Am Nationalfeiertag startet der ORF seine beiden Spartenkanaläle ORF III und Sport Plus – was meinen Mediaagentur-Manager?
ORF III soll die Qualitätsschiene bespielen, kann auf der bisherigen Frequenz von TW1/sportplus empfangen werden und startet mit einer Selbstbeschau unter dem Titel: „ORF III – Ein Sender entsteht“. Es folgt passend zum Tag ein Gespräch von ORF-III-Chefredakteur Christoph Takacs mit dem Zeitzeugen und Botschafter im Ruhestand Ludwig Steiner. Im Anschluss interviewt Michael Kerbler den streitbaren französischen Autor Stéphane Hessel, der mit seinem Buch „Empört euch!“ gegen die Auswüchse des Finanzkapitalismus für Aufsehen gesorgt hat und nun das Buch „Engagiert euch!“ nachgelegt hat. Im Hauptabend wird „Don Giovanni“ von den Salzburger Festspielen 2006 zu sehen sein.
Das Programm von ORF III, mit dem Untertitel Information und Kultur, basiert auf den vier Programmsäulen Kultur/Religion/Volkskultur und Regionalität, österreichische Zeitgeschichte und Zeitgeschehen, Information und europäische Integration sowie Kunst und Kultur. So ist jeder Tag einem bestimmten Themenbereichen gewidmet: Montag ist Doku-Tag. Der Dienstag steht im Zeichen von Kunst und Kultur. Religion und Wissenschaft stehen am Mittwoch im Mittelpunkt. Der Donnerstag konzentriert sich auf den Schwerpunkt Europa. Freitag ist Österreich-Tag, gefolgt von Zeitgeschichte am Samstag und Oper, Theater und Konzert am Sonntag.
ORF Sport + widmet sich der Übertragung von nationalen und regionalen Sportwettbewerben sowie der Berichterstattung über Randsportarten. Chefredakteurin des Senders ist Veronika Dragon-Berger.
Für die beiden neuen Kanäle gilt, was inhaltlich dem ORF auch in Sachen „Cross-Promotion“ auferlegt ist: Programmwerbung auf den bestehenden Kanälen darf es nicht geben. Und, zum werblichen: Wie auch auf den beiden bestehenden ORF-Sendern gilt ein Maximum an 42 Werbeminuten pro Tag mit maximal zwölf Minuten je Stunde.
ORF III geht mit 19 Werbeblöcken an den Start, die sich um die Sendungen mit den Schlagworten „NaturReich“ (Montag bis Freitag, Vorabend), „Land der Berge“ (Samstag), „Österreich-Film“ (Samstag), „Bühne“ (Sonntag) und noch offene Hauptabendprogramme (Montag bis Freitag) gruppieren.
Das Programmschema von Sport + folgt einem Rotationsprinzip, wobei die Hauptabendstrecke (20.15 bis 23.15 Uhr) eines Wochentages mehrfach an unterschiedlichen Tagen und zu unterschiedlichen Uhrzeiten blockweise wiederholt wird. Dadurch entsteht für das Publikum eine leicht nachvollziehbare Regelmäßigkeit im Programmablauf.
Für beide neuen Sender wurde das Pricing sehr defensiv angesetzt – die „billigste“ Listensekunde bietet der ORF derzeit am frühen Nachmittag auf ORFeins beziehugnsweise ORF 2 mit um die 40 Euro an. ORF III bietet Sekundenpreise von 1,60 bis 10,00 Euro an, Sport + in der „Rotation“ wird mit 3,60 bis 5,50 Euro pro Sekunde ausgelobt (Brutto-Preis laut Tarifblättern je nach Monat und Sendezeit).
Doch nun zu den Einschätzung:
Joachim Feher, MediaCom, kurz und knapp: „Wir werden mal abwarten, wie die Reichweiten sind und sich entwickeln. Laut unseren bisherigen Analysen werden beide Sender keinen Beitrag zu einer verbesserten Kampagnenperformance leisten, aber ich freue mich, wenn die ersten Teletest-Daten das Gegenteil beweisen."
Friederike Müller-Wernhart, Mindshare: „Beide Sender sind Zielgruppen- beziehungswiese Spartensender und eignen sich zur themenspezifischen Vertiefung von Kampagnen. Aus Preissicht sind sie durchaus attraktiv. Die Einführung der Sender ist jedenfalls mit Paukenschlag am Nationalfeiertag gut gewählt. Das Interesse der Kunden ist gegeben. Die Buchungen werden sicher im Laufe der nächsten Zeit erfolgen, wenn entsprechende Erfolgsnachweise in den Zielgruppen vorliegen. Als Zielgruppen sind hier vor allem Postmaterielle, Etablierte sowie Konsumorientierte Basis und Performer interessant.“
Konrad Mayr-Pernek, MEC mediaedge:cia: „Ende des Jahres zwei neue Sender in den Markt zu setzen wird von der Ertragsseite nicht ganz einfach, da es ja bestehende Kundenvereinbarungen mit den bereits vorhandenen Sendern / Sendergruppen gibt. Wie es aussieht werden wir daher die neuen Angebote nur sehr sporadisch nutzen können. Da es auch keine Leistungswerte beziehungsweise Leistungswertprognosen gibt, nutzen wir die Zeit bis zum nächsten Jahr für Analysen um die Entwicklungen zu besser einschätzen zu können.
