ÖVP hat relative Mehrheit im ORF-Stiftungsrat
 

ÖVP hat relative Mehrheit im ORF-Stiftungsrat

Grund dafür ist der politische Umsturz in der Steiermark, denn die dortige Landesregierung hat am Donnerstag Klaus Poier einstimmig zum neuen steirischen Vertreter im obersten ORF-Gremium bestellt

Die ÖVP hat mit ihrem "Freundeskreis" erstmals seit 2007 wieder eine relative Mehrheit im ORF-Stiftungsrat. Grund dafür ist der politische Umsturz in der Steiermark: Die steirische Landesregierung hat am Donnerstag den bürgerlichen Politikwissenschafter Klaus Poier einstimmig zum neuen steirischen Vertreter im obersten ORF-Gremium bestellt.

Der ÖVP-"Freundeskreis" stellt damit künftig 14 Vertreter im ORF-Stiftungsrat, der SPÖ-"Freundeskreis", der in den vergangenen Jahren die größte Gruppe in dem Aufsichtsgremium umfasste, hält nach dem Verlust des steirischen "Mandats" bei 12 Stiftungsräten. Der bisherige SPÖ-nahe Steiermark-Vertreter Alois Sundl galt als Vertrauter von Ex-Landeshauptmann Franz Voves, mit Poier zieht nun ein VP-naher Kandidat und Vertrauter von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) als Steiermark-Vertreter in den Stiftungsrat.

ÖVP-"Freundeskreis"-Leiter Thomas Zach wollte die neue Mehrheit für das bürgerliche Lager am Donnerstag auf APA-Anfrage nicht kommentieren. Dem scheidenden Stiftungsrat Sundl zollte Zach Dank und Respekt. "Ich habe den Kollegen Sundl in der Zusammenarbeit sehr geschätzt", so Zach.

Zuletzt wurden in dem 35-köpfigen Gremium, das unter anderem die ORF-Führung wählt, Budgets und wesentliche Programmänderungen genehmigt, je 13 Stiftungsräte der SPÖ sowie der ÖVP zugerechnet. Die restlichen 9 Stiftungsratsmandate verteilen sich auf Unabhängige sowie Oppositionsparteien. Der Stiftungsrat setzt sich aus 9 von der Bundesregierung entsandten Personen, 9 Länder-Abgesandten, 6 Parteien-Vertretern sowie 6 Vertretern des ORF-Publikumsrats und 5 Belegschaftsvertretern aus dem ORF-Betriebsrat zusammen.

Bei den neuen Kräfteverhältnissen unter den "Freundeskreisen" ist freilich zu beachten, dass die SPÖ derzeit auch auf die Stimmen von zwei weiteren Stiftungsräten zählen kann, die nicht unmittelbar ihrem "Freundeskreis" angehören: die SPÖ-nahe burgenländische Stiftungsrätin Brigitte Kulovits-Rupp schied im Vorjahr wegen unterschiedlicher Auffassungen über den Stiftungsratsvorsitz aus dem "Freundeskreis" aus, und der Kärntner Stiftungsrat Siggi Neuschitzer wurde ursprünglich von BZÖ/FPK ins Gremium bestellt, im Vorjahr von der SPÖ-geführten Landesregierung aber neuerlich entsandt.

Kulovits-Rupp dürfte nach der Burgenland-Wahl weiter im Stiftungsrat bleiben, hieß es zuletzt, und auch in Kärnten ist trotz der schwindenden SPÖ-Mehrheit keine Änderung geplant. Der Kinderhotelier Neuschitzer, einst von Landeshauptmann Gerhard Dörfler in den ORF geschickt, wird nicht ausgetauscht. Es sei "keine Änderung notwendig", man sei mit Neuschitzer "zufrieden", erklärte Landeshauptmann Peter Kaiser von der SPÖ gegenüber der APA. Neuschitzer sicherte Kaiser im Vorjahr Solidarität punkto ORF zu.

Realpolitisch ergibt sich damit ein Jahr vor der Wahl der neuen ORF-Führung eine Pattsituation zwischen rechten und linken Vertretern des Parteienspektrums. Für eine Mehrheit im Gremium braucht es 18 Stiftungsräte. Eine solche Mehrheit scheint derzeit für beide Seiten möglich. Die ÖVP dürfte das neue Kräfteverhältnis jedenfalls zum Anlass nehmen, um ihre Forderung nach einer Doppelspitze für den öffentlich-rechtlichen Sender zu bekräftigen. Statt des von der SPÖ unterstützten Alleingeschäftsführers Alexander Wrabetz könnte bald die Forderung nach einer Doppelführung mit dem ÖVP-Wunschkandidaten Finanzdirektor Richard Grasl im Raum stehen, heißt es.

Die Amtsperiode der aktuellen Geschäftsführung läuft noch bis Ende 2016. Im Sommer 2016 werden im ORF-Stiftungsrat ein neuer Generaldirektor sowie neue Direktoren und die Landesdirektoren gewählt. Die Ausschreibung dafür erfolgt in exakt einem Jahr. Langjährige Beobachter der ORF-Gremien erwarten angesichts des Patts zwischen SPÖ-nahen und ÖVP-nahen Vertretern jedenfalls ein "Match auf Augenhöhe".
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