Nach vier Jahren Neos entwickelt die Partei ihre Markenstrategie neu. Markenstratege Thomas Hotko (Brainds) und Parteivorsitzender Matthias Strolz erläutern diese gegenüber HORIZONT.
Matthias Strolz: Wir haben uns dazu entschieden, die Marke zu stärken. Es gab die Marke Neos ja bereits und aus unserer Sicht hat sie in den ersten vier Jahren eine gute Entwicklung genommen. Gleichzeitig haben wir uns als Ziel gesetzt, zu wachsen und bei der nächsten Wahl ein zweistelliges Ergebnis zu erreichen. Es war uns klar, dass es dafür eine kraftvollere Marke und mehr Klarheit nach innen und außen braucht. Das war der Geburtsgedanke, mit dem wir an die Markenagenturen herangetreten sind.
Ziel war also eine Fokussierung der Marke. Eine Fokussierung, die vorher nicht da war?Strolz: Es ging um die Stärkung der Identität. Seit der Gründung vor vier Jahren, bei der bereits ein Markenprozess stattfand, haben sich die Neos-Mitglieder vervielfacht. Eine überwiegende Mehrheit war im ersten Jahr nicht dabei, somit fehlt ihnen die Gründungsphase. Deshalb haben wir gesagt, dass wir noch einmal schärfen müssen, wofür wir stehen.
Wie unterscheidet sich die Entwicklung einer Markenstrategie in der Politik von der einer klassischen Konsummarke?Thomas Hotko: Eine Konsummarke ist wesentlich einfacher. Es geht bei dieser um eine spitze Positionierung, in der man ein Joghurt von dem anderen unterscheidet. Die Markenführung für eine Partei ist wesentlich komplexer. Wenn ich es ernst damit meine, dann brauche ich nicht nur eine Vision für die Partei, sondern auch eine für das Land oder die Gruppe, die ich vertrete.
Während es bei einer Konsummarke darum geht, die Konkurrenz zu verdrängen, ist bei der Partei in erster Linie Ziel, das Land voran zu bringen. Ein Unternehmen ist zudem deutlich hierarchischer. Während hier ein CEO die Richtung entscheidet, ist es bei einer Partei eine sehr große Personengruppe.
Strolz: Ich war ja selbst zwölf Jahre Unternehmer und habe als Organisationsentwickler solche Prozesse mit begleitet. Ich glaube, dass eine Partei wesentlich multidimensionaler ist als ein Unternehmen. Die Entscheidungswege sind damit auch komplexer und die Integrationsaufgabe größer.
Bei unserer Markenentwicklung waren über 800 Menschen aktiv eingebunden. Wir haben die möglichen Positionierungen immer weiter verdichtet, so dass es zum Schluss nur noch eine Markenoption gab, zu der sich die Bewegung jetzt breit bekennt: Neos sind eine Bürger- und Bürgerinnenbewegung. Wir treten mutig, innovativ und freiheitsliebend auf. Das sind unsere Markenattribute.
Ist eine Zuspitzung der Marke überhaupt sinnvoll, wenn eine Partei dynamisch bleiben soll?Strolz: Ganz eindeutig ja. Eine politische Bewegung ohne interne Dynamiken und Spannungen ist tot. Als Vorsitzender ist es meine Aufgabe, die verschieden Kräfte zu integrieren. Das muss auch nach außen erkennbar sein.
Wir müssen davon ausgehen, dass der durchschnittliche Österreicher sich keine zwei Stunden pro Woche mit Politik auseinandersetzt. Als Neos haben wir vielleicht 20 Sekunden pro Woche Gelegenheit, unsere Botschaften bei den Bürgern anzubringen. Wenn das jede Woche etwas Anderes ist, dann stiftet das Verwirrung.
Hotko: Menschen haben das Bedürfnis nach Vereinfachung, um Energie zu sparen. Das ist biologisch begründet. Bei seiner Wahlentscheidung muss man sich fünf oder sechs Parteien ansehen. Im Sinne der Ökonomie der Aufmerksamkeit habe ich als Partei somit nur wenig Zeit zu überzeugen.
Man muss es dem Wähler einfacher machen. Die Komplexität, die einfach da ist – auch beim Joghurt übrigens – soll reduziert werden. Es braucht eine gute, knappe Kommunikationsleistung, damit kein 120-Seiten-Parteiprogramm gelesen werden muss.
Aber läuft man nicht Gefahr, beim Fokus auf die vereinfachte Darstellung die Inhalte aus den Augen zu verlieren?Strolz: Natürlich ist das ein Balanceakt. Die persönliche Überzeugung als Basis darf nie verloren gehen. Würde ich sagen, ich mache Politik um Stimmen zu maximieren, dann orientiere ich mich nur mehr an Umfragen und erzähle das Passende. Das können wir nicht tun, dann verraten wir uns selbst. Aber natürlich werden wir auch nicht so kommunizieren, dass uns möglichst wenige Menschen wählen. Stimmen bedeuten nun einmal die Möglichkeit, zu gestalten und zu verändern.
Haben sich durch die Fokussierung im Rahmen der neuen Markenstrategie Inhalte oder deren Priorität in der Partei verändert?Strolz: Ja, natürlich, sie sind klarer geworden. Unser politisches Angebot ist groß, wir haben nichts weggeworfen, wir mussten aber ausverhandeln, was wir jetzt ganz nach vorne stellen. Dabei geht es natürlich auch um Agenda-Setting, also um eine Hierarchisierung der Botschaften. Der inhaltliche Kern darf dabei aber nicht verraten werden.
Und was fängt die Partei jetzt konkret mit der neuen Markenstrategie an?Strolz: Als Bürgerbewegung gehören wir wieder mehr auf die Straße. Beim Thema GIS-Gebühren und Reform des ORF werden wir in bester Kampagnen Art von Tür zu Tür gehen und unser Anliegen erklären. Zu Wirtschaftsthemen machen wir verstärkt Pop-up-Events. Wir richten uns aus, dorthin zu gehen, wo die Menschen sind.
Hotko: Die Positionierung als Bewegung bedeutet jetzt auch medial verstärkt wie eine Bewegung zu agieren. Es trägt zur externen Kommunikation bei, aber beispielsweise auch zum Gespräch mit Sponsoren. Es hilft zu erklären, wer man ist und wohin man will. Es ist sozusagen ein Leitstern für alles, was man tut Markenmanagement ist natürlich etwas, das man über Jahrzehnte betreibt, aber hier und heute beginnen Neos fokussiert als Bewegung zu kommunizieren.