Presserats-Entscheid: Pilnacek-Chats von öffe...
 
APA / Helmut Fohringer
Sicherstellung von Pilnaceks Handy im Zuge von Ibiza hat späte Folgen.
Sicherstellung von Pilnaceks Handy im Zuge von Ibiza hat späte Folgen.

Die Chatnachrichten zwischen dem suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek und Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter sind nach Ansicht des Presserates 'von öffentlichem Interesse'. Deren Veröffentlichung stelle somit 'keinen Ethikverstoß' dar.

Diese Entscheidung des Senats 2 wurde am Freitag publiziert, nachdem sich ein Leser wegen eines Artikels auf "krone.at", in dem aus diesen Nachrichten zitiert wurde, an den Presserat gewandt hatte. In dem Artikel vom 1. Juni war aus mehreren Chatnachrichten zwischen Pilnacek und Brandstetter zwischen 2019 und 2021 zitiert worden. Die "Krone" hatte aus den Nachrichten, in denen u.a. heftige Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geübt wird, den Schluss gezogen, dass diese den Verdacht gegen Pilnacek erhärten und einen bedenklichen Zugang zum Rechtsstaat zeigten. Bei den zitierten Chatnachrichten handelt es sich um jene SMS, die im Zuge der Sicherstellung von Pilnaceks Handy an den Ibiza-Untersuchungsausschuss übermittelt wurden.

Brandstetter-Rücktritt wegen Chats

Der Presserat hält es zwar für erforderlich, ein schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit einer Information gegen ein allfälliges Interesse der Öffentlichkeit daran sorgfältig abzuwägen. Diese Informationen sind nach Ansicht des Senats aber "für die Allgemeinheit von großem Interesse": Es wird darauf verwiesen, dass die SMS dazu führten, dass Brandstetter im Juni seinen sofortigen Rücktritt als Verfassungsrichter bekannt gab. Kurze Zeit später habe sich Pilnacek außerdem dazu veranlasst gesehen, sich für die Nachrichten öffentlich zu entschuldigen. Schließlich sei der Inhalt der SMS auch von zahlreichen Experten scharf kritisiert worden.

"Im Ergebnis erachtet der Senat die Inhalte der Chatnachrichten für den öffentlichen politischen Diskurs wichtig: Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse, sich über die Brisanz der Inhalte ein eigenes Bild zu machen. Zudem sind geheime Absprachen über mögliche Ermittlungen gegen eine Staatsanwaltschaft (hier: die WKStA) wie dies die SMS nahelegen, auch aus demokratiepolitischer Sicht von Relevanz", heißt es in der Aussendung des Presserates.

Der Senat weist auch darauf hin, dass sich die SMS hauptsächlich auf Vorkommnisse in der Justiz beziehen und die Privatsphäre der Betroffenen - wenn überhaupt - lediglich berühren. Dass die Nachrichten zunächst nur bilateral ausgetauscht wurden und die beiden beteiligten Personen von einer vertraulichen Atmosphäre ausgegangen sind, "tritt demgegenüber in den Hintergrund".

Redaktionsgeheimnis in Gefahr?

Die jüngste Anklageerhebung gegen Christian Pilnacek war am Donnerstag auch Thema bei den Österreichischen Medientagen. "Kurier"-Chefredakteurin Martina Salomon kritisierte dort bei einer Podiumsdiskussion, dass "Aufdeckerjournalismus und das Redaktionsgeheimnis in Gefahr" seien. Dass die "ganz normale Recherche" einer Journalistin aus dem Haus nun via SMS öffentlich gemacht werde, sei "eine Ungeheuerlichkeit." Würde Ähnliches in Polen oder Ungarn passieren, "würden wir große Geschichten schreiben".

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