Newsroom-Zukunft: Hybrider 'Geist aus der Fla...
 
Newsroom-Zukunft

Hybrider 'Geist aus der Flasche gelassen'

BBC
Newsrooms werden sich nach der Pandemie verändern.
Newsrooms werden sich nach der Pandemie verändern.

In der Pandemie haben sich die Newsrooms geleert – an eine Rückkehr zu alten Arbeitsmodellen glauben wenige.

Die explodierenden Coronazahlen machen es hierzulande wieder notwendig: Die ersten Newsrooms in Österreich haben wieder auf Homeoffice umgestellt. Andernorts macht man sich indes bereits Gedanken darüber, wie das Newsroom-Leben nach einer Pandemie aussehen könnte. Deswegen befragte das ­Reuters-Institut für Journalismusforschung an der Universität Oxford mehr als 130 Manager:innen, Chefredakteur:innen und Chef:innen vom Dienst mittlerer und großer Nachrichtenorganisationen in 42 Ländern nach künftigen Arbeitsmodellen.


Das Resultat, das vergangene Woche präsentiert wurde: Hybride Arbeitsmodelle, also sowohl im Büro als auch von zu Hause aus zu arbeiten, werden die Pandemie wohl überstehen. Die meisten Befragten sehen darin auch kein Problem: 89 Prozent gaben an, das sie sich zu flexiblen und hybriden Arbeitsweisen bekennen. 79 Prozent glauben, dass ihre Arbeitgeber den neuen Arbeitsweisen offen gegenüberstehen. Soweit die Theorie. Die wahre Herausforderung scheint aber in der Praxis zu liegen: Wie sollen Newsrooms künftig aussehen, wie die Arbeitsabläufe – eine Antwort auf diese Frage hat bisher nur eine Minderheit gefunden.
57 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Arbeitgeber erst entscheiden müssen, wie die neue, hybride Arbeitswelt konkret funktionieren soll.

Wandel ‚oberste Priorität‘

„Den Wandel von Remote- hin zu Hybrid-Work zu meistern und alle internen Prozesse an diese neue Arbeitsweise anzupassen, ist derzeit eine unserer obersten Prioritäten“, wird etwa Standard-Chefredakteur Martin Kotynek von den Studienautor:innen zitiert: „Ich bin davon überzeugt, dass hybrides Arbeiten bleiben wird – der Übergang mag schwierig sein, aber es lohnt sich auf jeden Fall, statt zu einem Arbeitsmodell zurückzukehren, bei dem fast alle die meiste Zeit im Büro präsent sind.“ Mit der Meinung ist er nicht alleine: Nur neun Prozent der Befragten glauben, dass ihr Unternehmen zu einem vor-pandemischen Arbeitsmodell zurückkehren wird.

Geist aus der Flasche gelassen

Grundsätzlich sieht man den Wechsel durchaus positiv: Mehr als zwei Drittel der Befragten glauben, dass der Umstieg auf flexibles Arbeiten ihre Newsrooms und Unternehmen efffizienter macht. Doch wo viel Licht, da auch viel Schatten. Denn hybrides Arbeiten habe auch negative Auswirkungen. Fast die Hälfte der Befragten glaubt, dass die Kreativität im Unternehmen zurückgeht, 42 Prozent finden, dass Kommunikation, 45 die Kollaboration unter den neuen Arbeitsformen leidet.
„Das Nachrichtengeschäft ist ein Teamsport“, meint etwa Brodie Fenlon, Chefredakteur des staatlichen kanadischen TV-Senders CBC. Remote-Arbeit habe seiner Meinung nach „unvermeidlich Auswirkungen auf Kreativität, Kollaboration, sozialen Zusammenhalt und die psychische Gesundheit. Ich habe keinen Zweifel, dass wir besser sind, wenn wir zusammen sind.“

Wie allerdings einer der Befragten Manager angab, sei der „Geist bereits aus der Flasche gelassen“, eine Rückkehr zum alten Modell unwahrscheinlich. Vor allem, weil bei 27 Prozent der Befragten bereits die Büros für die neue Arbeitsrealität umgebaut werden, bei 46 Prozent ist eine Umgestaltung geplant. Nur bei 16 Prozent ist keine Veränderung der Büros angedacht.
Damit einher geht aber auch eine drohende Ungleichheit. Denn gewisse Positionen können Remote nur schwer ausgefüllt werden. Fotograf:innen müssten etwa nicht in einem Newsroom anwesend sein, meint Phil Chetwynd, globaler Nachrichtendirektor für die Agentur AFP. Für die Mitarbeiter:innen des aktuellen Dienstes hingegen bringe ­Remote-Arbeit mehr Nachteile. ­Womit eine weitere Sorge vieler Manager:innen einhergeht: Die Angst vor der sogenannten „proximity bias“, bei der Mitarbeiter:innen, die im Büro und damit in der physischen Nähe der Führungskräfte sind, mehr Gehör bekommen, als jene, die nur virtuell mitarbeiten. „Uns als Management-Team geht es darum, dass manche Leute nicht zu Favoriten werden, weil sie mehr Zeit mit dem Chef haben“, wird etwa Angela Pacienza, Chefredakteurin bei Globe and Mail aus Kanada zitiert. Ihrer Meinung nach, braucht es dafür ein eigenes Training für Manager:innen, um sich dieser Schwachstelle im hybriden Areitsmodell bewusst zu werden und es zu lösen.

Keine leeren Büros

Ganz aus den Augen verlieren ­wollen die Manager:innen ihre Mitar­beiter:innen freilich nicht: 20 Prozent der Befragten wollen ihre Mitar­beiter:innen die meiste Zeit im Büro haben, 64 Prozent zumindest manchmal.
Nur fünf Prozent wollen ihre Mitarbeiter:innen gar nicht mehr im Büro sehen. Vielleicht liegt’s auch an den Mitarbeiter:innen.

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