,Qualität findet ihr Publikum'
 

,Qualität findet ihr Publikum'

Alexander Koppel, CCO des Red Bull Mediahouse im Interview

Dieses Interview erschien in HORIZONT 16/2012.

HORIZONT: Das Red Bull Media House ist ein außergewöhnlicher Marktteilnehmer im heimischen Printsegment – das noch am wenigsten atypische Magazin ist das Seitenblicke Magazin. Zuletzt ging die Reichweite laut Media-Analyse etwas zurück – gibt es Handlungsbedarf?


Alexander Koppel: Dem Seitenblicke Magazin geht es sehr gut, wir sehen, obwohl die Reichweite insgesamt zurückgegangen ist, dass wir in den für uns ­relevanten Zielgruppen schon wieder gewachsen sind. Worüber wir sehr froh sind, sind die innovativen Distributionswege, die wir gefunden haben.


HORIZONT: Die da wären?


Koppel: Zum Beispiel mit Bipa – das funktioniert sehr gut und passt perfekt zur Zielgruppe. Oder aber auch mit der OMV. Es wird für Medien immer wichtiger, die Lifestyle-Umgebung der Zielgruppe zu antizipieren und entsprechend an Ort und Stelle vertreten zu sein. Man kann nicht mehr darauf warten, dass die Leute in die Tabaktrafik gehen, sondern muss in ihren Alltag eintreten. Zum Beispiel in der Urlaubszeit am Weg zum Bad bei der Tankstelle mit einem Aufsteller bei der Kassa. ­Darüber hinaus geht es um ein einzigartiges Produktversprechen – jenes von Seitenblicke lautet: fünf Mal Lachen um zwei Euro fünfzig. Unser Differenzierungsmerkmal ist eben Unterhaltung – heutzutage ist Society-Journalismus ja kein Alleinstellungsmerkmal mehr, ­daher geht es vor allem um die Aufmachung der Inhalte. Natürlich kommen bei uns Celebritys vor, aber eben immer mit einer Prise Humor und mit ­einer unverwechselbaren redaktionellen Handschrift, die wiederum dazu führt, dass das Magazin polarisiert – you love it or you hate it –, aber das ist auch gut so.


HORIZONT: Society wandert immer mehr ins Internet …


Koppel: Daher haben wir auch eine starke neue Online-Seite, und es ist uns überraschend gut gelungen, hier Wertschöpfung durch Werbung aufzubauen. Und die Downloadzahlen der App sind auch in Ordnung – bald kommt die Android-Version.


HORIZONT: Werden Print und Digital aus einer Hand vermarktet?


Koppel: Unser Sales-Team vermarktet beides, für die Seitenblicke-Website haben wir zusätzlich noch Goldbach Media als Partner.


HORIZONT: Die Apps bleiben gratis?


Koppel: Ja, ich sehe das Thema der bezahlten Inhalte über iPads nicht so optimistisch wie manche andere. Das iPad ist ein großartiges Tool, und die Werbewirtschaft ist immer mehr bereit, hier Werbeplätze einzubuchen, aber ich wage zu bezweifeln, dass es jenes Volumen kompensiert, das vom Kerngeschäft verloren geht. Durch die globale Verfügbarkeit der Inhalte kann man sich auch nicht hinter einer Paywall verstecken.


HORIZONT: Ein unlösbares Dilemma?


Koppel: Vielleicht für traditionelle ­Medienunternehmen, deren Problem sicher ist, dass ihre Produkte zwischen den Stühlen stehen – sie sind auf maximale Reichweite konzipiert, zulasten der Qualität. Die Verleger müssen jetzt entscheiden, gehen sie konsequent in Richtung Reichweite – dann aber gratis – oder sie ziehen das Produkt in die Qualitätsecke. Wir hatten von Anfang an konsequent ein ganz klares Bekenntnis zur Qualität und vor allem mit Servus ein Signal gesetzt.


HORIZONT: Ein Magazin, von dem trotz aller Verkaufserfolge so mancher Verleger meint, es sei noch lange defizitär …


Koppel: Das nehme ich schlicht zur Kenntnis, und ich überlasse es jedem selbst, wie er kalkuliert – wir sind jedenfalls mit der wirtschaftlichen Entwicklung sehr zufrieden.


