TV-Kritik: "Wetten, dass..?" in Wien. Markus Lanz entschärfte einen Gangster-Rapper und sorgte für ein Bekenntnis von Michael Bublé: Es wäre klüger gewesen, vor der Sendung etwas geraucht zu haben.
Die schlechte Nachricht vorweg: Auch direkt vor Ort ist "Wetten, dass..?" nicht spannender als am Fernsehschirm. Der wichtigste Unterschied: Wer sonst Besseres am Samstagabend zu tun fand, konnte zu Hause zumindest abschalten. In der Wiener Stadthalle, wo der einstige Fixstern der Samstagabend-TV-Unterhaltung gastierte, blieb den Zuschauern nur die Hoffnung, dass es irgendwie doch noch lustig wird.
Was war passiert? Erstaunlich wenig. Zunächst gab es einen "Harlem Shake" zur Begrüßung, womit dem immer kurzlebigeren Zeitgeist im Internet genüge getan wurde. Sonst ließ die Gästeauswahl leichte Zweifel daran aufkommen, dass das ZDF noch über allzu relevante Kontakte im Showbusiness verfügt. Nicole Kidman gastierte zwar in Wien, ließ sich aber nicht auf der fahrenden Couch blicken. Dort saßen dafür Comedian Oliver Pocher, der versuchte, der Sendung mit Witzen über das Gastland Österreich ein bißchen Würze zu geben und Peter Weck, der vornehm Haltung bewahrte. Daneben das Ehepaar Heiner und Viktoria Lauterbach (sie durften auf elektrischen Kloschüsseln um die Wette fahren) und Anna Loos. Internationale Couchgäste waren der Rapper 50 Cent und der King of Swing, Michael Bublé.
In Leonardos Pool übergeben
Letzterer erwies sich als sattelfester Unterhalter von der ersten bis zur letzten Minute, gestand aber irgendwann auch ein, den Faden in dem operettenhaften Scherz-Ping-Pong zwischen Lanz, Cindy aus Marzahn, diversen Saalwetten und einem ausgefallenen Mikro bei seinem Live-Auftritt verloren zu haben. Wenn er gewußt hätte, wie seltsam die Sendung sei, hätte er vorher was geraucht, erklärte Bublé live auf Sendung. Lanz entlockte ihm vorher noch das Geständis, schon einmal in den Pool von Leonardo DiCaprio gekotzt zu haben. Soweit, so Familiensendung. Zur Entschädigung entschärfte Lanz den Gangster-Rapper 50 Cent: So harmlos talkte noch niemand darüber, wie es ist, niedergeschossen zu werden. Die stets gleiche Mimik des Rappers, dessen Film präsentiert wurde, ließ keinen Rückschluss darüber zu, wie angemessen ihm der Auftritt für das eigene Image erschien. Die öffentliche Empörung von Tom Hanks nach dessen Gastspiel bei "Wetten, dass..?" hatte ihn jedenfalls nicht davor abgeschreckt, zu kommen. Wie sein Ego damit klar kam, dass Co-Moderatorin Cindy aus Marzahn hartnäckig versuchte, ihn mit seichten Witzen aus der Reserve zu locken, wird man vielleicht wieder der US-Klatschpresse entnehmen können. Wobei zu befürchten ist, dass gar niemand danach fragt.
Österreichische Relevanz fehlteWas definitiv fehlte: Ein relevanter Gast aus Österreich. Bei allem Respekt vor Peter Weck hätte ein Vertreter des zeitgenössischen Show- oder Sport-Business sicher gut getan. Hermann Maier wäre so ein Kandidat gewesen, der aber schon bei einer der letzten Sendungen am Sofa saß. Marcel Hirscher gastierte interessanterweise am selben Abend beim ZDF und talkte um 23.00 Uhr im "aktuellen sportstudio". Wenigstens Mirjam Weichselbraun absolvierte einen Auftritt, es reichte aber nur zur Moderation der Außenwette. Man schlug den rot-weiss-roten Bogen mit einem Auftritt des Kinderchors der Wiener Staatsoper und Lanz als Falco-Imitator.
Es haktIrgendetwas hakt bei "Wetten, dass..?". Die Gespräche plätschern vor sich hin, die Wetten wirken neben der weit verbreiteten Exotik verrückter Clips aus Youtube wohl nur mehr für die Generation 70 plus spektakulär und die Prominenz findet sich auch nur mehr zögerlich ein, wiewohl ihr der seichte Schmäh von Thomas Gottschalk erspart bleibt. Um der Sendung gerecht zu werden, muss man aber sagen: Besser geht's nicht. Die Dramaturgie klappte wie am Schnürchen, das zeigt sich auch im professionellen Ablauf, der vor Ort eingehalten wird. Markus Lanz ist ein sympathischer Kerl, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger Thomas Gottschalk auch wirklich vorbereitet in die Sendung kommt, die einem spürbar durchdachten Drehbuch folgt. Dass das Konzept mit allen Neuerungen einfach nicht mehr so richtig aufgehen will, kann man weder ihm noch der Redaktion vorwerfen. "Wetten, dass..?" hat einfach seine besten Jahre hinter sich. Auch der beste Cowboy kann auf einem alten Gaul keine guten Tricks mehr zeigen. Selbst wenn er so sympathisch lächelt wie Markus Lanz.