"Warum uns die neue Technologie nicht wegfegt" - Gastbeitrag von Klaus Fessel, Management Partner Focus Institut Marketing Research GmbH.
„Sind wir Schreibmaschinen-Hersteller bei der Einführung der ersten Massen-PCs?“, das haben sich wohl alle klassischen Marktforschungsinstitute beim Auftauchen der Online-Forschung oder von Big-Data gefragt. Jetzt, nach einigen Jahren Wachstum der digitalen Forschung, ist klar, dass es auch zukünftig Platz für alle Methoden der Mafo geben wird und wir nicht von einer „neuen“ Technologie hinweggefegt wurden.
Die klassischen CATI-Studien mit tausenden Consumer-Interviews sind stark durch Online-Studien in Access-Panel ersetzt worden. Aber auch hier stellen sich große Auftraggeber zunehmend die Frage, ob der Zeit- und Kostenvorteil die Schwächen des Online-Panels (z.B. Selbstselektion) ausgleicht. Auch in Bereichen, wie BtB-Customer Satisfaction-Surveys, die prädestiniert scheinen, um sie digital umzusetzen, stellt sich die Frage, ob nicht letztlich der geringere Rücklauf bei Online schwerer wiegt als die Vorteile.
Wer schon einmal die Aussagekraft von 1.000 Onlineantworten mit jener von 150 persönlichen Interviews auf eine offene Frage verglichen hat, weiß, dass digitale Erhebungen niemals ein vollständiger Ersatz sein können. Big Data zeigen zwar interessante Verbindungen auf, um aber die Zusammenhänge wirklich zu verstehen, benötigen wir immer noch sauber geplante, tiefgreifende Erhebungen. Qualitative Online-Erhebungen und die Analyse von Social Media stellen interessante Informationsquellen dar, können aber - weil deutlich facettenärmer - die klassischen Methoden nur ergänzen und nicht ersetzen. Viele Zielgruppen, für die es kein Mailverzeichnis der Entscheidungsträger gibt, sind überhaupt nur analog zu erreichen.
Wie im Flugverkehr, bei dem es zunächst so ausgesehen hat, dass der Jet die Propeller-Flugzeuge vollständig verdrängt, ist also Platz für beide Technologien. Mittlerweile haben Online-Interviews in unserem Consumer Bereich einen Anteil von 50 Prozent, aber das hat sich größtenteils On-Top der analogen Interviews gesetzt. Übrigens: heute werden mehr Propellermaschinen gebaut als je zuvor.
Am Montag, 14. November, lesen Sie die Meinung von Hannes Dünser, Geschäftsführer ÖWA.
[Klaus Fessel]