"Nicht einfach in eine Zelle sperren"
 

"Nicht einfach in eine Zelle sperren"

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Florian Klenk im Interview. Ein selbst angelegter Verband verwächst sich mit der Haut und ein psychisch Kranker beginnt buchstäblich zu verschimmeln. Ein Video zeigt, wie Beamte einen anderen Insassen misshandeln. Falter Chefredakteur Florian Klenk zu den aktuellen Veröffentlichungen über österreichische Strafanstalten und was nun geschehen sollte

HORIZONT: „Der Falter ist nicht nur im Besitz von Fotos, die massive Vernachlässigungen zeigen. Ermittler haben auch Videos von Misshandlungen an Häftlingen und viele andere schockierende Dokumente aus anderen Haftanstalten zugespielt.“ Das haben Sie im Falter (21/14) geschrieben. Wann haben Sie die entsprechenden Akten bekommen? Wie wurde dann weiter recherchiert?

Florian Klenk: Wann ich die Unterlagen genau bekommen habe, möchte ich nicht sagen, denn durch solche Angaben kann man unter Umständen Behörden auf eine Spur bringen. Ich möchte generell zu der Art und Weise, wie ich recherchiere, wenig sagen. Was ich aber erzählen kann: Bei meinen Recherchen klettere ich vom Baum der Hochtechnologie, da gibt es wenig elektronische Spuren, sondern klassisches Treffen, Reden, Zuhören - so ist es auch bei dieser Geschichte gewesen. Eine Person, die sich im betreffenden System auskennt, hat mir beiläufig von dem verwahrlosten Häftling erzählt. Das war also ein Hinweis, den ich erhalten habe, ich bin dem nachgegangen. Dann stößt man auf Leute, die einem weitere Geschichten erzählen, und das Ganze nimmt seinen Lauf.

Wie gehen Sie persönlich mit Geschichten wie diesen um, ist das belastend oder eher eine Genugtuung nach der Veröffentlichung?

Klenk: Journalisten genießen ein großes Privilegium, sie können sich das Unheil von der Seele schreiben - und es öffentlich machen. Dadurch entsteht ein kathartischer Effekt. Ein Skandal ist zudem etwas Heilsames für eine Gesellschaft, das Benennen von Missständen macht sie sichtbar und löst etwas aus, im konkreten Fall wahrscheinlich einen U-Ausschuss und hoffentlich eine Reform. Auch der ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary, mit dem ich vor kurzem ein Interview geführt habe und der schon viel Schlimmeres gesehen hat, sagt, Veröffentlichungen führen zu persönlicher Entlastung. Ein Chirurg, der einen Unfallpatienten mit heraushängenden Eingeweiden vor sich liegen hat, ekelt sich nicht, sondern er ist bestrebt, den Patienten wieder zusammenzuflicken.

Sie sind Jurist. Lassen Sie sich bei derartigen Recherchen trotzdem rechtlich beraten?

Klenk: Die juristische Ausbildung und auch meine Praktikumszeit am Gericht haben mir beigebracht, Akten richtig zu lesen und auch zu verstehen, was in einem Akt nicht aufgeführt ist. Skandale entstehen schließlich meistens durch die Unterlassung von Handlungen. Verwahrlosung entsteht nicht dadurch, dass dem Mann von einem Tag auf den anderen die Socken in die Haut wachsen, sondern durch monatelanges Nichtstun. Was konkret unterlassen wurde, muss ich natürlich jedes Mal aufs Neue lernen, weil mein Jus-Studium nun 20 Jahre her ist, ich brauche also sehr wohl Fachleute, die mir im konkreten Fall erklären, wie die internen Vorschriften aussehen.

Wie schreibt man einen Text, so dass er juristisch unangreifbar ist?

Klenk: Da habe ich auf der einen Seite selbst viel Wissen, weil ich im Medienrecht dissertiert habe, auf der anderen Seite arbeitet der "Falter" mit dem Experten Alfred Noll, der die Texte prüft, meistens geht es auch gut.

