Beim zweiten Tag des Regionaljournalismus diskutierten mehr als 30 Medienexperten über Digitalisierung und Wandel, Ausbildung und Karriere, Qualitätssicherung, Medienwirtschaft und Medienpolitik.
Stark nachgefragt, demokratiepolitisch wertvoll, kaum ersetzbar – und trotzdem selten im Fokus. Die Rede ist vom regionalen und lokalen Journalismus. "Es ist daher höchste Zeit, ihn vor den Vorhang zu holen und seine Herausforderungen, Potenziale und Entwicklungsmöglichkeiten in den Mittelpunkt zu rücken", waren die Veranstalter des "Regio Media" an der FH Burgenland überzeugt. Die Veranstaltung ging Corona-bedingt rein virtuell über die Bühne.
Moderiert von Alexandra Maritza Wachter von Puls 4 startete die Veranstaltung mit der Keynote des ARD-Journalisten Teja Adams, der von Hamburg zugeschaltet war zum Thema "Crossmediales Storytelling in Regionalmedien". In 13 Gedanken skizzierte er seine Anschauung. "Regional ist die Zukunft! Im Regionalen liegt unheimlich viel Potenzial," postulierte er gleich zu Beginn. Regionaljournalismus habe eine Zukunft, gleichwohl müsse sich aber an einigen Stellen etwas ändern. Regionaljournalismus müsse dahin, wo die Leser und Nutzer zu Hause sind. Das sei die Herausforderung. Weiters führte Adams aus, dass die Personalisierung von Nachrichten "ein wahnsinnig großes Thema" sei. Schon heute könne man sich im Bereich Sprachassistenten persönliche Informationen holen. "Wir müssen sehr stark nicht nur Mobile First denken, sondern auch Mobile only", gab der Journalist zu bedenken. Bei jeder Geschichte müsse man von Anfang an mitüberlegen, was man auf welchem Kanal wie spielen möchte. Wichtig sei es im frühen Stadium cross-medial zu denken und zu handeln. Es sei Aufgabe des Managements zu sagen, wie Digital mit Radio, TV und Print zusammenspielen. Hierzu müsse man sich mehr Mitarbeiter ins Haus holen oder intern Experten systematisch aufbauen.
Corona habe zwangsläufig die ganze digitale Entwicklung beschleunigt. Man könne sich mit digitalen Tools in Video-Konferenzen mit einem Team sehr produktiv austauschen. "Ich hoffe, dass die Entwicklung auch hilft, den Regionaljournalismus nachhaltig besser zu machen," so Adams. Für die Zukunftsfähigkeit des Regionaljournalismus müsse man auch über deren Finanzierung reden. Hierzu müssten Digital-Abos viel attraktiver werden. Adam konstatierte: "Was das große Pfrund von lokalem und regionalem Journalismus ist, ist ihre Content-Exklusivität. Ich bin gezwungen, wenn ich wissen will was in meinem Umfeld passiert, die lokale Tageszeitung zu abonnieren. Ich wäre ein noch größerer Fan, wenn das lokale Angebot im digitalen Bereich noch besser aufgestellt wäre."
Es gelte, dieses Pfrund im Bereich des Story-Tellings besser zu nutzen. Für Adams ist alles in Bewegung. "Wir müssen bei allem alles zusammen denken", meinte er. Für ihn sei es keine cross-mediale Aufbereitung, wenn man einfach eine Print-Geschichte 1:1 online stellt. "Wir müssen zeigen, wie man im Print einen starken Mehrwert bilden kann, beispielsweise durch ein exklusives Podcast-Interview", so sein Credo. Abschließend rief Adams zum experimentieren auf. "Wenn wir den crossmedialen Journalismus einfach neu denken, werden wir wissen wie was in Zukunft funktionieren kann", so der Hamburger abschließend.
