Mehrere heimische Redaktionen wollen U-Ausschuss-Abdrehen zu Inseratenaffäre nicht durchgehen lassen
Eine Reihe von heimischen Tageszeitungen will SPÖ und ÖVP ein Abdrehen des U-Ausschusses offenbar nicht einfach durchgehen lassen. Während "Kronen Zeitung" und "Österreich", also jene Zeitungen, die in der sogenannten Inseratenaffäre von Anzeigenaufträgen des ehemaligen Infrastrukturministers und heutigen Bundeskanzlers Werner Faymann (SPÖ) profitiert haben sollen, zuletzt tendenziell gegen weitere Aufklärungsschritte in der Causa anschrieben, haben nun Blätter wie die "Kleine Zeitung", "Die Presse" oder der "Kurier" eine "publizistische Brandmauer" gegen ein Aus für den Korruptions-U-Ausschuss errichtet, wie dies die APA bezeichnete. Im Folgenden ein Überblick:
"Um nicht schulterzuckend dabei zuzusehen, wie der Regierungschef mit dieser Vorgangsweise durchkommt, versuchen wir, eine Art Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Jene Zeitungen, die von Beginn an versucht haben, Licht in die Inseratenpraxis öffentlicher Institutionen zu bringen, haben sich informell darauf verständigt, gegen die Einstellung des U-Ausschusses publizistischen Widerstand zu leisten, solange Werner Faymann dort nicht ausgesagt hat", hieß es am Dienstag in einem "Presse"-Leitartikel. Schon in der "Presse am Sonntag" hatte Chefredakteur Rainer Nowak in einem Brief an Bundeskanzler Faymann geschrieben, "wenn Sie sich weiter dem U-Ausschuss verweigern, nehmen Sie und Ihr Amt Schaden. Und sollte das Kontrollorgan abgedreht werden, dürfen Sie und Ihre Koalition mit Widerstand rechnen".
"Unwürdiges Schauspiel""Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter warnte die politischen "Vertuscher" in einem Kommentar der Montagsausgabe ebenfalls und schrieb von einem "unwürdigen Schauspiel, wie man einen U-Ausschuss umbringt". Sollten SPÖ und ÖVP glauben, dass die Wähler bei der Nationalratswahl in einem Jahr dieses Vorgehen vergessen haben, "werden ihnen Zeitungen wie der 'Kurier' einen Strich durch die Rechnung machen", so Brandstätter.
Titelseite der "Kleinen": Ausschuss arbeiten lassenDie "Kleine Zeitung" appellierte am Dienstag in großer Titelaufmachung an die Politik: "Lasst den Ausschuss weiterarbeiten!" Daneben bot man gleich eine ganze Phalanx prominenter Österreicher auf, die in Richtung Parteien dafür plädieren, die Aufklärung nicht zu behindern. Rechnungshofpräsident Josef Moser, Ex-EU-Kommissar Franz Fischler, die Schriftsteller Peter Turrini, Erika Pluhar und Josef Winkler, Caritas-Präsident Franz Küberl, Musiker Hubert von Goisern, Fernseh-Kaiser Robert Palfrader und andere sprechen sich für eine Fortführung des U-Ausschusses aus. "Werden die ausstehenden Themen unter den Tisch gekehrt, wird die moralische Entsolidarisierung und die Abwendung von politischen Autoritäten breit an die Basis sickern. Jeder einzelne der 183 Parlamentarier sollte sich gründlich überlegen, ob er das österreichische Volk oder die Meinung seines Parteiobmanns vertreten möchte", ergänzte "Kleine"-Kulturchef Frido Hütter in einem Leitartikel.
"Langfristige Wählervertreibung"Aber auch andere bekannte Journalisten hatten zuletzt heftige Kritik an den Einstellungsplänen für den Korruptions-U-Ausschuss geübt. Andreas Koller, stellvertretender Chefredakteur der "Salzburger Nachrichten", bezeichnete die jüngsten Aktivitäten um die Ausschussarbeit als "langfristige Wählervertreibung um des kurzfristigen Vorteils willen". Zweck dieses "brutalen Eingriffs in die Kontrollrechte des Parlaments ist es, Bundeskanzler Werner Faymann einige peinliche Ausschuss-Auftritte zu ersparen und Gras über die schwarz-blau-orangen Skandale der Ära Schüssel wachsen zu lassen." Die politischen Akteure zertrümmerten damit ein System. "Es wirkt, als hielten sie eine Blaupause für den Weg in ihren eigenen Untergang in Händen."
"Sollte Akt der Selbstverständlichkeit sein"Und "Standard"-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid forderte in einem Kommentar Bewegung von allen Akteuren. "Denn wird der Untersuchungsausschuss tatsächlich eingestellt, dann diskreditieren sich die Politiker in Österreich - und zwar aller Parteien - vollends. Dann ist für alle offensichtlich, dass der Wahlkampf und taktische Spielchen wichtiger sind und die Gewaltenteilung in Österreich nicht ernst genommen wird. Dass sich ein Regierungschef Fragen der Parlamentarier stellt, sollte in einer Demokratie ein Akt der Selbstverständlichkeit sein. Dass dann just dieser Kanzler versichert, er werde einer Ladung folgen - aber er und seine Berater genau das verhindern -, ist Wählerverhöhnung."
"Interessiert huete kein Schwein mehr"Auf der anderen Seite der publizistischen Front standen zuletzt "Kronen Zeitung" und "Österreich". "Die Werner Faymann-Inserate aus dem Jahres Schnee interessieren heute kein Schwein mehr", war etwa in der "Krone" zu lesen. Und die Tageszeitung "Österreich" kritisierte vor allem die Vorsitzführung der Grünen Gabriela Moser.
(APA/red)