Schon einmal nicht gut gegangen?

Klenk: Ja, jetzt kürzlich bei Wolfgang Fellner. Ich habe eine sehr komplizierte Geschichte über die bereits abgeschlossenen Ermittlungen gegen ihn geschrieben (Anm.: Immofinanz). Die Geschichte war auch tadellos, aber am Cover haben wir einen kleinen Fehler gemacht und deshalb steht nun ein Vergleich mit ihm an.

Was könnten die aktuellen Falter Veröffentlichungen nun für Konsequenzen haben?

Klenk: Erstens einmal zeigt der Fall etwas enorm Wichtiges. Die Journalisten müssen das Recht haben, in vertrauliche Akten Einsicht zu nehmen. Auch ich habe hier über vertrauliche Akten berichtet. Ich gehe aber davon aus, dass es keine Amtsgeheimnisse sind, sondern Missstände. Im konkreten Fall zeigte sich, dass die Behörden seit Monaten davon wissen, aber erst der öffentliche Druck führte zu wirklichen Reaktionen. Der Report on Investigation, also die begleitende Kontrolle von Ermittlungen, führt nämlich zu Konsequenzen, wenn sie aber unter Verschluss gehalten werden, geschieht nichts.

Zweitens habe ich ein Video eines Übergriffes, das ich seit zwei Jahren versucht habe, auf legale Weise zu bekommen, es ist nämlich in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung vorgespielt worden. Dieses Video zeigt die Misshandlung eines Häftlings, ich habe schon einmal darüber – allerdings nur in Worten - berichtet, damals gab es kaum Reaktionen. Ich bin sehr gespannt, wie die Menschen nun auf den Film reagieren. Ich bin zudem der Meinung, dass wir einen Rechtsanspruch haben sollten, solche Videos zu bekommen, in den USA oder Großbritannien ist das selbstverständlich, da würde man nach dem Freedom of Information Act (FOIA) eine anonymisierte Fassung des Videos erhalten, um das Handeln der Behörden zu kontrollieren. Meine Conclusio lautet also: Die Justiz muss, auch wenn es um Fehler geht, viel transparenter sein und den Journalisten notwendige Informationen zur Verfügung stellen. Der Nationalrat sollte auch die Berichte eines kleinen Mediums ernst nehmen. Ich finde übrigens, dass die Selbstreinigungskräfte der Republik momentan gut anspringen, die Motoren tuckern wenigstens, ob sie dann wirklich funktionieren, wird man sehen.

Best-Case aller möglichen Konsequenzen?

Klenk: Wenn man endlich entdeckt, das psychisch kranke Menschen, die sich aufgrund ihres Zustandes falsch verhalten und Straftaten setzen, nicht ein Fall für bewaffnete Exekutivkörper sind, sondern ein Fall für die Medizin, für psychiatrische Krankenhäuser, die man freilich sichern muss, aber diese Menschen kann man nicht einfach in eine Zelle einsperren und auf sie vergessen.

Im Fall von Wilhelm S. war es ja so, dass die verhängte Strafe bereits abgesessen, er aber trotzdem noch im Gefängnis untergebracht war.