ORF Sport + räumen wir speziell in Hinblick auf speziellere Zielgruppen (Männer) etwas bessere Chancen ein mit dem Wermutstropfen, dass ORF Sport+ mit nur 7 Prozent technischer Reichweite startet. Ob sich ORF III nicht mit ORF2 kannibalisiert (Überschneidungen in den Bereichen Kultur, Wissenschaft, etc.) wird man erst sehen. Als Agentur begrüßen wir jede Aktivität, die den Medienstandort Österreich stärkt und jede zusätzliche Senderoption gibt uns als Mediaagentur mehr Möglichkeiten zur Optimierung. Persönlich verstehe ich nicht warum man sich mit zwei neuen Sendern beschäftigt wenn man auf der anderen Seite echte Schwierigkeiten hat die Programmierung der bestehenden Sender zu attraktivieren… .“
Verena Tauzimsky, Media 1: „Alle bisherigen Informationen klingen vielversprechend. ORF III könnte ein qualitativ hochwertiger Spartensender werden, mit einer klaren Struktur durch die vier Programmsäulen. ORF III wird eine spezielle Zielgruppe der Kultur- und Politikinteressierten ansprechen. Jetzt heißt es einmal abwarten, ansehen und beobachten wie sich das Programm wirklich entwickelt. Das gilt auch für Planungen. Aber ich kann mir vorstellen, dass der Sender für einige Kunden ein passendes Umfeld bieten wird, um Akzente zu setzen.
Hohe Reichweiten sind natürlich nicht zu erwarten (Arte beispielsweise hat nach 20 Jahren erst 0,8 Prozent Marktanteil), aber dies ist auch nicht die die Zielsetzung.
ORF Sport + ist ja kein neuer Sender, sondern eigentlich eine Erweiterung des bisherigen Senders. Reichweitentechnisch wird sich kaum etwas ändern. Die Live Übertragung des Tennis Erste Bank Open ist ein gut gewählter Start, der auch ein größeres, sportinteressiertes Publikum anspricht.“
Andreas Weiss, Aegis Media Austria: „Der ORF erweitert mit den neuen Sendern sein Portfolio und Angebot. Das ist grundsätzlich sehr zu begrüßen, wird es doch erlauben auch qualitativ hochwertiges Programm auszustrahlen beziehungsweise auch für engere Zielgruppen (werberelevante) Inhalte anzubieten. Das heisst mit anderen Worten: mehr Vielfalt und Qualität sowie mehr Wettbewerb. Das tut dem Markt sicherlich gut, keine Frage!
Jedoch wird das eigentliche Problem des ORF, nämlich fallende Marktanteile auf seinen „Hauptprodukten“, damit nicht gelöst werden. Und da ist mit Sicherheit größerer Handlungsbedarf und das kann durch ORF III beziehungsweise Sport plus nicht kompensiert werden. Die Sender sind dazu zu fokussiert und spitz in ihrer Ausrichtung, auch müssen die Preise kompetitiv sein, das heisst keine großen Umsatzzuwächse sind zu erwarten.