HORIZONT: Laut ÖAK wurden im zweiten Halbjahr 2011 knapp 75.000 Stück verkauft – wo liegt der Plafond und wann gibt es erste Media-Analyse-Daten?


Koppel: Die Frage nach dem Plafond stellen wir uns auch, aber wir sehen derzeit keinen. Was die MA betrifft: Im Herbst wird es für das erste Halbjahr 2012 erste Daten geben – das dauert uns zu lange, daher haben wir in der Zwischenzeit mit GfK und Carat eigene Untersuchungen gemacht. Was uns freut: Die Leserschaft ist weiblich, über 40 Jahre, hat ein hohes Haushaltseinkommen und Bildungsniveau – und das Magazin hat einen hohen Mitlesefaktor.


HORIZONT: Mit Servus haben Sie auch den Schritt nach Bayern gewagt, um dort dem – eher norddeutschen – Platzhirschen Landlust Konkurrenz zu machen. Eine erste Bilanz?


Koppel: Dafür ist es noch zu früh, aber bisher sind wir zufrieden.


HORIZONT: Wie sieht die Digitalstrategie für Servus in Stadt & Land aus?


Koppel: Nur so viel: Es gibt eine. Natürlich hat die Servus-Welt auch online eine Relevanz, das darf man aber nicht nur auf eine mögliche Verlängerung des gedruckten Magazins sehen – das kann auch komplementär sein. Eine iPad-App wird es jedenfalls nicht geben.


HORIZONT: Sehr zum Unterschied vom Red Bulletin, dessen iPad-App mit ihren technischen Features Furore macht. Sagen Sie uns was über die Downloads?


Koppel: Nein, aber was mich sehr freut, ist, dass die Verweildauer mehr als zehn Minuten beträgt, also deutlich länger als sonst bei Onlinemedien. Mit Red Bulletin am iPad haben wir wirklich gezeigt, was möglich ist. Keine Billigkopie des Magazins, viel Videos und Mehrwert für den Leser. Derzeit überlegen wir sehr intensiv, was die richtigen Werbemittel dafür sind, da sind wir erst am Anfang einer Entwicklung.


HORIZONT: Mit dem neuen iPad und der höheren Auflösung werden Apps sehr datenintensiv – ist das ein Thema?


Koppel: Ja, das ist sehr wohl ein Thema für uns, denn wir haben schon jetzt ein sehr hohes Download-Volumen. Aber wie alle technischen Probleme wird auch dieses irgendwie mittelfristig gelöst werden. Die eigentliche Frage ist doch: Was wird der User am iPad nutzen, wie viel seiner Nutzungszeit wird er Video­inhalten, Fotos oder Texten widmen?


HORIZONT: Was glauben Sie?


Koppel: Ich denke, dass das iPad mittelfristig zu einem Gerät für Bewegtbild wird, und nicht zu einem Lesegerät. Aber wie auch immer: Wir sind im Red Bull Media House für alles gewappnet, weil wir sowohl über hochwertigen Bewegtbild-Content als auch über Bildmaterial als auch über Text verfügen.


HORIZONT: Das Red Bulletin ist auch so ein atypisches Medium. Supplement, aber auch einzeln erhältlich. Corporate Publishing und wieder nicht …


Koppel: Also, um das klarzustellen: Das Red Bulletin ist kein Corporate-Publishing-Produkt, sondern ein eigenständiges, anerkanntes Magazinprodukt mit großartigen Geschichten, die zum Teil aus der weiten Welt von Red Bull stammen, aber nicht nur. Die Redaktion ist unabhängig, und das Produkt findet immer mehr seine Zielgruppe, laut aktueller Media-Analyse mehr als 13 Prozent – in der männlichen Zielgruppe liegen wir bei mehr als 16 Prozent. Es gibt wenige Magazine mit solchen Leistungswerten. Was den Vertrieb betrifft, ist es ein Hybridprodukt, einerseits Supplement in der Aboauflage von Zeitungen oder ­Magazinen rund um den Globus, andererseits – in Österreich – zudem einzeln erhältlich und über die App weltweit verfügbar. Mit dem Red Bulletin gehen wir einen Weg, den sonst niemand geht, das stärkt unsere Position auch gegenüber der Werbewirtschaft.


HORIZONT: Wie steht es um die weitere internationale Expansion?


