„Maxus UK hat das Wort ,digital´ verboten“
 

„Maxus UK hat das Wort ,digital´ verboten“

Walter Zinggl zieht nach einem Jahr als CEO der Mediaagentur Maxus Bilanz: Mit einem Billing-Wachstum von 130 Prozent im österreichischen Markt angekommen!

Langfassung des Interviews aus HORIZONT 34-2011 vom 26. August 2011.

HORIZONT: Ein gutes Jahr Walter Zinggl an der Spitze von Maxus, der jüngsten globalen Mediaagentur aus dem GroupM/WPP-Portfolio – was ist die Bilanz?

Walter Zinggl: Das wesentlichste und erste Ziel für eine Agentur in unserer Position ist natürlich: Wachstum am nationalen Markt. Das haben wir in unserer Hand. Ich glaube, diesen Job machen wir durchaus zufriedenstellend: Unsere Halbjahresbilanz 2011 zeigt ein Wachstum von 130 Prozent gegenüber der Vergleichsperiode 2010. Das ist, by all means, zufriedenstellend. Das stimmt mich, meine COO Michaela Geist, GroupM-Chef Peter Lammerhuber und auch Maxus International froh. Es gibt aber auch andere Optionen als natürliches Wachstum: Nämlich Akquisitionen, Partnerschaften, Beteiligungen… Auch unter dieser Option bin ich am 1. Juni vergangenen Jahres angetreten – allerdings immer unter dem Vorbehalt, dass Maxus ja zur GroupM gehört und die wiederum zur WPP. Das erlegt uns bei solchen Massnahmen verschärfte Spielregeln auf. Aber wir wissen: Wir können uns in diesem Feld bewegen.

In der Rückschau betrachtet hat das organische Wachstum sich schneller vollzogen, als wir geplant und gedacht haben. Für das Halbjahr 2010 haben wir nicht mehr viel angenommen, für 2011 hatten wir uns Präsentationen und Gewinne vorgenommen – und sind davon ausgegangen, dass sich das 2012 dann auch auswirkt. Das ging etwas schneller, und wir haben auch etwas Glück dabei gehabt: Bereits 2010 konnten wir ein paar Etats gewinnen, die sich bereits 2011 kapitalisieren und wir sind 2011, ich würde einmal sagen, gut unterwegs, was das Jahr 2012 betrifft.

HORIZONT: Wie sieht die Kundenstruktur – nationale und internationale – der Maxus aus?

Zinggl: Im Moment ist der Anteil bedingt durch unseren internationalen Kunden Fiat noch relativ hoch, nämlich 48 Prozent. Wobei Fiat de facto – noch – der einzige internationale Kunde ist, den wir haben. Noch, da wird sich mutmasslich demnächst etwas verändern… .

Es ist uns mit Wirksamkeit für 2011 gelungen, den Anteil von nationalen Kunden, der im Jahr 2010 bei meinem Antritt so bei 25 Prozent gelegen ist, auf nunmehr 52 Prozent zu heben. Wir können heute mit Fug und Recht sagen, dass die Mehrheit der Billings, die wir als Maxus am österreichischen Markt platzieren, wir aus eigener Kraft gewonnen haben. Das ist auch so eine Masszahl innerhalb des Netzwerks, die wir jetzt erfüllt haben. Das ist zwar kein primäres Ziel, aber mein Netzwerk-Chef Kelly Clark hatte schon die Erwartung, dass die Maxus Österreich im Jahr 2012 zumindest einen 50-zu-50 Anteil nationale und internationale Billings haben sollte.

HORIZONT: Wie sieht die aktuelle Kundenliste aus?

Zinggl: Wir hatten 2010 neben Fiat als internationalem Etat national den Fachverband der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen FGW, Recheis und S.Oliver und Hermes. Mit 2011 betreuen wir Pfizer, nicht nur in Österrreich sondern auch als Koordinatoren für fünf weitere Märkte im Osten, den Pay-TV-Anbieter Austria SAT, Weber-Grill, Griesson-de Beukelaer – das ist ein sehr schöner Kunde, der eine ganze Reihe von Produkten über die klassische Prinzenrolle hinaus in der Pipeline hat, den Spielehersteller Ubisoft, der vom Volumen her zwar noch überschaubar ist, aber für mein Team extrem wichtig ist. Wir betreuen da 15 bis 20 Spieleeinführungen pro Jahr mitMini-Budgets im Bereich– aber was die Herausforderung darstellt ist, dass jedes Spiel buchstäblich eine andere Zielgruppe hat. Von den Schlümpfen bis Assassins Creed, und dazwischen die „Anno“-Geschichten von 1503 bis zum im Herbst gelaunchten 2070 – das ist einfach grossartig. 2070 wird allerdings keine herkömmliche Wirtschaftssimulation sein, sondern hat das Thema der Nachhaltigkeit beim wirtschaften im Fokus. Weiter in der Kundenliste: Für Baxter machen wir die FMSE vulgo Zecken-Kampagne und zwei Kunden, die letztes Jahr werbeabstinent waren, sind heuer wieder zurückgekommen: die Deutsche Bank und die Investmentplattform CMC.

HORIZONT: Die neuen Kunden waren allesamt Pitches?

Zinggl:
Sowohl als auch, Pitches als auch Neugeschäftsanstrengungen, die ohne Pitch zum Erfolg geführt haben.

