Digital-Expertin Anita Zielina lehrt News Innovation und Leadership an der Craig Newmark Graduate School of Journalism der City University New York und berichtet im HORIZONT von ihren Beobachtungen am US-Medienmarkt.
Dieser Gastkommentar ist zuerst in Ausgabe Nr. 50/2019 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!
Zwei bis drei Jahre dauert es, bis US-Medienentwicklungen im deutschsprachigen Raum aufschlagen, schätzen Expertinnen und Experten. Folgende Entwicklungen beschäftigen die amerikanische Medienszene gerade intensiv.
Lokale Medien und ,News Deserts‘
2018 sorgte eine Studie der University North Carolina für Aufsehen, die lokale Medien analysierte. Ihr Ergebnis: 225 US-Countys, also Gemeinden, haben keine Zeitung mehr – keinen Investigativjournalisten, keine politischen Redakteure, keine chronikalen Berichte. Ein County zählt durchschnittlich 100.000 Einwohner, hat also etwa die Größe von Innsbruck. Als Reaktion arbeiten breit angelegte und geförderte Initiativen an der Revitalisierung des Lokaljournalismus.
Förderung und Regulierung
US-Präsident Donald Trump würde es wohl als „Sozialismus“ verdammen, aber gerade Teile der tendenziell wirtschaftsliberalen USA haben die Liebe zur Förderung und Regulierung ihrer Medien- und Technologielandschaft entdeckt.Die Zähmung der Internetgiganten Google, Facebook und Amazon findet Anhänger unter Republikanern und Demokraten. Und die beiden Präsidentschaftsanwärter Elizabeth Warren und Bernie Sanders pochen auf die staatliche Unterstützung strauchelnder Medienkonzerne.
,Shift to Subscriptions‘
Dass Online-Werbung und digitale Reichweitenvermarktung alleine als Fundament eines Geschäftsmodells nicht ausreichen, ist spätestens klar, seit ehemalige Wunderkinder der Branche wie BuzzFeed oder Vice massive Kündigungswellen umsetzen mussten. Digitale Abos und Mitgliedschaften sind die neue Mode – und während sie unbestreitbar essentiell für die Medienzukunft sind, ist die Gefahr groß, auch hier dem Irrglauben anzuhängen, dass ein Modell wie die Membership-Modelle allein die Zukunft zu sichern vermag.
,Product Thinking‘
Interdisziplinäre Teams an der Schnittstelle von Technologie, Redaktion und Business-Einheiten – oft getrieben von „Product Thinking“, also den Prinzipien des Produktmanagements, die den Kunden in den Mittelpunkt der Entwicklung stellen –bilden die Innovationseinheiten der meisten erfolgreichen Medienhäuser. Das bedeutet auch: Der klassische Verlag mit seinen traditionellen Silos hat ausgedient.
Mega-Merger
Das Zeitalter der Konsolidierung hat gerade erst begonnen, darin sind sich Medienbeobachter einig. Und während europäische Marktteilnehmer zaghaft hinter verschlossenen Türen verhandeln, ist der Prozess in den USA in vollem Gange. Erst kürzlich schlossen sich die beiden größten Zeitungsketten, Gannett und GateHouse, zusammen – ein Konglomerat mit (noch) über 27.000 Jobs, von denen viele eingespart werden sollen.