Koppel: Das Red Bulletin war vom Start weg als internationales Magazin konzipiert. Es gibt mittlerweile auch eine spanische, eine englische und eine fran­zösische Ausgabe – alle entstehen aus Österreich heraus. Der internationale Roll-out war sicher davon gekrönt, dass wir in den USA gestartet sind – zunächst mit der New York Times, inzwischen mit fünf anderen Trägermedien. Es gibt einen internationalen Kern, die übrigen Inhalte werden je nach Land und Bedarf mutiert – dazu haben wir eigene redaktionelle Mitarbeiter in Mexiko, den USA und England.


HORIZONT: Und die Vermarktung?


Koppel: Wir haben in Österreich ein Team und eines in Mexiko, Frankreich und den USA. In manchen anderen Ländern haben wir Vermarktungspartner, aber lieber als auszulagern machen wir die Dinge selbst – das hat auch mit der Einzigartigkeit des Magazins zu tun. Was mich sehr freut: Es kommen immer mehr globale Werbekunden und schalten durch – das war vor ein, zwei Jahren noch sehr schwierig.


HORIZONT: Das nächste Phänomen: 2012. Was soll das eigentlich?


Koppel (lacht): Das ist einfach erklärt: Dieses Jahr wird in vielen Kulturen als ein entscheidendes Jahr gesehen. Dem wollten wir Rechnung tragen, mit einem zeitlich begrenzten Magazinprojekt, das sich unserer Zeit auf eine ganz neue Weise widmet. Jedes Monat ein neues Thema – Außerirdische, Liebe und so weiter.


HORIZONT: Gibt es dafür Leser?


Koppel: Ja, solche Produkte suchen und finden ihre Leserschaft. Qualität findet ihr Publikum. Das Heft kostet 8,50 Euro, und wir haben von der ersten Ausgabe gleich ein paar Tausend Stück verkauft.  Das Meer der medialen Oberflächlichkeiten lässt im Printmarkt eine Lücke entstehen. Und die kann auch digital nicht geschlossen werden, denn die Haptik von Print hat nach wie vor eine sehr positive Wirkung – man muss sie nur wieder herstellen!


HORIZONT: Hat 2012 eine gesellschaftspolitische Ambition?


Koppel: Ja, bestimmt, denn der gegenwärtige Umbruch der Gesellschaft wird medial nicht richtig bedient. Der Konsument ist heute in einer ganz anderen rezeptiven Situation als vor wenigen Jahren. Ich kann mir übrigens gut vorstellen, dass sich die komplette 2012-Edition im nächsten Jahr besser verkauft als heuer, nämlich als qualitativ hochwertige dokumentarische Momentaufnahme unserer Zeit – mit Kultcharakter.


HORIZONT: Sonstige neue Projekt? Eine Zeitung? Und was erwartet uns mit „Terra Mater“ als Flankenschutz zur Dokuleiste auf ServusTV?


Koppel: Sie kennen uns! Neue Dinge kommen irgendwann, dazu sagen wir vorher nichts. Auch 2012 haben wir zeitgerecht kommuniziert.


HORIZONT: Wie bitte? Das Heft landete aus heiterem Himmel in der HORIZONT-Redaktion mit einem geschwärzten Impressum?!


Koppel (lacht): Ja, das war bewusst so, weil wir wollten, dass das Produkt für sich steht und nicht anhand des Verlags, der dahinter steht, bewertet wird. Und das Produkt ist gut angekommen …


HORIZONT: Sie sind Quereinsteiger aus der Telekombranche. Wie erleben Sie die Mechanismen der Verlagswelt und das Gefüge mit Mediaagenturen?


Koppel: Die Regelungen für Neueinsteiger bei der Media-Analyse haben schon eine verlangsamende Wirkung – das behindert junge Projekte oft, anstatt ihnen zu helfen. Ich würde mir wünschen, dass das alles schneller und effektiver geht. Da gibt es also viel Verbesserungspotenzial, und wir versuchen da auch aktiver mitzugestalten, sehen aber, dass wir immer noch als sehr kleines Haus wahrgenommen werden. Was die Zusammenarbeit mit den Mediaagenturen betrifft, so haben wir ganz strenge Richtlinien und vermeiden jegliche Kons­trukte von Agenturbonifikationen oder Ähnlichem, wissend, dass wir dadurch vielleicht den ein oder anderen Werbeauftrag nicht bekommen.



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