Klenk: Ja. Er sitzt seit sieben Jahren in der so genannten ‚Maßnahme’. 1995 hat Herr S. einen Mordversuch begangen und wurde verurteilt. Die Justiz geht davon aus, dass seine „seelische Abartigkeit“ noch nicht geheilt ist. Er sollte eigentlich eine Therapie bekommen, der 74-Jährige verweigerte diese aber bisher. Er sitzt also in seiner Zelle, die Fußnägel wachsen, der selbst angelegte Verband verwächst sich mit der Haut und er beginnt buchstäblich zu verschimmeln. Der Staat müsste nun eigentlich erkennen, dass das ein Mensch ist, um den er sich bis an sein Lebensende kümmern muss. Man bräuchte also eine Art Altersheim mit medizinischer Pflege. Was hat unser System aber gemacht? Er wurde in den Trakt W1 im Gefängnis Stein in den hintersten Winkel gesteckt, wo ihn niemand besucht und sich niemand um ihn kümmert. Man hat ihn sich selbst überlassen. Die Justiz muss nun erkennen, dass die Zeiten des Narrenhauses, wo man Verrückte weggesperrt hat, vorbei sind und es hier medizinische Versorgungen, Sozialarbeiter, Ärzte und Psychologen und weniger uniformiertes Personal benötigt. Ich glaube, der Justizminister sieht das ähnlich. Das Interessante ist, dass das alles ja bekannt ist. In den 1990er Jahren hat das Komitee zur Verhütung von Folter genau solche Missstände in Stein beschrieben.

Warum glauben Sie, dass sich dieses Mal etwas ändern wird?

Klenk: Weil es Bilder gibt. Weil es journalistisch aufgearbeitetes Material gibt und weil diese Bilder auch über andere Medien verbreitet wurden, wie beispielsweise über das Fernsehen. Durch die sozialen Medien können wir unsere Falter-Recherchen in einer Geschwindigkeit verbreiten, wie es vor 20 Jahren nicht möglich war.

Warum hat erst der "Falter" die Fotos der „verschimmelten“ Füße dem Justizminister gezeigt? Bis zu diesem Zeitpunkt wurden sie ihm vorenthalten.

Klenk: Das ist genau die Frage, die man sich stellen muss. Es zeigt, dass das System selbst kein übersteigertes Interesse hat, solche Missstände den politisch Verantwortlichen zur Kenntnis zu bringen. Man versteckt solche Dinge lieber und sieht keinen Grund, dass das den Justizminister interessieren könnte. Das Ministerium wurde informiert, aber nicht die politische Spitze. Man wollte die Sache abarbeiten, vermutlich hätte es auch eine kleine Geldbuße für den Verantwortlichen gegeben, dann wäre man aber wohl wieder zur Tagesordnung übergegangen. Die Reformwucht  entsteht erst durch die Öffentlichkeit. Deshalb ist es enorm wichtig, auch das den Behörden bereits Bekannte zu publizieren.

An dieser Stelle möchte ich auf den Kommentar von Hans-Jörgen Manstein Bezug nehmen, der uns investigativen Journalisten eine „Amtsmissbrauchjournaille“ vorgeworfen hat. Seine Argumentation war jene, dass die Behörden diese Umstände ja ohnehin kennen würden. Diese Argumentation ist aber falsch. Der Fall Lucona war den Behörden bekannt, der AKH-Skandal war den Behörden bekannt, alles, was Alfred Worm aufgedeckt hat, war Inhalt von Akten. Erst, wenn der Lichtstrahl der Öffentlichkeit den Schreibtisch des Beamten trifft, schreckt er auf. Er muss sich dann rechtfertigen, und das ist für mich ein entscheidender Aspekt von Journalismus und das, was Manstein in seinem Kommentar unterbelichtet hat: Der politisch Verantwortliche möchte gewählt werden und erst, wenn die breite Masse der Leute weiß, was in seinem Haus los ist, wird er sich die Schuhe anziehen, sich in die Kampfmontur begeben und Missstände bekämpfen, ansonsten wäre es ihm egal.

Wie kann man in Österreich zu Akten gelangen?

Klenk: Es gibt mehrere Möglichkeiten. Gerade in Strafverfahren kann man dies ganz legal tun, nämlich über Beschuldigte oder Geschädigte, die ja Einsicht haben. Wir brechen hier also nicht das Gesetz. Zudem gibt es auch Fälle, wie aktuell in Stein, wo Whistleblower tatsächlich eine interne Information nach außen tragen. Spannend für mich ist, wie der Staat damit umgeht. Verfolgt er Personen wie Edward Snowden oder sagt er, das ist eine Heldentat? Ich glaube, der Staat täte gut daran, solche Handlungen zu ehren, dadurch zeichnet sich nämlich eine Demokratie aus. Ich bin sehr gespannt, ob das österreichische Justizministerium nun Ermittlungen einleiten wird.

