Lockl, von den Grünen nominiertes Mitglied des Stiftungsrates, wurde nun dessen Vorsitzender.
Heute Donnerstag wurde der von den Grünen ins Aufsichtsgremium nominierte Kommunikations-Berater mit 34 von 35 Stimmen zum neuen Stiftungsratsvorsitzenden des ORF gewählt. Finanz-Minus von mehr als 40 Millionen Euro in einem 'worst-worst-case'-Szenario.
Lothar Lockl ist der neue Vorsitzende des ORF-Stiftungsrates. Der bisherige Leiter des "Grünen"-Freundeskreises im obersten ORF-Gremium (seine Nachfolgerin ist Patientenanwältin Sigrid Pilz) erhielt in der am Donnerstag abgehaltenen konstituierenden Sitzung bei einer Enthaltung 34 der 35 möglichen Stimmen und löste damit Norbert Steger ab.
Lockl, dessen nunmehrige Position in einem türkis-grünen Sideletter zum Regierungsprogramm dem kleineren Regierungspartner zugesprochen worden war, wird die Funktion die kommenden vier Jahre ausüben. Seine Position ist machtvoll - und doch wieder nicht. Als Stiftungratsvorsitzender entscheidet er bei Stimmengleichstand im 35-köpfigen Gremium, er schreibt den Posten des ORF-Generaldirektors aus und verhandelt dessen Gehalt.
Lockl: 'Bei Veränderungsgeschwindigkeit zulegen'
In einer ersten Stellungnahme betonte Lockl, dass er drei zentrale Bereiche für eine positive Zukunft des ORF sehe, nämlich dessen "Strahlkraft" wieder zu verstärken, dessen auch finanzielle Unabhängigkeit zu gewährleisten. Und, so Lockl: "Wir brauchen eine klare Zukunftsvision für den ORF, wo er in den nächsten zehn Jahren stehen soll." Seine Ankündigung dazu: "Wir werden uns die Strategie immer wieder anschauen und im einen oder anderen Bereich auch mit der Veränderungsgeschwindigkeit zulegen - müssen."
Der 53-jährige frühere Bundesparteisekretär der Grünen war Wahlkampfleiter von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dessen späterer Berater. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Agentur "Lockl & Keck", die auch in die Öffentlichkeitsarbeit des Klimarats involviert ist und schon länger vom Umweltministerium Aufträge bezieht. Hier sieht er auch künftig keine Unvereinbarkeiten mit seiner neuen Funktion.
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann bei der ersten Sitzung des neuen Stiftungsrates.
Drohen mehr als 40 Millionen Minus?
Zentrales Thema des "Arbeitsstiftungsrates" war nach der Bestellung Lockls freilich die finanziell schwierige Situation des ORF, der wegen steigender Inflation, dadurch dräuender hoher Gehaltsanpassungen und steigender Energiekosten 2022 ein Minus von zwölf Millionen Euro erwirtschaften könnte. In einem "worst-worst-case-Szenario" würde, so SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer am Rande der Sitzung, gar eine Vervierfachung dieser Summe drohen. Lederer fordert deshalb - etwa bei den Energiekosten - mehr "handwerkliches Managen" beziehungsweise eine Überprüfung der ORF-Verträge mit Leiharbeitsfirmen, die laut ihm oft teurer kommen würden als Beschäftigungen direkt beim ORF.
Laut Thomas Zach, Leiter des ÖVP-Freundeskreises im Stiftungsrat, wurde im Unternehmen bereits eine entsprechende Taskforce eingerichtet, die Kostenmonitoring betreiben soll. Im Juni erwartet der Stiftungsrat zudem einen Maßnahmenkatalog vonseiten Generaldirektor Roland Weißmanns.
Weißmann selbst versicherte nach der Sitzung, dass der ORF das Jahr 2022 "jedenfalls positiv abschließen" werde. Hintergrund: Das 40-Millionen-Minus-Szenario würde dem Vernehmen nach nur bei einem kompletten Einbruch der ORF-Wertpapierbestände bzw. bei einem ebensolchen Ausfall der Werbeeinnahmen drohen. Dies zeichnet sich freilich in keiner Weise ab. Eine vorgezogene Gebührenerhöhung - die jüngste erfolgte erst Anfang des Jahres - steht ebenfalls nicht in Diskussion.