Medien nicht nur auf Preis reduzieren!
 

Medien nicht nur auf Preis reduzieren!

Michael Graf, Geschäftsführer der RMS Radio Marketing Austria, dem nationalen Vermarkter der Privatradios, über 2009 und Perspektiven 2010 – Radio kann sich behaupten.

HORIZONT: Wie war 2009 für die RMS als Vermarkter der Privatradios?



Michael Graf: Das Jahr 2009 war für die Medien und für die Kommunikationslandschaft sicherlich eines der schwersten, wenn nicht das Schwerste der letzten Jahrzehnte. Das kann man sowohl aus Sicht der Medien als auch der Agenturen so sagen. Für Radio und die RMS muss man das Jahr 2009 differenzierter sehen: Wir haben im ersten Quartal ein sattes Minus im Vergleich zum Vorjahr gehabt. Das war auch geplant, weil Radio im ersten Quartal 2008 eine außerordentliche Phase gehabt hat. Im Sommer lagen wir dann unter dem Vorjahr in einer Dimension, die so nicht geplant war. Aber seit September liegt jeder Monat deutlich über dem Vorjahr – und deutlich über Plan! Das heisst für den Vermarkter RMS: Wir 2009 mit einem Minus von einem Prozent abschließen…



HORIZONT: Das sind die realen Umsatzrelationen, nicht die Focus-Basis?  



Graf: …das sind Prozentwerte auf Basis der realen Zahlen. Das ist, denke ich, im Vergleich zur Medienentwicklung insgesamt, aber auch im Vergleich zu unserem Mitbewerber durchaus nicht schlecht – wenngleich ein Minus eben ein Minus ist.



HORIZONT: Welche Kunden/Branchen haben heuer ihre Radio-Spendings verändert?  



Graf: Aus meiner Sicht ist der Handel ganz generell dafür verantwortlich, dass wir dieses Jahr 2009 doch noch relativ gut abschließen können. Der Handel hat konsequent durchgeworben und der private Konsum, auch für langlebigere Konsumgüter, hat das auch befeuert. Das hat den Handel gestützt und der Handel hat die Medien gestützt. Der Handel ist also 2009 eine sehr erfreuliche Branche. Eine Branche, die im heurigen Jahr differenziert zu bewerten ist, ist die PKW-Branche – vielen Unternehmen ist es nicht wirklich gut gegangen. Auf der anderen Seite war die Verschrottungsprämie ein Thema, das eine Reihe von Herstellern – erfolgreich! – im Radio gespielt haben.



Für die RMS war es heuer von entscheidender Bedeutung, dass wir viele Neukunden gewinnen konnten. Die Grundlagen dafür sind zum Teil schon 2008 gelegt worden, wir konnten aber auch 2009 noch einige wesentliche Neukunden gewinnen. Wäre das nicht der Fall gewesen, wäre das Jahr deutlich schlechter geworden.



HORIZONT: Wie hat sich die RMS im Vergleich zum Mitbewerb entwickelt?  



Graf: Wenn man die Focus-Zahlen ansieht, dann sehen wir beim ORF ein nominelles Minus von über zehn Prozent in den ersten zehn Monaten. Es ist daher mit Sicherheit davon auszugehen, dass die RMS und die Privatradios auch heuer wieder Marktanteile dazugewonnen haben. In Kenntnis der realen Werte der RMS gehe ich davon aus, dass keine zu großen Differenzen zwischen den Focus-Zahlen und den realen Umsatzentwicklungen bestehen.



Ich behaupte allerdings, dass das bei anderen Mediengattungen deutlich anders aussieht – die Brutto-Netto-Schere geht dort mit Sicherheit auseinander. Daher fällt es mir schwer, anhand der Focus-Zahlen die Entwicklung von Radio im intermedialen Umfeld zu kommentieren. Anhand der Focus-Zahlen ist kein Gewinn von Marktanteilen für Radio im Vergleich zu anderen Mediengattungen festzustellen – eben aus dem Brutto-Netto-Schere Grund.



Ich glaube aber schon, dass Radio gegenüber anderen Mediengattungen Marktanteile gewonnen hat – wenngleich nicht in dem Ausmaß, wie ich mir das erhofft habe. Verantwortlich dafür ist sicherlich auch, dass Fernsehen deutlich billiger geworden ist. Nicht nur durch Preissenkungen des ORF, nicht nur dadurch, dass die privaten Werbefenster trotz Reichweitengewinnen die Werbepreise nicht entsprechend erhöht haben, sondern auch ganz einfach durch die Marktanteilsverschiebungen zugunsten der privaten, preiswerteren Angebote.



