Persönlicher "Memoirist"
 

Persönlicher "Memoirist"

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Während Memoiren primär für künftige Generationen verfasst werden, bieten sie auch Gelegenheit zur Reflektion.
Während Memoiren primär für künftige Generationen verfasst werden, bieten sie auch Gelegenheit zur Reflektion.

Geschichten des Lebens werden auch abseits von Politiker- und Promi-Memoiren immer beliebter, zeigt ein Trend aus den USA. Interessierte sind dabei bereit, Tausende US-Dollar dafür auszugeben – ein lukratives Geschäftsfeld.

In einer Zeit in der es scheint, als wäre jedes Leben über Social Media offen für die ganze Welt einsehbar, sind viele Geschichten bekannt. Doch mit alternden Menschen werden oftmals auch ihre Geschichten älter, so sie nicht aufgeschrieben oder anderweitig festgehalten werden. Diese laufen dabei Gefahr, für immer verloren zu gehen. Eben dieser Markt wird nun zum Geschäftsfeld für Kleinunternehmer.

Während zumindest Promis, Politiker und Sportler über sich schreiben – oder besser über sich schreiben lassen – scheint das Interesse für Privatpersonen in Österreich noch eher gering. So gibt es zwar Ghostwriter, die ihre Tätigkeiten auch für den privaten Bereich anbieten, doch das Angebot ist überschaubar.

Das könnte sich in den nächsten Jahren ändern. New York City, oftmals Vorreiter in Sachen Trends, zeigt eine steigende Nachfrage nach dem Berufsbild des persönlichen „Memoiristen“ – des Memoirenschreibers. Kitty Axelson-Berry war 1995 noch als Journalistin tätig als sie begann, die Memoiren ihrer Mutter zu schreiben – und plötzlich die Idee hatte, dass andere Menschen die Memoiren ihrer Eltern auch haben wollen würden – und sie diejenige sein würde, die diese schreiben würde.

Hunderte Memoirenschreiber

„Ich habe viele Fehler gemacht und habe mich finanziell verschuldet“, so Axelson-Berry gegenüber der New York Times. Ihr Durchbruch gelang ihr 1998 als sie und ein paar andere persönliche Memoirenschreiber im The Wall Street Journal erwähnt wurden. Eine Flut anderer Artikel in nationalen Tageszeitungen folgte.

Jahre später führt sie ein sich selbst erhaltendes Business, genannt Modern Memoirs. Dieses besteht heute aus drei Mitarbeitern und zehn Subunternehmern. Ebenfalls gründete sie zeitgleich die „Vereinigung persönlicher Geschichtsschreiber“, die das Motto „Leben retten, eine Geschichte nach der anderen“ trägt und rund 600 Mitglieder zählt. Abseits dieser Gruppe gibt es viele weitere, die ebenfalls in dieser Branche tätig sind.

Jährlich publiziert Axelson-Berry zwölf Hardcover-Bücher, die jeweils rund 300 Seiten aufweisen. Sie verlangt ein Minimum von 5.000 US-Dollar für begleitete Memoiren, wobei der Kunde den Entwurf verfasst und sie diesen überarbeitet. 35.000 US-Dollar erhält sie für beauftragte Memoiren, wenn sie oder ein Mitarbeiter die komplette Arbeit übernimmt. Der Betrag inkludiert Reisen dorthin, wo der Kunde lebt und die Zeit, um die Interviews führen zu können.

Eigene Memoiren-Ausbildung

Dhyan Atkinson, Strategieberaterin, ist darauf spezialisiert Menschen darin auszubilden, persönliche Historiker zu werden. Sie launchte MemorySaving.com, nachdem sie bereits mehr als zehn Jahre als Business-Coach mit einem persönlichen Historiker zusammengearbeitet hatte. Aktinson ist der Meinung, das Interesse in ihren Service wüchse, besonders bei Entrepreneuren, ehemaligen Journalisten, Sozialarbeitern und Therapeuten, die nun pensioniert sind oder auf Arbeitssuche und eine zweite Karriere anstreben.

„Die meisten persönlichen Historiker waren bisher nicht wirklich Business-sicher“, so Atkinson. Sie hält eine Reihe von Seminaren, bei denen sich Interessierte Business-Skills aneignen können. Ebenso bietet sie persönliche Beratung an. Für eine Stunde verlangt sie zwischen 50 und 85 US-Dollar. Ein Sechs-Monats-Paket mit zwölf einstündigen Beratungen kommt auf 2.500 US-Dollar.

Für sie ein gutes Geschäft. Mehr als ein InterviewMemoirenschreiber müssen nicht nur Interviewtechniken lernen, sondern auch, wie Sessions möglichst angenehm gestaltet werden. „Es ist nicht einfach nur ein transkribiertes Interview“, so Mary O’Brien Tyrrell, die über 20 Jahre lang ein Memoiren-Business geführt hat. Tyrrell unterrichtet heute Klassen. 2012 veröffentlichte sie „Become a Memoirist for Elders: Create a Successful Home Business.“ Am Höhepunkt ihrer Karriere war ihr jährlicher Gewinn 100.000 US-Dollar.

Während Memoiren primär für künftige Generationen verfasst werden, bieten sie auch Gelegenheit zur Reflektion. Tyrrell erwähnt ihre erste Kundin, eine Frau, die an Krebs starb, zu krank ihre Memoiren zu beenden. Aus diesem Grund las Tyrell ihr das bis dahin verfasste Werk vor. „Am Ende drehte sie sich zu mir um“, so Tyrell und sagte ‚Jetzt realisiere ich es, was für ein wundervolles Leben.‘“

[Rita Pohler]



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