NÖN: Walterskirchen holt Ettinger ans Ruder
 

NÖN: Walterskirchen holt Ettinger ans Ruder

Rita Newman
Gudula Walterskirchen hat ihre Entscheidung getroffen
Gudula Walterskirchen hat ihre Entscheidung getroffen

Nach dem Abgang von Martin Gebhart soll der neue Chefredakteur Karl Ettinger das Blatt in eine christlicher geprägte Zukunft führen - eine Chronologie der Bestellung.

Die Nachfolger-Suche bei den Niederösterreichischen Nachrichten ging am Mittwochnachmittag zu Ende. In einer Redaktionsversammlung wurde der Mannschaft mitgeteilt, wer ihr neuer Chefredakteur sein wird. Die Wahl der seit Mai amtierenden, neuen Herausgeberin Gudula Walterskirchen fiel dabei auf Karl Ettinger, bislang Innenpolitik-Redakteur der Presse. „Die NÖN ist und soll verstärkt ihre verlässliche, informative Landeszeitung sein“, so Ettinger in einer ersten Reaktion. Dem Presse-Urgestein eilt der Ruf voraus, vor unbequemen und kritischen Fragen nicht zurückzuschrecken. 

Die Redaktion der NÖN hatte einen anderen, klaren Favoriten auf das Amt des Chefredakteurs gehabt. Das Redaktionsstatut gesteht der Mannschaft nämlich ein Vorschlagsrecht zu. Je sieben Stimmen entfielen dabei auf Walter Fahrnberger, der seit dem Abgang von Martin Gebhart als Chefredakteur fungiert, und Stellvertreter Thomas Jorda. Gleich 42 Stimmen gab es aber für Daniel Lohninger, Zweigstellen- und Redaktionsleiter in St. Pölten. „Ein schönes Zeichen“, meinte Walterskirchen, die HORIZONT das Ergebnis bestätigt, zum Vorschlag der Redaktion. Bindend war die Wunscherklärung der Redakteure nicht. Lohninger wird Ettinger aber „bei dieser Aufgabe entscheidend unterstützen“, hieß es von der NÖN. „Mit Karl Ettinger haben wir einen Topjournalisten als Chefredakteur gewonnen“, wurde Lohninger zitiert. 

Besorgnis der Politik vernommen
Schon unmittelbar nach der Trennung von Gebhart hatte die neue Herausgeberin eigenen Angaben zufolge zahlreiche Gespräche mit potentiellen Nachfolgern geführt. Eine politik-strategische Entscheidung solle es jedenfalls nicht werden, meinte Walterskirchen. Vonseiten der ÖVP und der FPÖ habe es ihr zufolge – auch angesichts der aktuellen Wahlkampfzeit – Besorgnis über die künftige Besetzung der Kommandozentrale in einem der wichtigsten Medien Niederösterreichs gegeben. „Das hat aber keinen Einfluss auf die Entscheidung“, meinte die NÖN-Herausgeberin. 

Als Favoriten wurden zuletzt bald Ettinger und auch Michael Prüller, ehemals stellvertretender Chefredakteur der Presse und jetzt Pressesprecher der Erzdiözese Wien, kolportiert. Nun soll Ettinger die NÖN in eine neue, christlichere Richtung führen. Das war der große Wunsch von Walterskirchen, die Ende Mai als erste Frau in der 143-jährigen Geschichte des Pressvereins der Diözese St. Pölten dessen Spitze, die bislang nur Priester innehatten, übernahm und damit Herausgeberin der Niederösterreichischen Nachrichten wurde. „Aktiv“ wolle sie ihre neue Tätigkeit anlegen, meinte die promovierte Historikerin damals.

Ende mit gerichtlichem Nachspiel
Schon im August traf Walterskirchen auf dieser Grundlage ihre erste große Personalentscheidung: Chefredakteur Martin Gebhart musste gehen. Die Welt war noch eine andere, als Gebhart 1986 seine Karriere bei den Niederösterreichischen Nachrichten als Reporter begann. Fred Sinowatz übergab die Kanzlerschaft an Franz Vranitzky, St. Pölten wurde gerade erst offiziell Landeshauptstadt Niederösterreichs und Erwin Pröll war Landeshauptmann-Stellvertreter.  Über 30 Jahre blieb Gebhart bei den NÖN und stieg 2016 zum alleinigen Chefredakteur auf. Im August endete seine Laufbahn nun abrupt – und nicht im Guten. Es habe „divergierende Ansichten“ über die neue Ausrichtung der Zeitung gegeben, hieß es nach der Trennung. Die konservativ ausgerichtete Walterskirchen selbst erklärte dann, sie sehe die Niederösterreichischen Nachrichten klar als christlich orientiertes und unabhängiges Blatt. 

Martin Gebhart „wollte diesen Weg nicht mitgehen und hat sich nicht mehr am richtigen Platz gesehen“, meinte Walterskirchen gegenüber HORIZONT, „ich schätze ihn persönlich sehr, aber ich habe auch einen Auftrag von Eigentümerseite zu erfüllen“. Man habe dem scheidenden Chefredakteur noch „ein großzügiges Angebot“ gemacht, „über das denkt er jetzt nach“ – damit sei die Sache für sie erledigt, so Walterskirchen. 

Gebhart selbst will derzeit keine Angaben über seinen Abschied von den Niederösterreichischen Nachrichten machen. Seine „Nachdenkpause“ dürfte aber schon vorbei sein: Wie bekannt wurde, geht Gebhart gegen seine Kündigung gerichtlich vor – im Oktober gibt es einen ersten Verhandlungstermin. 
stats