Vorwärts in Richtung Speckgürtel
 

Vorwärts in Richtung Speckgürtel

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Thomas Landgraf ist seit genau einem Jahr Geschäftsführer und Chefredakteur des VORmagazins. Was er schon geändert hat und wo er noch hin will

Irgendwie ist das VORmagazin ein Relikt aus einer guten alten Zeit, zumindest aus einer anderen. Jahrzehntelang versorgte es, allein in den öffentlichen Verkehrsmitteln der Wiener Linien hängend, Fahrgäste mit Info und Lesestoff. Dann kamen die Gratistages­zeitungen zu U-Bahn und Co., vieles wurde anders. Zudem ringt man heute mit meist ­jüngeren Smartphone-Benutzern um deren Leseaufmerksamkeit während der Öffi-Fahrt. Und steht dabei auf ­vermeintlich verlorenem Posten – doch der auf den ersten Blick überraschende Befund von Thomas Landgraf lautet: „Die Jungen wollen Print.“


Die Jungen lesen wirklich gerne Print, lesen Magazine, und noch dazu solche, die gratis sind? Konkret untermauert das Landgraf, der seit einem Jahr Chefredakteur und Geschäfts­führer des bestens eingeführten Titels ist, mit einer Detailauswertung der ­Media-Analysen und einer Leserbefragung: Bei 300 Face-to-Face-Interviews wurden die speziellen Interessen der Öffi-Leser erhoben, und ein Ergebnis war, dass das VORmagazin besonders bei den 20- bis 29-Jährigen punktet. „Heute und Österreich sehe ich nicht als Konkurrenten, denn für unsere Leser ist laut dieser Befragung Kultur am wichtigsten und sie schätzen uns als hochwertiges Produkt mit intellektuellem Anspruch.“

Die ­Kulturstrecke im mit 40.000 Stück Auflage zwölfmal jährlich erscheinenden und über 100 Seiten starken Hochglanzmagazin kann, dezent verteilt, bis zu 40 Seiten umfassen. Das Spektrum reicht dabei von Musik, heimisch und international, über Kleinkunst bis hin zum Off-Theater, also auch jenseits des Mainstreams. Diese Richtung hat Landgraf bewusst eingeschlagen: „Auf den etablierten Künstlern sitzen eh alle drauf, wir fahren bewusst eine jüngere Schiene und heben uns damit ab“, sagt er überzeugt. Konsequenterweise wurde nach einem sanften Heft-Relaunch, etwa mit kürzeren Texten, auch die Website  inhaltlich und technisch optimiert und Social Media spielen eine wichtigere Rolle: Die Community auf Facebook ist von 150 auf über 6.000 Menschen an­gewachsen. Auch die Mannschaft des VORmagazins ist mit im Schnitt kaum über 30 Jahren nicht nur jung, sondern auch schlank, besteht aus acht fixen Mitarbeitern (drei davon in der Redaktion, inklusive Landgraf) sowie externen Mitarbeitern, etwa Stammkolumnisten wie Thomas Rottenberg.


Erneuerung und Verschlankung des Teams hatten auch andere Gründe. „Die klassischen Umsätze im VORmagazin stagnieren“, macht sich Landgraf nichts vor; neue Umsätze holt er dank seiner langjährigen Gratismedien-­Erfahrung als Chefredakteur des Wiener Bezirksblatts aber mit feinen Sonderprodukten, etwa Kleinkunstguide (25.000 Auflage), U2-Guide (der U3-Guide ist gerade in Produktion) oder Kinderkulturguide. Letzteres liebevoll gestaltetes Heft wurde 10.000-fach an 60 Wiener Volksschulen verteilt, jetzt  wird es in fast doppelter Auflage zweimal jährlich an alle dritten Schulstufen der 320 Volksschulen der Stadt gehen.


Mit Wien allein ist Landgraf aber nicht zufrieden, die Reichweite liegt dort bei zwölf Prozent. In Niederösterreich sind es erst rund 3,5 Prozent. „Wir wollen besonders mit Special-Interest-Produkten verstärkt das Wiener Umland, den Speckgürtel, bespielen, so ­etwas wie ein Servus für die Ostregion werden“, lässt Thomas Landgraf keine Zweifel, dass er nach dem fulminanten ersten Jahr auch in den kommenden Jahren noch viel vorhat.
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