Strich gelassen: "Wir sind nicht mehr der Monopolist in allen Bereichen, aber dennoch der klare Marktführer in Fernsehen, Radio und Online, schreiben schwarze Zahlen und bieten die meistgenützte Information". Man müsse sich aber stärker bewusst werden, "dass wir in der Mediennormalität Europas angekommen sind, in der es private österreichische Sender gibt, die hohe finanzielle Mittel zur Verfügung haben und diese auch einsetzen. Wie in ganz Europa stehen auch hinter Österreichs Privatsendern entweder große Hedgefonds oder sehr reiche Investoren. Der ORF ist jedenfalls einer der erfolgreichsten Öffentlich-Rechtlichen in Europa, was Reichweiten und Marktanteile betrifft, was die wirtschaftliche Situation und auch die Anerkennung der Objektivität und Unabhängigkeit betrifft, und wir werden diesen Weg auch in den kommenden Jahren fortsetzen."
Einen Seitenhieb gab es auch für Servus TV: Der ORF habe "keinen reichen Onkel" wie der Salzburger Privatsender, der "von einem der reichsten Österreicher mit großem finanziellen Aufwand betrieben" werde. Daher müsse man damit leben, dass die Konkurrenz dem ORF an der einen oder anderen Stelle Stars, Formate oder Marktanteile kostet oder auch Mitarbeiter abwirbt, weil die Konkurrenz in vielen Bereichen inzwischen besser zahle als der ORF.
Den Eindruck, der ORF würde derzeit zusätzliches Geld vor allem für die Unterhaltung springen lassen, während die Information bei gleichen bzw. weniger finanziellen Mitteln lediglich mehr Aufgaben - Stichwort Mittagsmagazin - bekommt, teilt der ORF-Chef nicht. "Es ist nicht wahr, dass Geld einseitig in die Unterhaltung geht. Wir haben eine große Ausgewogenheit im Einsatz der Mittel." Tatsache sei aber auch, dass für den neuen Mittwochabend auf ORF eins, wo bisher die Champions League zu sehen war, neue Unterhaltung entwickelt werden muss, "weil wir natürlich auch im Bereich der Unterhaltung einen ganz wesentlichen Teil unseres Auftrags zu erfüllen haben, das tarieren wir sehr sorgfältig aus".
Mögliches "Ungemach" droht dem ORF unterdessen durch die kommende Kabel-Digitalisierung. "Das analoge Kabelpublikum ist neben der Terrestrik unser treuestes. Wir werden durch die Digitalisierung dieses Bereichs in den nächsten zwei bis drei Jahren 1,5 Prozent Marktanteil verlieren", glaubt Wrabetz. Der ORF will auch wegen dieser neuen Herausforderung mit der im Herbst startenden "Programmreformkette" gegensteuern, von der der ORF-General "deutlich mehr Zuspruch von den Jungen am Mittwochabend" und stärkere Quoten rund um das neue Mittagsmagazin zu Mittag erwartet, die sich auch auf den Tagesverlauf niederschlagen sollen.