Überlebensfragen
 

Überlebensfragen

Editorial von Sebastian Loudon, Herausgeber (HORIZONT 30/2014)

Stirnrunzeln in den Chefetagen der „Großen Vier“, also der überregionalen deutschen ­Tageszeitungen: Alle vier, Bild Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Welt verloren massiv an Reichweite, wie die am Mittwoch veröffentlichte deutsche Media-Analyse zeigt. Die Bild verlor innerhalb eines Jahres 830.000 Leser, das entspricht einem Reichweitenminus von 6,8 Prozent. Bei der FAZ sind es gar 13,6 Prozent, in absoluten Lesern 120.000. Auch die Sonntagszeitungen und die erfolgsverwöhnte Zeit verzeichnen sinkende Reichweiten, und die Apologeten der „Print ist tot“-Religion haben frischen Stoff – und trotzdem nicht recht.

Ja, die Reichweiten sinken, die Auflagen auch. Alles andere wäre angesichts der sich entfaltenden digitalmedialen Wirklichkeit auch vollkommen absurd. Und nicht einmal das stimmt, dass nämlich alle Reichweiten sinken würden. Das Handelsblatt legte zu, ebenso der Spiegel und viele regionale Zeitungen – mit teilweise massiven Steigerungen.

Print lebt. Auch wenn es kein leichtes Leben ­geworden ist. Ganze Pfeiler des Erlösmodells, wie etwa die Kleinanzeigen bei Tageszeitungen, wanderten ins Internet. Und auch als Partner der Werbewirtschaft hat sich die Rolle von Printmedien ­geändert. Sie ist nun spezieller, spitzer. Print hat nach wie vor seine ganz starke Rolle als Werbeträger, aber sie ist eben nicht so allumfassend wie noch vor 15 Jahren. Dieses Spezifikum, dieses ­besondere Merkmal, gilt es nun herauszudestillieren und stärker zu akzentuieren. Es geht um die Kontaktqualität, das redaktionelle Umfeld, die ­Aufmerksamkeit bei der Nutzung, die Überraschungsmomente beim Umblättern, das Profitieren vom Vertrauensverhältnis, das zwischen jedem guten Printmedium und seinen Lesern besteht.

Jede Zeitung, jedes Magazin muss dieses Spezifikum für sich selbst herausfinden, es stärker ­entwickeln und sich damit mit stolz geschwellter Brust und einem anständigen Preisgefüge der werbetreibenden Wirtschaft als Partner auf Augenhöhe anbieten. Mit Rabattschlachten und Marketing-Aktionitis verkrampft und gegen jede Logik zu versuchen, eine Welt von gestern aufrecht zu erhalten, ist ebenso sinnlos wie gefährlich, erst recht, wenn gleichzeitig durch Sparprogramme das Einzige geopfert wird, was tatsächlich die Zukunft sichern kann, nämlich die redaktionelle Qualität. Wie formulierte es Friede Springer anlässlich des Verkaufs zahlreicher Springer-Regionalzeitungen fast ein wenig poetisch? „Das Alte ist vergangen, wirklich vergangen.“

Also lassen wir das Alte doch endlich hinter uns. Die alten Mechanismen, die alten Renditeerwartungen, die alten Privilegien, die aus den fetten Jahren stammen. Print lebt und es wird überleben, allerdings nur, wenn alle Beteiligten – Eigentümer, Manager, Journalisten, Verkäufer – sich konsequent auf die neue Welt einstellen.
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