Das Thema der Pressefreiheit in Ungarn ist ein sehr umstrittenes. So wurde auch eine Diskussion am Montagabend in Wien darüber recht heftig.
Während Regierungssprecher Zoltan Kovacs das "oppositionelle Narrativ" einer mangelnden Pressefreiheit scharf attackierte, übte Marton Gergely von der eingestellten Zeitung "Nepszabadsag" ebenso heftige Kritik an dem Vorgängen rund um die Medien im Land.
"Unsere Medienstruktur ist in Ordnung", konstatierte Kovacs. Er beklagte einen Mangel an "Fakten" bei der Diskussion. "Sie verwechseln Medienfreiheit mit der Eigentümerschaft der Medien", warf er den Mitdiskutanten vor. Internationale Aufregung über die Situation in einem Land gebe es zudem nur dann, "wenn eine rechte oder Mitte-Rechts-Regierung an der Macht" sei, kritisierte er. Kovacs dementierte gleichzeitig, dass die ungarische Regierung irgendetwas mit der Einstellung der linksliberalen Oppositionszeitung "Nepszabadsag" zu tun hatte und verwies auf die langjährigen wirtschaftlichen Probleme des Traditionsblattes. "Willkommen in der Welt des Kapitalismus!"
Gergely, Vizechefredakteur der Zeitung, konterte: Die Verluste seien bereits vor dem Kauf durch das österreichische Investmentunternehmen VCP im Jahr 2014 entstanden; zuletzt habe es ein Sparprogramm gegeben, die Online-Plattform nol.hu sollte ausgebaut werden, dafür seien auch acht neue Online-Redakteure engagiert worden. "Die wirtschaftlichen Gründe (für die Einstellung des Blattes) sind Lügen", meinte er.
VCP hatte die Zeitung und deren Onlineausgabe vor einem Monat ohne Vorwarnung an die Mitarbeiter von einem Tag auf den anderen eingestellt. Mittlerweile wurde die Zeitungsgruppe Mediaworks, zu der auch "Nepszabadsag" gehört, an die ungarische Opimus Press weiterverkauft, die dem Umkreis des regierungsnahen Oligarchen Lörinc Meszaros zugerechnet wird. (Kovacs stellte in der Gesprächsrunde im Übrigen infrage, ob Opimus Press entgegen Medienberichten tatsächlich etwas mit Meszaros zu tun hat, da dieser offiziell kein Eigentümer der Firma ist.)
Gergely verwies auf die Aufdeckergeschichten, die das Blatt über Korruption und Freunderlwirtschaft im Umfeld der ungarischen Führung veröffentlicht hatte und noch veröffentlichen wollte. "Die Artikel, die wir nicht herausbringen konnten, waren der Grund, dass wir geschlossen wurden." Er räumte zwar ein, dass "die Redefreiheit in Ungarn weiterhin besteht". Es gebe aber immer schlechtere finanzielle Möglichkeiten für investigativen Journalismus im Land, beklagte er.
Anzeigen: Abhängigkeit sehr großDie Juristin und Menschenrechtlerin Dalma Dajcsak von der ungarischen Gesellschaft für Freiheitsrechte (TASZ) verwies auf das unter der Regierung von Viktor Orban 2010 eingeführte Medienrecht und das politisch bestellte Oberhaupt der Medienbehörde. Außerdem seien die ungarischen Medien sehr vom Staat auf dem Anzeigenmarkt abhängig, der dadurch maßgeblichen Einfluss ausüben könne. Auch sie betonte: Für die Kritiker der Regierung sei es "keine Frage, dass 'Nepszabadsag' aus politischen Gründen eingestellt wurde".
Österreichs Ex-Vizekanzler Erhard Busek, Vorstandsvorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM), sah das Problem eher allgemein und nahm dabei auch Österreich in die Pflicht: "Wir müssen uns selbst vorwerfen, dass wir nichts getan haben." Die ungarische Regierung mochte er selbst nicht kritisieren, eher gab er den einen oder anderen Seitenhieb auf die österreichischen Verhältnisse: "Wenn es um die Anzeigen geht, dann sind die österreichischen Medien auch nicht unabhängig". Kovacs nahm dies auf und kritisierte die gesamte Diskussion: "Sie bringen ein ungarisches Problem hierher, obwohl Sie in Österreich das gleiche Problem haben." Die Debatte selbst sei "bizarr", er fühle sich angesichts der Vorwürfe "wie vor Gericht".
Der Regierungssprecher sagte der APA im Vorfeld der Diskussionsrunde, dass er hinter dem "Skandal" um "Nepszabadsag" "die Aufregung der anderen (politisch linken, Anm.) Seite" ortet. "Die Opposition sieht immer eine teuflische Verschwörung", meinte er. Dabei sei "Nepszabadsag" ein "parteiisches Blatt" gewesen, immerhin habe es bis vor kurzem zum Teil noch der Sozialistischen Partei (MSZP) gehört, erinnerte er.
Die englischsprachige Veranstaltung fand in den Räumlichkeiten der Austria Presse Agentur statt, mitveranstaltet vom Österreichischen Presserat, dem Presseclub Concordia und der APA.