Sie haben auch geschrieben: „Die Beweismittel erwecken den Verdacht, dass sich hinter Gittern ein Staate im Staate gebildet hat, der völlig entgleist.“ Was meinen Sie damit?

Klenk: Die Gefängnisse werden nicht mehr von den Juristen des Ministeriums verwaltet, sondern von der so genannten Vollzugsdirektion, also hauptsächlich von Uniformierten. Die Exekutivgewerkschaft dahinter ist extrem stark, vor allem die AUF (Aktionsgemeinschaft Unabhängiger und Freiheitlicher). Sie verhindern jede Reform. Wenn man sich das Archiv der AUF ansieht,  erkennt man, dass jede sozialarbeitstechnische Maßnahme, jedes Anti-Aggressionstraining, jede Form von Gruppentherapie, wo man beispielsweise mit den Häftlingen musiziert, sofort als warmduscherische Gutmenschenbehandlung verunglimpft wurde.

Gleichzeitig herrschen in den eigenen Reihen Korruption, sexuelle Übergriffe oder andere Missstände. Es bildet sich also eine Gesellschaft, die unkontrolliert dahinlebt. Man sieht das sehr schön an dem aktuellen Video: Ein Beamter schlägt einen Insassen, wirft ihn an die Wand, vier Beamte schauen zu, die Staatsanwaltschaft tut nichts, der Verantwortliche muss lediglich 100 Euro Strafe zahlen. Sie haben also alle Rechte, das gehört kontrolliert.

Was könnte die Verantwortlichen im Fall Wilhelm S. nun erwarten? Bisweilen wurde ja nur vernachlässigte Hygiene konstatiert. Es soll geklärt werden, ob der Insasse Schmerzen hatte, um den Tatbestand des Quälens zu prüfen.

Klenk: Der Anstaltsarzt hat festgestellt, dass Herr Wilhelm S. zumindest zwei Nächte, bevor er entdeckt wurde, starke Schmerzen hatte, dass die Zustände lebensgefährlich waren, dass er kurz vor der Blutvergiftung stand, dass die Fußnägel nicht mehr mit der Schere geschnitten werden konnten, sondern nur noch mit einer elektrischen Gipsschere. Er hatte die Socken sieben Jahre lang getragen. Das ist eine derart massive Verwahrlosung, dass ich hoffe, ein Strafgericht wird das in einer öffentlichen Verhandlung untersuchen. Ich halte den Strafaspekt für wichtig, weil es individuell Verantwortliche gibt, sich immer nur auf das System auszureden, ist billig und passiert immer wieder. Es gibt konkrete Beamte, einen konkreten Kommandanten, der die Türe hätte öffnen können, einen Sozialarbeiter holen und den Insassen dazu bringen, dass er sich wäscht. Das ist sein Job und dafür bekommt er Gehalt. Der Fall muss also zu einer Reform des Systems führen. Es muss auch parlamentarisch untersucht werden, inwiefern das Ministerium, letztlich auch die Minister, von solchen Missständen hätten wissen können. Dann, glaube ich, bewirkt das auch einen heilsamen Schock und der Diskurs könnte sich dadurch ändern.

Sie haben den Namen des zuständigen Abteilungsleiters in voller Länge genannt. War das eine schwierige Entscheidung?

