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ORF-Programm: Interpretationsdebatte um BKS-Bescheid

Der BKS gibt sowohl ORF als auch Privatsendern recht. Beide sehen den Spruch als Sieg, der ORF ruft die nächste Instanz an.

Der Bundeskommunikationssenat (BKS) hat in der Frage zur Ausgewogenheit des ORF-Programms sowohl dem ORF als auch den Privaten recht gegeben. Die Folge: Beide reklamierten den juristischen Sieg am Mittwoch in Aussendungen für sich. Für den Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) ist nach eigener Definition klar: Nachdem die KommAustria nach einer VÖP-Beschwerde gerurteilt hatte, der ORF erfülle seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag nur unzureichend, habe nun auch der BKS diese Haltung bestätigt. Der ORF argumentiert genau gegenteilig.

Laut dem Bescheid, der HORIZONT online mittlerweile vorliegt, hat der BKS zwei Punkte unterschiedlich beurteilt. Eine Niederlage erlitt der ORF bezüglich des Zeitraums vom 1. Jänner 2011 bis zum 31. August 2011, wo auch der BKS die Auffassung der KommAustria teilt, dass das ORF-Programm nicht ausgewogen genug gewesen sei. Für das Jahr 2010 allerdings setzte der BKS den KommAustria-Bescheid außer Kraft. Den Rest will der ORF bei den Höchstgerichten juristisch erledigen. 

Verlesung binnen sechs Wochen

Die Zeit läuft jedenfalls für den ORF. Binnen sechs Wochen muss der Öffentlich-Rechtliche laut BKS nämlich den Bescheid an zwei aufeinanderfolgenden Werktagen in "ZiB Magazin", "Zeit im Bild" und "ZiB 2" bekannt geben, es sei denn, die nächste Instanz gesteht ihm vorher aufschiebende Wirkung zu. Der zu verlesende Text lautet so: "Der Bundeskommunikationssenat hat aufgrund einer Beschwerde privater Fernsehveranstalter festgestellt: Der ORF hat von Jänner bis August 2011 in seinem Gesamtprogramm kein angemessenes Verhältnis von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport eingehalten, sondern überproportional viel Unterhaltung gesendet. Dadurch hat der ORF gegen seinen öffentlich-rechtlichen Kernauftrag verstoßen."

Ausgangspunkt der Debatte war eine Beschwerde des VÖP gewesen. Dieser hatte mittels einer quantitativen Analyse versucht nachzuweisen, dass das Fernsehprogramm des ORF nicht die vom Gesetz geforderte Ausgewogenheit aufweise. Die KommAustria hatte diesen Vorwurf in erster Instanz bestätigt, der ORF berief dagegen. 

Wrabetz: "Absage erteilt"

Während also die Privatsender ihren Sieg feierten, war ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz in einer Aussendung ebenfalls zum Feiern zumute. Er bezeichnete es als "erfreulich, dass der Bundeskommunikationssenat der ORF-Argumentation in zentralen Fragen gefolgt ist". So sei etwa der ursprünglichen Annahme, Ausgewogenheit könne anhand von Quoten und mathematischen Formeln mit der Stoppuhr berechnet werden, "eine Absage erteilt" worden. "Bei der Beurteilung der Ausgewogenheit sind nicht einzelne Programme, sondern das Gesamtprogramm zu betrachten, also auch die ORF-Spartenkanäle. Der BKS erkennt an, dass vom ORF Kultur für alle erwartet werden darf und verwirft damit den von der KommAustria verwendeten engen Kulturbegriff.

Zudem sei festgestellt worden, "dass Inkonsistenzen in dem von der KommAustria zugrunde gelegten Gutachten von Dr. Jens Woelke bestehen. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass es entscheidend auch auf die Publikumsinteressen und -bedürfnisse ankommt, die von KommAustria und BKS nach wie vor nicht ausreichend berücksichtigt wurden." Der ORF werde diesbezüglich die Höchstgerichte anrufen.

Für das Jahr 2010 sei vom BKS keine Gesetzesverletzung festgestellt worden. Bei der Berechnung der Anteile in Jänner bis August 2011 werde weiterhin eine Gesetzesverletzung angenommen, allerdings noch ohne Anrechnung des im Oktober 2011 gestarteten Kultur- und Informationskanals ORF III.

Wrabetz sieht einen "weiteren Versuch der kommerziellen Mitbewerber gescheitert, gegen den ORF mit juristischen Mitteln zu punkten, was sie im Programm angesichts der hohen Qualität und Publikumsakzeptanz der ORF-Angebote nicht schaffen".

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