Spannend wird sein zu sehen, wie der ORF damit umgeht, dass nun zwei weitere Sender ressourcentechnisch betrieben werden wollen, entsprechendes Programm geschaffen werden soll etc. Das stelle ich mir kostentechnisch angesichts der generellen ökonomischen Rahmenbedingungen durchaus interessant vor. Auch wird es gewisse Auswirkungen haben, dass teilweise interessante Sendungen von den Hauptsendern ORFeins & II auf die neuen Sender geshiftet werden.“
Georg Gartlgruber, Carat (Aegis Media): „Die werbliche Relevanz der beiden neuen Spartensender ist begrenzt, was in der Natur der Sache liegt. Einige Kunden sind durchaus interessiert, aber – und das gilt für alle neu startenden Medienprodukte – auch abwartend. Daher sind wir gespannt auf die ersten Leistungswerte. Wobei die Gattung Fernsehen ja mit dem Teletest gleich am nächsten Tag harte Daten liefern kann. Insbesondere Sport + ist für Kunden mit männlichen beziehungsweise sportaffinen Zielgruppen eine durchaus interessante Ergänzung des Sender-Mixes.“
Erwin Vaskovich, ZenithOptimedia (VivaKi): „Der Launch von ORF III und Sport + ist in erster Linie vor dem Hintergrund des öffentlich-rechtlichen Auftrages des ORF zu verstehen. Die beiden Spartenkanäle sind ein interessantes Zusatz-Angebot für das TV-Publikum und aus dieser Perspektive darf man gespannt sein. Ob sich daraus auch ein spannendes Angebot für den Werbemarkt entwickeln kann, bleibt vorerst einmal abzuwarten. Abgesehen von den für Spartensender zu erwartenden geringen Reichweiten-Niveaus könnte der ORF in eine heikle Pricing-Zwickmühle geraten. Bei niedrigen Reichweitenniveaus wird man nur mit entsprechend niedrigen Kosten bei der Werbewirtschaft punkten können, was bei überwiegend gebührenfinanzierten Sendern schnell in eine Dumping-Debatte führen kann.“
Ronald Hochmayer, Mediaplus (Springer & Jacoby Wien): „Die österreichische TV-Landschaft wird durch den Sendestart der neuen Spartenkanäle ORF III und ORF Sport + bunter und reichhaltiger - und das ist auf jeden Fall zu begrüßen! Als Schaufenster für den österreichischen Kulturbetrieb und für Randsportarten, die sonst ohne airing time auskommen müssen, ist das ein zusätzlicher Hebel, um Sponsoren zu gewinnen und die Finanzierung zu erleichtern. Und als kleiner Nebeneffekt wird auch die österreichische Wertschöpfung angekurbelt. ORF III wird unseren Kunden ein Umfeld bieten, bei dem sich Politik- und Kulturinteressierte einfinden, eine Zielgruppe, die sich vor allem durch selektiven Medienkonsum auszeichnet. ORF Sport + wird Sponsorship von Randsportarten attraktiver machen und ins Fernsehen verlängern. Die Marktanteile beider TV-Sender werden aber - ähnlich den ZDF Infokanälen - überschaubar sein.“
Walter Zinggl, Maxus: „Die spannendste Frage für den ORF, aber auch für uns Mediaagenturen wird sein: Finden die Zuseher die Sendeplätze? ORF III ist ja auf dem Platz vom bisherigen TW1/sportplus, das sollte weitgehend klappen, aber Sport + hat einen völlig neuen Frequenzplatz – da müssen eventuell die Sendesuchluftasten eingestellt werden."
Zu ORF III: "Wir stellen durchaus ein Interesse unserer Kunden fest, obwohl natürlich klar ist, dass kein TV-Kunde ORF III als Hauptmedium einschätzt. Dazu kommt die Preisvorstellung: Zum Start und in den ersten Monaten ist kein wie immer geforderter Preis einer möglichen Leistung zuordenbar. Nach den Teletest-Daten November und Dezember sollte das erstmals möglich sein, dann wird man nach Zahlen auch planen können – aber dieses Problem hatten beim Start auch ATV oder Puls4 oder ServusTV. Bis dahin ist eben Flexibilität des Vermarkters gefordert."
Erwartung zu ORF III: "Nach seiner Programmierung ist wohl 12+ oder eine Gruppe 30+ oder noch älter die Benchmark. Wenn ich von 12+, also alle Seher, ausgehe, dann könnte sich ORF III nahe dem Ein-Prozent-Tagesmarktanteil platzieren, so 0,8 bis 0,9 Prozent sollten möglich sein – dann ist das auch ein wirklicher Erfolg!"
"Bei Sport + ist das erste Problem, ob der Sender gefunden und eingestellt wird. Und dann die Programmierung: Ich glaube, wenn Wasserball oder Curling die Top-Events sind, dann wird es schwer werden, Sport + im Teletest überhaupt zu erfassen. Es wird also sehr von der Attraktivität der sogenannten Randsportarten abhängen und ob der Konsument den Sender sucht, einstellt – und schaut. Also 0,5 Prozent Marktanteil (hier wieder für 12+) wäre wohl schon ein Erfolg.
Bei der Maxus haben wir Kunden, die für beide neuen Sender Interesse haben, aber definitiv bis ins nächste Jahr abwarten mit Entscheidungen, bis es erste Teletest Daten gibt.
Für den ORF wird die Bewerbung beider Programme und vor allem der Inhalte wohl ein Eiertanz werden – die Auslegung, was Cross-Promotion, die ja untersagt ist, und Bewerbung von Sender oder Programm ist, wird wohl in erster Instanz die nunmehrige Kommunikationsbehörde als Rechtsaufsicht über den ORF und in Zweiter Instanz den BKS (Bundeskommunikationssenat) beschäftigt halten"