Klenk: Das war ein FPÖ-Politiker, der lieber durchs Land getingelt ist und sich nicht um seine eigentliche Aufgabe gekümmert hat. Ich habe ihn nur deshalb genannt, weil er als sehr hoher Exekutivgewerkschafter öffentlich um Stimmen wirbt und schon suspendiert wurde. In diesem Fall ist er eine Person des öffentlichen Interesses, deshalb ist das in Ordnung. Die anderen habe ich nicht genannt. Auch den Insassen habe ich übrigens nicht genannt. Die Gratiszeitung „Heute“ hingegen hat leider ein Foto von Wilhelm S. veröffentlicht, was ich für einen totalen Übergriff halte. Ich verstehe nicht, warum Eva Dichand so etwas zulässt. Wir haben ein Opfer, jemanden der verwahrlost ist, und „Heute“ zeigt das Gesicht dieses Menschen. Das ist eine Grenzüberschreitung.

Sie sind einer der bekanntesten investigativen Journalisten des Landes. Österreich ist ein Land mit vielen Medien, vielen Journalisten, sind es im Verhältnis nicht wenige, die investigativ arbeiten und so eine wichtige Aufgabe erfüllen?

Klenk: Ich weiß nicht, ob das stimmt, dass wir wenig investigativen Journalismus haben. Blicken wir doch 100 Jahre zurück. Wien erlebte die Hochblüte des investigativen Alltagsjournalismus, von Max Winter bis Egon Erwin Kisch. Es folgte die bleierne Zeit des Parteijournalismus. Dann kam das "Profil", Alfred Worm und Gerald Freihofner (Anm.: Lucona). Nun diskutieren wir an Fachhochschulen, am FJUM (Forum für Journalismus und Medienausbildung) oder am Institut für Publizistik ständig über investigativen Journalismus. Wir haben immer noch Profil, wir haben datenjournalistische Projekte wie Dossier, bei der Presse arbeitet ein beachtliches Team von guten Leuten, ebenso hat der Kurier tolle Journalisten. Auch im Privatfernsehen finden sich – wenn auch versteckt – immer wieder gute investigative Geschichten. Der ORF schwächelt nach wie vor, was ich nicht verstehen kann, der hätte nämlich genügend Ressourcen. Wir haben in den letzten zehn Jahren eine massive Wucht an Veröffentlichungen erfahren, was mich, was Österreich betrifft, ziemlich positiv stimmt. Das ist die eine Seite.

Und die andere Seite?

Klenk: International erleben wir eine enorme Professionalisierung und eine Technisierung. Es ist atemberaubend, was sich da im Bereich des investigativen Journalismus tut. Wir sind keine einsamen Wölfe mehr, die sich hinter Akten vergraben, sondern man muss in international vernetzten Teams arbeiten. Informanten haben ganz andere Datenmengen, denken Sie an WikiLeaks beispielsweise. Das kann man alleine gar nicht aufarbeiten. Die Medien vernetzen sich zunehmend. Der "Spiegel" arbeitet mit dem "Guardian", der "New York Times" und speziellen NGOs zusammen. So wie sich die organisierte Kriminalität internationalisiert hat, tut das nun auch der investigative Journalismus.

Sie haben beim Okto-Medienquartett einmal gesagt: „Jeder Journalist sollte investigativ arbeiten, alles andere brauchen wir nicht[…] sind bloße Mikrofonständer.“ Was ist beispielsweise mit Aufklärern wie Armin Wolf?

