Qualität für Europa und Social Media
 

Qualität für Europa und Social Media

Tag des Qualitätsjournalismus: Der VÖZ bot eine Keynote und zwei spannende Diskussionsrunden

"Europa - Ein Projekt von und für Eliten?" und "Soziale Netzwerke: Zeit-Verplemperung oder journalistische Bereicherung?" - zwei höchst unterschiedliche Themen fanden Raum am 2. Tag des Qualitätsjournalimus am 29. April. Prof. Hans Jörgen Manstein betonte in der Begrüßung in Bezug auf Qualitätsjournalismus, dass säen, pflegen und ernten auch für Qualitätsmedien Tugenden seien, mit denen man sich von Boulevardmedien abgrenzen müsse.

VÖZ-Präsident Thomas Kralinger bekrittelte die inflationäre Verwendung des Begriffes Qualitätsjournalismus in Österreich und definierte letzteren mit Ausgewogenheit und Objektivität. Man müsse in Form von Meinungen und Analysen einen Mehrwert für den Leser schaffen, Relevanz erkennen und zwischen den Zeilen lesen können.  Dem Berufsethos folgend grenze sich dieser von Hetze und Meinungsmache ab, und soll durchaus überraschen.

Dafür soll auch bezahlt werden, denn durch die Kaft des Infotainment entstehe ein Kostendruck, und mit sozialpartnerschaftlichen Arbeitsbedingungen in den Qualitätsmedien sei diese Leistung nicht billig. Daher seien seitens der Poltik bessere Rahmenbedingungen für Qualitätsjournalismus nötig. „Der Qualitätsjournalismus braucht Investitionen und darf nicht nach der Anzahl der Redakteure bemessen werden. Im Kanzleramt gibt es aber keine Signale für eine bessere Dotierung.“

Keynote von Hans-Ulrich Jörges

Es folgte eine polarisierende Keynote von Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der Chefredaktion des deutschen Magazins "stern", bekanntermaßen einer, der die Dinge beim Namen nennt. „Ich beobachte Medien in Österreich sehr oft, wenn auch meistens elektronisch. Etwa Armin Wolf in der ZIB 2, seine Interviews sind oft viel interessanter als vergleichbare in Deutschland“, so Jörges. Die Medien hätten sich in Bezug auf die EU in einem bequemen Missverständnis eingerichtet und sich auf vermeintlich Populäres zurückgezogen. „In Brüssel ist kein investigativer Journalismus erkennbar, es gibt oft hilfsbeflissene, unkritische Berichterstattung.“ Indem man über viele Dinge nicht berichte,  oder etwa hinnehme, wie die Europäische Kommission mit dem Europäischen Parlament in vielen Fragen umspringe, liefere man antieuropäischen Populisten seitens der Kommunisten und Nationalisten Munition. „Die Medien haben verlernt, wichtiges von unwichtigen zu trennen, als Folge machen sich viele Menschen Gedanken und lösen sich von dem ‚real existierenden Europa’.“

Auf der nächsten Seite lesen Sie, wie es bei der Podiumsdiskussion zum Thema "Europa - Ein Projekt von und für Eliten?" zuging.

Die Erkenntnisse der ersten Podiumsdiskussion zum Thema "Europa - Ein Projekt von und für Eliten?" waren divers. Michael Jungwirth, stv. Leiter der Wiener Redaktion der "Kleinen Zeitung" und 13 Jahre lang Korrespondent in Brüssel, brachte zunächst die historische Dimension ins Spiel: "Die EU ist ein Elitenprojekt, aber keines, das im Elfenbeinturm entstanden ist, sondern eines, das auf den Schlachtfeldern von Verdun seinen Ausgang nahm. Es ging um Frieden für Europa. Aber: Das Europaprojekt hatte von Anbeginn an ein Akzeptanzproblem."

Raimund Löw, ORF-Korrespondent und Buchautor (soeben ist "Europas Strippenzieher" erschienen), meinte: "Eigentlich ist es toll, dass so ein kleines Land wie Österreich mit acht Millionen Einwohnern, bei den großen Themen in Europa mitentscheidet, aber das interessiert hierzulande leider kaum jemanden." Und er informierte: Wenn die EU-Kommission etwas an die relevanten Entscheider Europas, wie beispielsweise den Siemens-Vorstand, bringen wolle, dann laufe das medial über die Financial Times.

Post-Chef Georg Pölzl wünschte sich vor allem eine "vernünftige, elitäre Diskussion und mehr Inhalte". Gerne intensiver mit Herrn Jörges diskutiert hätte Thomas Mayer, leitender Europa-Redakteur des "Standard", der auch meinte "Europa sei als Eliteprojekt entstanden, aber inzwischen lange keines mehr, da sich jeder auf vielen Kanälen informieren kann, bis zur Verfolgung der Plenarsitzungen in Brüssel". Was ganz grundsätzlich zu selten erwähnt wird, so Mayer, handle die Europäische Kommission, die gesetzgebende Gewalt der Union mit 28 Kommissaren aus den Mitgliedsländern, immer im Auftrag der Mitgliedsländer.

Georg Wailand, Herausgeber und Chefredakteur „Gewinn“ und Chefredakteur der „Kronen Zeitung“ wurde zur Rolle der „Kronen Zeitung“ befragt, die bekanntermaßen die Stimmung zu Europa im Land maßgeblich mitprägt und musste für die „Kronen Zeitung“ einige Kritik einstecken. Sein Input: "Die Kluft zwischen den Eliten und der Bevölkerung wächst. Als Medium, das alle Bevölkerungsschichten anspricht, müssen wir auch emotionale Äußerungen einfangen, die uns vielleicht nicht gefallen."

"Wiener Zeitung"-Chefredakteur Reinhard Göweil sah eine Problematik im auf die nationale Politik fokussierten Boulevard, wie auch darin, dass Europa die Themen vernachlässige, die die Menschen betreffen. Alexander Görlach, Gründer des European, meinte, dass die Komplexität der Sachfragen, die bei der EU Thema seien, unterschätzt werde. Jungwirth meinte anschließend an die Diskussion, dass "die EU eine Kopfgeschichte sei, die noch nicht im Bauch angekommen ist, auch weil die EU immer noch ein junges Konstrukt sei".

Wie es beim zweiten Panel zum Thema "Soziale Netzwerke: Zeit-Verplemperung oder journalistische Bereicherung?" zuging, lesen Sie hier.

Lesen Sie mehr dazu in der HORIZONT-Ausgabe 18/2014 (ET: 2. Mai).
stats