Digitalabos rauf, Werbung riskant, Bürokosten runter: Diese Formel beschert der Spiegel-Gruppe für 2021 einen regelrechen Gewinnsprung. Im HORIZONT-Interview erklären die Geschäftsführer Thomas Hass und Stefan Ottlitz die Gründe und Grenzen des Wachstums. Und was den 'Spiegel' vom zweiten Hamburger Erfolgstitel, der 'Zeit', unterscheidet.
Thomas Hass, der Vorsitzende der Spiegel-Geschäftsführung, und Ex-Journalist Stefan Ottlitz sagen, wie es jetzt weitergehen soll, weshalb sie den „harten Weg“ zu neuen Abo-Gipfeln wählen, warum sie Werbevermarktung noch längst nicht bloß als Nebengeschäft werten – und wie das Haus zum „journalistischen One-Stop-Shop für werthaltiges Wissen“ werden kann.
Auch zur jüngsten Kritik aus den Reihen ihres Hauptgesellschafters, der Mitarbeiter KG, nehmen sie Stellung. Und erklären, warum der Spiegel es sich offenbar leisten kann, seinen gesamten Jahresüberschuss auszuschütten, anstatt nach den Sorgen der Corona- und nun in der Ukraine-Krise die Rücklagen zu erhöhen.
"Wir werden nahbarer, ohne zu kumpeln"
Herr Hass, Herr Ottlitz, die Spiegel-Gruppe präsentiert für 2021 einen Gewinn auf Rekordhöhe. Ist das ein Ausrutscher nach oben – oder wird das nun dauerhaft zur Mindestflughöhe?
Thomas Hass: Wir haben eine vier beim Jahresüberschuss vorne, und natürlich wollen wir, dass es dabei grosso modo bleibt. 2021 gab es ein paar Sondereffekte wie den Verkauf des Buchmarkt-Fachverlags Harenberg – aber das eigentliche Wachstum kam aus unserer Digitalabo-Strategie, der Basis unseres Ergebnisses. Wenn wir das verstetigen, haben wir den Turnaround geschafft.
Stefan Ottlitz: 40 Millionen Euro neuer Umsatz kam seit 2018 aus unserem digitalen Bezahlmodell Spiegel+ dazu. Der ging fast 1:1 ins Ergebnis, weil die anderen Erlöse weitgehend konstant waren, was ja auch herausragend ist.
Gegenüber 2020. Zum Vor-Corona-Jahr 2019 sind etwa die Werbeerlöse gesunken, auch Digital. Und die Umsätze vor zehn, 20 Jahren waren natürlich höher als heute.
Ottlitz: Ja, auf lange Sicht haben sich Geschäftsmodelle von Publishern radikal verändert. Früher war das Umsatzverhältnis Anzeigen/Vertrieb bei uns zwei Drittel/ein Drittel. Heute ist es umgekehrt. Aber zugleich ahnen wir heute, wie das Geschäftsmodell der Zukunft aussieht, mit Pay-Umsätzen als Basis, und deshalb ist der Krisenmodus allmählich vorbei. Wir haben uns gut Zeit für die Transformation verschafft. Wir sichern mit den Abonnent:innen unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit, und damit auch unsere journalistische.
Wie lautet Ihre Umsatzprognose fürs Vertriebs- und Werbegeschäft speziell für dieses Jahr, mit Ukraine-Krieg, Lieferengpässen und Inflation?
Hass: Dafür ist es noch zu früh. Das Vertriebsgeschäft entwickelt sich gut, denn aktueller Journalismus mit Anspruch ist gefragt wie lange nicht. In der Vermarktung sehen wir Risiken, spüren Zurückhaltung. Wie immer entscheidet da das vierte Quartal.
Und die Gewinnprognose – auch angesichts stark steigender Papierpreise?
Hass: Genauso zu früh. Sie sagen es ja: Für 2022 hatten wir schon 50 Prozent Mehrkosten bei den Papierpreisen angesetzt – jetzt aber gehen wir von weiteren drei Millionen Euro aus.
Ihr Zeitschriftenverband schlägt deshalb ungewöhnlich laut Alarm und fordert Subventionen. Würde sich der Spiegel mit Staats- und Steuergeld wohlfühlen?
Ottlitz: Der
Spiegel ist wirtschaftlich unabhängig, von allen Stellen, und tut alles dafür, dass das so bleibt. Natürlich verstehen wir Sorgen von Regionalverlagen zum Beispiel bei der Zustellung und auch den Wunsch nach Unterstützung. Nur sieht für uns die Lage anders aus.
Der Spiegel hat seit 2018 in zwei Schritten 4,8 Millionen Euro von der Gates-Stiftung erhalten. Sie machen das transparent, und kein vernünftiger Mensch glaubt, dass sich die Redaktion davon beeinflussen lässt. Trotzdem gibt es bisweilen Fragen, nicht nur in einschlägigen Foren und Medien, sondern auch in seriösen Titeln. Ist es das wert?
Ottlitz: Würden wir uns da abhängig machen, würde die Redaktion sofort den Stecker ziehen. Sie findet dieses Projekt inhaltlich interessant, und auch die Stiftung weiß: Falls sie sich einmischt, wird es ungemütlich. Ich kenne kaum eine Drittmittelfinanzierung, bei der es so wenig Einfluss gibt – nämlich keinen. Kritik kommt oft von Leuten, die hinter Stiftung wie
Spiegel dunkle Mächte vermuten. Bei denen dringt man mit Argumenten kaum durch.
„Print ist nicht tot, im Gegenteil erleben wir einen härteren Wettbewerb aller großen Marken ums Wochenende. “
Stefan Ottlitz
Zurück zum Geschäft. Die Schicksalsfrage aller Verlage lautet: Fangen steigende Umsätze im Digitalen das Minus in Print auf? Beim Spiegel ist dieser Knoten längst geplatzt. Heißt das, dass dies so bleibt?
Hass: Ursprü