Die Konsequenz ist: Fernsehen ist billiger geworden und somit hat eine erwartete Verlagerung von Fernseh-Etats in den Radiobereich nicht oder nicht in dem Ausmass stattgefunden. Radio kann allerdings in Zeiten wie diesen seine Stärke als verkaufsaktives, umsatzstarkes Promotionmedium sehr wohl gut ausspielen. Sicherlich Unsinn ist, was teilweise aus der Branche zu hören ist, dass Radio zu Gunsten von Fernsehen verloren hätte – das stimmt sicherlich nicht!



HORIZONT: Wie beurteilen Sie die aktuelle Rabattpolitik der Medien?  



Graf: Unbestritten ist, dass das Rabattangebot wächst! Ich glaube aber, dass die Medien wie die Agenturen in Zeiten wie diesen genug Selbstbewusstsein an den Tag legen müssten, um nicht einen Konditionenwettbewerb aus kurzfristigem Denken heraus zu beschleunigen. Das, was wir anzubieten haben, ist auch etwas wert und man muss auch den Preis verlangen, den die Leistung wert ist. Ich denke, dass bei der Preis- und Konditionenpolitik einige Mediengattungen – ich möchte absichtlich keine Unternehmen nennen – sicher zu weit gehen. Da gibt es Beispiele aus dem Printbereich, aber auch dem Fernsehen und dem Online-Bereich.



HORIZONT: Also keine „Krisen“-Rabatte?  



Graf: Preispolitik ist für elektronische Medien – ich meine Fernsehen und Radio – noch viel wichtiger als für andere, weil unsere Werbezeit ein knappes Gut ist. Wir hatten zwar alle im heurigen Jahr Zeiten, wo wir nicht gut ausgebucht waren und wir daher Freispots und Naturalrabatte hätten gewähren können – aber wenn die Zeiten besser werden, ist der Platz dafür nicht mehr da, und von Konditionen, die man einmal gewährt, kommt man verdammt schwer wieder weg.



Ich kann nur warnen, diesen Begehrlichkeiten nach noch mehr Rabatten nachzugeben. Dieser Konditionendruck, der auf die Medien ausgeübt wird, wird aber auch in gleichem Maße auf die Agenturen ausgeübt – man braucht sich nur anzusehen, sowohl im Kreativ- als auch im Media-Bereich, wieviele Pitches im heurigen Jahr stattgefunden haben und wie viele Kunden nach langem Präsentationsreigen erst recht wieder bei der gleichen Agentur gelandet sind. Ich gehe einmal davon aus, dass die wenigsten Kunden zu den gleichen Konditionen bei der gleichen Agentur geblieben sind, sondern dass es die Agenturen auch etwas gekostet hat, den Kunden behalten zu dürfen.



Abgesehen davon, dass sie einen enormen Kostenaufwand durch die Pitches hatten. Ich glaube, dass auch da alle Marktteilnehmer verantwortungsvoll mit ihren Partnern umgehen sollten. Es ist natürlich legitim, dass man die besten Konditionen haben möchte – aber man kann es auch ruinös übertreiben. Nur Pitches zu machen, um die Konditionen zu verbessern – da gibt es einfachere Wege, die weniger Ressourcen erfordern.



HORIZONT: Das ist wohl Realität – aber in dem Dreieck Medien, Agenturen und Auftraggeber praktizieren die Auftraggeber mit erhöhtem Druck dieses System…  



Graf: Es wäre notwendig, dass Entscheidungen auf Kundenseite nicht ausschließlich von einkaufsorientierten Menschen getroffen werden. Joachim Feher hat das bei den Medientagen mit „Schraubeneinkauf“ verglichen.



Das darf nicht der einzige Aspekt sein – der jeweilige Schraubendurchmesser und der Preis. Die Leistungen von Medien sind differenzierter – sowohl quantitativ als auch qualitativ. Das bezieht sich auch auf die Leistungen, die Agenturen erbringen. Dieses Leistungspaket muss der Auftraggeber sehen, und das wiederum erfordert eine Markt- und Branchenkenntnis, eben Fachkenntnis. Das ist das eine.



Das zweite: Wenn ein Auftraggeber schon den Eindruck hat, dass es zuviel zahlt, dann kann er das in einem partnerschaftlichen Gespräch schon klarmachen und so die Konditionen verbessern. Wenn man den Eindruck hat, dass eine Agentur strategisch nicht am richtigen Punkt ist, sie aber das Potential hat, das richtige zu tun, dann erfordert das eben ein Briefinggespräch, um wieder in die gewünschte Richtung zu kommen. Das wäre in der Regel möglich, ohne gleich einen Pitch zu machen, um zwischen mehreren Kreativ- und Mediaagenturen wählen zu können. Ein Pitch kostet ja nicht nur bei den Agenturen, sondern auch beim Kunden unheimlich viel Geld! Nach meiner Überzeugung kann eine sinnvolle Partnerschaft, die sich beständig weiterentwickelt, mehr als das ständige Wechseln von Partnern.  



