Besser DSGVO ausführlich zu Ende exekutieren, statt parallel an E-Privacy zu arbeiten; das ist der Grundtenor der Diskutanten auf den „Österreichischen Medientagen“.
Auf die Frage „E-Privacy: Perfide oder Schutzschild?“ fanden die TeilnehmerInnen des Panels am zweiten Tag der Österreichischen Medientage eine klare Antwort: Die Verordnung in ihrer jetzigen Form ist nicht tragbar. „Ich muss heftig an dem Prozess Kritik üben, der nicht von Hausverstand und Vernunft geprägt ist“, drückte es EU-Parlamentarier Heinz K. Becker (ÖVP) aus und sagte weiter: Es hätte der ePrivacy-Regelung nicht bedurft, „man hätte den normalen Weg einer Novellierung der DSGVO wählen können.“ Rund eine Million Euro hat die KURIER-Gruppe für die Umsetzung der DSGVO ausgegeben, „Mehrwert gleich Null“, führte auch Geschäftsführer Thomas Kralinger zu Beginn aus. Er schlug in dieselbe Kerbe wie Becker: „Wir sind momentan in einem Diskussionsprozess rund um die DSGVO – mit der Verarbeitung von Branchenrichtlinien und dem Austausch mit der Datenschutzbehörde – der noch gar nicht ausgestanden ist.“ Ein neues Regulativ wäre da völlig falsch.
Arbeit für die Wirtschaft
Als „glühender EU-Anhänger“ outete sich Medienanwalt Gerald Ganzger (Lansky, Ganzger & Partner), war aber auch klar der Ansicht des restlichen Panels: „Für die werbende Wirtschaft ist das hier ein Hohn.“ Es könne momentan noch niemand sagen, wie die Verordnung letztendlich aussehen werde. Was Ganzger aber im allgemeinen E-Privacy-Bashing zu bedenken gab: „Man sollte sich schon überlegen, ob eine rechtsgültige Zustimmung nicht auch ein Asset für Unternehmen sein kann.“ Joachim Schütz, Geschäftsführer der deutschen Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) - der e-Privay ebenso als „Murks“ bezeichnete – sah einen Teil der Verantwortung für das System auch bei der werbenden Wirtschaft. So wäre eine Umsetzung der E-Privacy kein Ende der Werbung im Internet, „aber es hat massive Einflüsse in das digitale Ökosystem.“ Die Werbewirtschaft müsse sich überlegen, „wie man die Akzeptanz von Onlinewerbung deutlich verbessern kann.“
Förderung von US-Unternehmen
Mediaprint-Vertreter Kralinger warf ein: „Es ist wichtig, dass das Thema Werbung transparent ist. Aber es wäre falsch, damit Geschäftsmodelle zu verhindern.“ Es sei nicht möglich, ein Online-Medium ohne Werbung zu betreiben – „wir haben kein anderes Finanzierungsmodell und es gibt niemanden, der Online nachhaltig Abo-Erlöse erwirtschaftet. Wenn Werbung nicht mehr möglich ist, dann wird es Inhalte nicht mehr geben oder Einfluss auf die Inhalte haben.“ Am Panel ging man so weit zu sagen, dass die EU mit solchen Regulatorien genau das Gegenteil von dem Gewollten erreiche: „Wenn man die bisherigen Maßnahmen zu Ende denkt, fördert man genau jene großen US-Konzerne, gegen die wir in einem gemeinsam regulierten Markt eintreten wollen – es ist ein Schuss ins eigene Knie. Insbesonders, weil diese Unternehmen in eigenen Welten agieren, deren Zustimmung sie für alles und jedes von Anfang an haben“, führte EU-Parlamentarier Becker aus.
E-Privacy kommt erst in zwei Jahren
„Wir wehren uns nicht, Dinge zu regeln“, wollte Robert Bodenstein, Obmann der Bundessparte Information und Consulting in der Wirtschaftskammer Österreich, festgelegt haben. „Man sollte die DSGVO-Erfahrungswerte nutzen und erst dann überlegen, was für das legitime Interesse des Konsumenten fehlt, um sich in der digitalen Welt wohlzufühlen“, schlug auch er vor. Geht es um den Zeithorizont für die Verordnung, relativierte EU-Parlamentarier Becker die momentane Aufregung. Die Chancen für das Inkrafttreten von E-Privacy in dieser Legislaturperiode seien recht gering: „Es sind keine Kleinigkeiten, sondern Kernpunkte, an denen es momentan noch hakt.“ Er glaube an eine Verschiebung um mindestens zwei Jahre.
Empfehlungen an die Branche
Abschließend fragte Moderatorin Lilian Meyer-Janzek (Accenture) die Diskussionsteilnehmer um Empfehlungen an die Branche in Sachen E-Privacy. WKO-Vertreter Bodenstein: „E-Privacy kommt, die Frage ist nur wann. Wir sollten uns in diesem Kontext damit beschäftigen, wie wir Konsumenten in Zukunft entgegenkommen können.“ EU-Parlamentarier Becker schloss mit einem Appell an die Wirtschaft generell: „Ich wünsche mir generell mehr Lobbying der Wirtschaft gegenüber EU-Parlamentarier. Die NGOS sind so stark, es fehlt wie bei der Urheberrechtslinie auch an mangelndem Engagement von Journalisten.“ Auf eine stärkere Stimme der Wirtschaft pochte auch OWM-Geschäftsführer Schütz, Kralinger von der Kurier-Gruppe wünschte sich, dass „sachliche Argumente besser gehört werden und nicht nach rein ideologischen Kriterien gehandelt wird, wie das beim Leistungsschutzrecht der Fall war.“ Den Abschluss machte Ganzger: „Wir haben nun drei, vier Jahre Zeit zu überlegen, was zu tun ist.“ An die Verlage gerichtet empfahl der Medienanwalt, „breit zu kommunizieren, dass Verlage Gratisangebote auch finanzieren müssen. Wenn die E-Privacy dann beschlossen ist zu jammern, wie die Zustimmung von den Nutzern verlangt werden kann, ist zu spät.“