'Zusammenspiel der Kanäle'
In einem anschließenden Panel, das von HORIZONT-Chefredakteur Jürgen Hofer moderiert wurde, diskutierten neben Adams, Brigitte Handlos (Everything Media, ORF) und Markus Stefanitsch (BVZ). Stefanitsch pflichtete Adams bei, dass es nicht darum gehe, welcher Kanal welchen ablöse, sondern um das Zusammenspiel aller möglichen Kanäle. "Wir gehen sehr stark in die Richtung, dass wir unser Printprodukt weiterhin stark forcieren, gleichzeitig sehen wir einen noch viel größeren Markt im Online-Bereich vor allem im Regionaljournalismus. Im Printbereich ist unser Produkt die Cash-Cow und im Internet ist eine riesige Reichweite, die wir bislang mehr oder weniger verschenken. Man muss einen schmalen Grad wandern, um beide Bereiche abzudecken," so Stefanitsch. Er wolle kein Geheimnis daraus machen, dass man in naher Zukunft für die Inhalte im Netz Geld verlangen wolle: "Wir werden es im nächsten halben Jahr bis Jahr soweit am Start haben".
Hofer wollte wissen, ob sich der Regionaljournalismus in seinem Wesen durch die Cross-Medialität und die Digitalisierung verändert habe. Handlos bejahte das: "Die Kunden haben sich stark verändert, während in den Redaktionen sich kaum etwas verändert hat. Und in dieser Schere leben wir gerade." Adams richtete seinen Blick auf die Distribution speziell bei jungen Leuten. "Die große Herausforderung bei den Social Media Plattformen ist, dass die eigentlich im ersten Zuge überhaupt kein Interesse haben, dass ein Nutzer von Instagram, Facebook oder TikTok rübergeht auf eine regionale Webseite."
In einer Abschlussrunde war Thema, wie sich der Regionaljournalismus in den kommenden zehn Jahren entwickeln wird. Dazu Adams: "In zehn Jahren wird es immer noch Print geben. Print mus dann aber viel hintergründiger werden und alle anderen Kanäle müssen daran andocken. In zehn Jahren werden wir Apples Glases haben, eine smarte Datenbrille, wo ich jederzeit in meinem Blickfeld irgendwelche informationen bekommen kann. Wo ich über Audio ganz viel Inhalt beziehen kann. Eine Zeitung im Auto zu hören, da ergeben sich ganz neue Möglichkeiten." Stefanitsch sah das ähnlich. Je näher man bei den Kunden sei, umso breiter werde das Angebot. Bewegtbilder seien sicher auch ein Weg für den Regionaljournalismus. Handlos schließlich meinte, dass journalistisch viel mehr in die Tiefe gegangen werden müsse. "Die Kundennähe wird dadurch verbessert. Der interaktive Austausch wird stattfinden."
Regio Media
Im Anschluss an die Diskussionsrunde präsentierte Michael Roither von der FH Burgenland die Studienergebnisse zu "Regio Media - was erwartet das Publikum vom Regionaljournalismus?" Dabei stellte er fünf Kernerkenntnisse fest. Erstens: Die Menschen nutzen aktuell Regionaljournalismus auf allen Kanälen. So nutzen zum Beispiel 70 Prozent der Befragten das Online-Angebot des ORF, 65 Prozent das TV-Format "Bundesland Heute" und 60 Prozent der Befragten die regionalen Bezirksblätter. Zweitens: Die klassische Nutzung ist weiterhin vorhanden. Gleichzeitig werden multimediale Angebote stärker genutzt. Drittens: Das digitale Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft. Klassische Kanäle bleiben, digitale Kanäle werden massiv ausgebaut. Viertens: Die Zahlungsbereitschaft für digitale Abos wächst. 30 Prozent der Befragten wären bereit dafür gleich viel wie für ein klassisches Medien-Abo zu zahlen. Fünftens: In Krisenzeiten punkten Regionalmedien - aber unterschiedlich stark.
Im Anschluss debattierten Experten unter anderem über die Frage der regionalen Qualität, Ausbildung oder das Verhältnis von Regionalmedien und Politik.