Klenk: Armin Wolf ist ein klassischer Investigator. Durch Fragen versucht er, etwas herauszufinden. Ich meinte damit nicht, dass jeder Journalist ein Enthüllungsjournalist sein sollte, sondern Journalismus hat nur dann eine Überlebenschance, wenn er das, was ihm von PR-Agenturen, der Werbung und Pressesprechern präsentiert wird, hinterfragt und jene Information sucht, die nicht kommuniziert wird. Für alles andere brauche ich doch keine Journalisten, das findet man sowieso. Wir sind doch nicht da, um Informationen abzudrucken. Wir sind dazu da, um zu analysieren und versteckte Informationen zu suchen, also weg vom Pressekonferenz-Journalismus. Die reine Nachricht ist wertlos, die Menschen brauchen Hintergründe und Analysen. Wir haben in Österreich zwei Typen von Interviews. Einerseits das obrigkeitsstaatliche Mikrofonständer-Interview, á la „Herr Landeshauptmann, wie geht es Ihnen?“ Andererseits haben wir das Verhörgespräch. Aber dazwischen gibt es noch etwas anderes, nämlich einen politischen Verantwortlichen im Gespräch zur Verantwortung zu ziehen, ihm kritische Fragen zu stellen und herauszufinden, ob er Fehler gemacht hat. Das ist Investigation, das ist die Aufgabe von Journalisten.

Stichwort Presseförderung. Wie ist Ihre Meinung zur Thematik? Erhöhen, streichen, Vergabekriterien ändern?

Klenk: Der Status quo, dass starke Boulevardmedien vom Staat Geld bekommen, ist für mich völlig unverständlich. Was wir brauchen, ist eine Qualitätsförderung, auch für kleine Medien. Ich bin übrigens ein großer Anhänger des Zeitungsabos für Schulen. Die Zeitung als Überraschungsmedium ist etwas anderes als ein Online-Medium. Schüler sollten Qualitätszeitungen genauso wie Schulbücher bekommen. Ich habe eine Privatschule besucht, wo wir das Time Magazine bekommen haben, das habe ich mit 16 Jahren gelesen und so auch Englisch gelernt, das war ganz toll. Die Zeitung ist außerdem kein altes Holz. Die Zeitung hat sich leider angewöhnt, sich selbst schlecht zu reden und ihre Inhalte zu verschenken. Oft sind es sogar die eigenen Redakteure, die das Printprodukt diskreditieren, das verstehe ich nicht.

Sprechen Sie da aus eigener Erfahrung?

Klenk: Nein. Bei unserem gloriosen Online-Auftritt (lacht). Aber ernsthaft, wir verschenken nun mal nichts. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Es gibt ein Wirtshaus, das das beste Gulasch der Stadt verkauft, es kostet neun Euro. Dann stellt sich der Wirt vor sein Wirtshaus und verschenkt sein Gulasch. Geht dann noch jemand hinein und kauft es sich? Vermutlich nicht. So ähnlich haben sich die Verleger verhalten. Sie haben ihre Qualität verschenkt. Nun sagt der Wirt noch zusätzlich, dass es auch viel cooler ist, draußen Gulasch zu essen, als drinnen im schmuddeligen, alten Wirtshaus zu essen, das sei die Welt von gestern.

Beim Falter wird also noch lange Gulasch im Wirtshaus gegessen?

Klenk: Richtig (lacht). Das Versprechen auf die großen Online-Werbeerlöse wird sich nicht einlösen. Wir brauchen Leser. Ich möchte, dass unsere Leser sehen, dass sie für den Preis auch etwas bekommen.

Wollten Sie schon immer Journalist werden?

Klenk: Ja, eigentlich schon.

Warum?

Klenk: Mein Vater war Ortspolitiker, er hat eine eigene Zeitung gemacht, „Eichgraben konkret“. Da hat er damals die Machenschaften des Ortsbürgermeisters aufgedeckt durch zugängliche Dokumente. Er hat zu Hause immer die Unterlagen aufgebreitet und sich in seine Arbeit vertieft, das hat mich fasziniert. Dann folgte die Schülerzeitung, so wie bei fast jedem Journalisten. Zuerst dachte ich, damit werde ich kein Geld verdienen, überlegte Rechtsanwalt zu werden, wollte aber nicht für Leute Partei ergreifen, deren Interessen ich vielleicht nicht schätze. So bin ich in den Journalismus gewachsen.

Also machen Sie genau das, was sie immer machen wollten?

Klenk: Ja, ich habe Glück gehabt.
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