HORIZONT: Letzteres scheint aber sehr á la mode zu sein…  



Graf: Naja, ersteres hat mit einer richtig verstandenen Professionalität zu tun! Wenn ich von der Branche nichts verstehe, wenn zu wenig Sachkenntnis und Verstehen darüber da ist, was Kommunikation können soll, dann reduziert sich das Kunde-Agentur-Verhältnis auf eine Website, bei der anonym Bestpreisgarantien eingetragen werden. Es ist keine Frage, dass die Konditionen passen müssen – aber das ist nicht der einzige Parameter!



Aber zum Stichwort „Mode“ – ich denke schon, dass in Zeiten einer größeren Verunsicherung solche Verkürzungen überhand nehmen. Wenn es beim Kunden gut läuft, wird er weniger in Frage stellen, was er tut.  



HORIZONT: Wieweit hat der Medienkanal „Online“ das Marktgefüge verändert?  



Graf: Online ist als Mediengattung wahrnehmbar, gar keine Frage, und hat auch eine beachtliche Größenordnung erreicht. Die Zuwachsraten, die Focus für das heurige Jahr ausweist, stimmen in der Form natürlich nicht – aber im einstelligen Bereich gibt es da sicher Wachstum. Dazu kommt der Imagefaktor des Neuen und die Behauptung, alles wäre messbar – was so auch nicht stimmt. Aus Sicht des Radios und dem Wettbewerb der Mediengattungen ist es natürlich so, dass jeder Euro, der für Online ausgegeben wird, nicht mehr für Radio ausgegeben werden kann. Aber das ist es dann auch schon.



Es gibt keine Wettbewerbsbeziehung zwischen Online und Radio als Werbemedien – eher eine komplementäre Beziehung. Radiohören ist in der Nutzung mit dem Surfen kombinierbar, was bei Zeitunglesen und Fernsehen nicht so zutrifft. Es gibt andere Mediengattungen, die in einem viel stärkeren Wettbewerb zu Online stehen – nicht nur aus der Sicht des Werbers, sondern aus Sicht des Nutzers.



HORIZONT: Klassisches Radio nutzt ja Online auch sehr intensiv…  



Graf: Alle unsere Radiostationen verfügen über Websites und nehmen dort auch Online-Werbung entgegen. Schließlich haben wir als RMS seit einem halben Jahr eine Web-Radio-Vermarktung laufen, was zusätzlich eine gewisse Verbindung der Radio- und Online-Welt herstellt.



HORIZONT: Eine andere Verbindung ist die Kooperation mit der ORF Enterprise in Sachen Gattungsmarketing – gibt es auch 2010 im Jänner Spots zum „Werbewunder Radio“…  



Graf: Wir machen diese Gattungskampagne mit der Enterprise, dem CCA und der Marx Productions als gemeinsame Initiative zum nunmehr dritten Mal. Wir sind sehr froh, dass es diese Kooperation von RMS und ORF Enterprise gibt – wir kooperieren ja auch bei Marktforschungsstudien. Das ist sehr produktiv und konstruktiv und wir schätzen, bei allem Wettbewerb, die Zusammenarbeit auf dieser Ebene sehr.



HORIZONT: 2010 wird wie?  



Graf: 2010 wird ein unverändert schwieriges Jahr werden – ich spreche da für die Medienbranche insgesamt. Aus der positiven Entwicklung, die wir jetzt im Herbst verzeichnen, darf man noch nicht auf einen Konjunkturaufschwung schließen. Denn das ist Geld, das in den Schubladen geblieben ist und jetzt ausgegeben wurde. Die Budgets sind in der ersten Jahreshälfte zurückgehalten worden und werden jetzt ausgegeben. Daraus würde ich aber noch nicht auf eine längerfristig positive Entwicklung schließen. Allerdings glaube ich, dass wir 2010 mit keinen weiteren Verlusten – im Vergleich zu 2009 - zu rechnen haben.



Für Radio und die RMS im Besonderen haben wir ein leichtes Plus budgetiert und wünschen uns, dass wir nicht nur über 2009, sondern auch über 2008 liegen werden. Aber es gibt mehrere Faktoren, die Prognosen unsicher machen: Die Kunden halten ihre Budgets zurück. Wir wissen nicht, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Und wir wissen überhaupt nicht, wie sich der Finanzmarkt, wie sich die Zinsen entwickeln werden. Also ist jede Prognose mit einer hohen Unsicherheit behaftet.



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