Protest: Redakteure gegen zweiten Chefredakte...
 
Protest

Redakteure gegen zweiten Chefredakteur bei orf.at

Screenshot HORIZONT

Nach der Ausschreibung der Funktion eines Co-Chefredakteurs bei orf.at wenden sich Redakteursvertreter der 'blauen Seite' per internem Mail gegen die Aufteilung der Chefagenden.

Die Weiterentwicklung von orf.at - Österreichs reichweitenstärkster Internetauftritt - in Richtung des neuen ORF-Players, der deutlich mehr Bewegtbildangebot liefern soll, führt auch zu internen Verwerfungen im ORF. Konkret protestierten die Redakteursvertreter von orf.at per heute bekannt gewordenem Mail an die Geschäftsführung gegen die Installierung eines zweiten Chefredakteurs neben Gerald Heidegger. Dessen Agenden sollen dem Vernehmen nach auf Reportagen, Features und Feuilleton beschränkt werden (der HORIZONT berichtete). O-Ton im Mail: "Einen weiteren Chefredakteur neben Gerald Heidegger betrachtet die Redaktionsvertretung als Pauschalkritik an orf.at und unserer bisherigen jahrzehntelangen äußerst erfolgreichen journalistischen Arbeit. Dass in Medien bereits ein erster Name – die Person hat notabene null Onlineerfahrung – kursiert, untergräbt die Glaubwürdigkeit des ORF."

Gemeint ist damit der vom Standard genannte Sendungschef der "ZiBs", Christian Staudinger, der erst im vergangenen Jahr in diese Funktion aufrückte. In der Ausschreibung des Postens werden "Kenntnisse bi- oder trimedialer Arbeitsprozesse im Tagesgeschäft" verlangt, eine Qualifikation, die Staudiger als Ex-Chef vom Dienst der "Zeit im Bild" und ORF-Korrespondent in Washington wohl mitbringt.

Die Kritik der Redakteure richtet sich ganz generell gegen die Aufteilung der CR-Agenden: "Die Verzahnung der Produktion und des Einsatzes der unterschiedlichen Formate auf und für ORF.at ist bereits von der Planung weg zu eng, um sinnvoll und ökonomisch aufgeteilt zu werden. Das setzt sich bei den personellen Ressourcen und den eingespielten Workflows fort. Getrennte Verantwortlichkeiten würden diese Effizienz der Arbeit von ORF.at massiv gefährden."

Unter politischem Kuratel?

Vor allem aber befürchten die Redakteursvertreter steigenden politischen Einfluss aufs operative Geschäft bei orf.at: "Warum soll die Redaktion des größten Onlinemediums Österreichs und eines der größten im deutschsprachigen Raum mit stetig wachsenden Zugriffszahlen unter – kolportierte politische – Kuratel gestellt werden? Die durch das ORF-Gesetz und ORF-Statuten garantierte Unabhängigkeit der Redaktion, aber auch jeder einzelnen Redakteurin und jedes einzelnen Redakteurs muss weiterhin gewahrt bleiben."

Auf Nachfrage versichert man bei orf.at nichts gegen Ausbau und Strukturänderungen bei orf.at zu haben, "auch wenn wir uns die Konzepte genau ansehen werden". Hintergrund: Man befürchtet steigenden Einfluss des TV auf die "blaue Seite", die mit ihren rund 100 Mitarbeitern bislang sehr autonom geführt wurde.

Fahrplan folgt demnächst

Die Neuaufstellung von orf.at und der Launch des ORF-Players - schon Anfang September will ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hier erste Fortschritte verkünden - hängen aber noch an einer Änderung des ORF-Gesetzes durch die türkis-grüne Bundesregierung, die dem ORF online zu mehr Spielraum verhelfen will ("online only" und "web first").

Morgen Freitag bitten die Redakteursvertreter die Belegschaft von orf.at zu einer Informationsveranstaltung. Die Ausschreibungsfrist für den neuen Chefredakteur läuft bis 6. September. Dessen Mindestbruttogehalt pro Jahr: 53.270,- Euro.
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