HORIZONT: Tut sich bei der Akquise ein Mediaagentur-Geschäftsführer, der immerhin sieben Jahr am Thron der ORF-Enterprise, dem größten elektronischen Vermarkter Österreichs, saß, eigentlich leichter?

Zinggl:
Lassen wir die Kirche im Dorf. Auch bei der Enterprise habe ich immer gesagt, dass ich ein Leben davor hatte und eines danach haben werde. Ich bin mittlerweile 31 Jahre im Kommunikations- und Werbegeschäft tätig, das sind die sieben Jahre Enterprise nur ein Abschnitt. Vielleicht tue ich mir mit dieser Erfahrung bei der einen oder anderen Fragestellung, was das Verstehen von Kundenbedürfnissen betrifft, etwas leichter.

HORIZONT: Eines der Positionierungsmerkmale von Maxus nennt sich „die digitale Welt im genetischen Code“…

Zinggl:
Ich will und kann keinen Vergleich zu anderen Mediaagenturen ziehen. Aber ich höre von unseren Kunden, und die vergleichen mitunter, dass sie über unseren prinzipiellen Ansatz, dass es nur mehr Kanäle gibt, denn doch auch als überraschend wahrnehmen. Ich höre, dass es nach wie vor eher üblich ist, offline zu besprechen und dann online und dann Social als eigenes Thema zu behandeln. Wir als Maxus, und das entspricht unserem Verständnis, sprechen grundsätzlich von Kanälen. Was trotz alledem sein kann, dass wir dennoch bei einer TV-Kampagne landen – das hängt dann meistens mit dem Kunden, seinem Produkt, seiner Entwicklung ab.

Der Knackpunkt in den Gesprächen mit Kunden über das Web 2.0 vulgo „Social“ ist ja nicht, die Möglichkeiten und Chancen verständlich zu machen. Sondern dass es für ein Unternehmen, einen Werbungtreibenden, unseren Kunden, wenn es diesen Weg betritt, bedeutet, zu investieren. Und zwar bei sich, in seinem Unternehmen. Wir reden hier über einen Bereich, den man nicht auslagern kann. In dem Moment, wo sich ein Unternehmen im Web 2.0 oder Social Media bewegt, ist es eine Notwendigkeit, zumindest einen, ich sag´ einmal „Dreiviertel“-Mitarbeiter zu haben, der nichts anderes tut. Und das nach dem Prinzip 24-7-52… auch wenn der auf Urlaub ist: Web 2.0 dreht sich weiter, sorry! Da kann ich einem Kunden durchaus folgen, wenn der mir sagt: „Ich will das nicht“ oder „Ich bin noch nicht soweit.“

Dann ist es wirklich vernünftiger, g´scheiter und effizienter, digital als Werbe-Kanal zu nutzen und nicht eine brachliegende Community zu vergrämen.

HORIZONT: Nun wird „digital“ auch als Option gesehen, den Konsumenten zu integrieren, ihn an der Marke und am Produkt sozusagen mitwirken zu lassen…

Zinggl:
Naja. Kommunikation nach meinem Verständnis beginnt immer mit der Zielgruppendefinition. Zuerst einmal muss ich wissen, mit wem ich kommunizieren will. Je nach der Befindlichkeit der Zielgruppe muss ich gestalten, Botschaften formulieren, Codes einsetzen. Beim WU-Professor Günter Schweiger hab´ ich, lang ist es her, aber es gilt nach wie vor, gelernt: „Alle sind keine Zielgruppe“. Wenn das die Basis ist dann gilt: Je konkreter ich mein Angebot formuliere, je präziser ich bestimmte Gruppen anspreche – meinetwegen auch mit ihnen spreche – desto besser wird Kommunikation funktionieren. Je größer und weiter die Zielgruppe gefasst ist, desto unpräziser und schlechter wird Kommunikation – schau Dir nur die Wahlwerbung an. Da sind die Zielgruppen so weit gefasst, dass immer nur „no-na“-Sager herauskommen. Ausnahme die von mir gar nicht geschätzte FPÖ: Aus Kommunikationssicht machen die die geschicktesten Anzeigen und Plakate. Weil sie sich an eine ganz bestimmte Gruppe richten, ob´s Dir gefällt oder nicht.

Heisst aber auch in der Umkehrung: Jeremy Bulmore war bei JWT in den 90ern Worldwide Creative Director und hat sinngemäß gesagt: Unser Job ist es, die Ästchen und Halme bereitzulegen, aus denen sich der Konsument seine Marke baut…

HORIZONT: (begreift das Bildangebot nicht)

Zinggl: …um sich daraus ein Nest zu bauen! Ein Produkt entsteht in einer Fabrik, eine Marke im Kopf des Konsumenten. Aber dieser Definition folgend, auch in Zeiten von Web 2.0, ist es die Verantwortung des Werbungtreibenden und der von ihm beauftragten Agenturen, die Ästchen und Halme auszusuchen, die bereitgelegt werden. Jeder der glaubt, dass sich eine Marke von selber baut, hat aus meiner Sicht keine Ahnung von Markentechnik.

Der Konsument hat andere Dinge zu tun, als sich Marken oder Produkte zu bauen. Nein, die Verantwortung des Markenbaus darf und kann kein Werbungtreibender abgeben.

HORIZONT: Bleibt dennoch Digital als komplexe Herausforderung…


Zinggl:
Nein, nicht ganz so. Das Management von Maxus UK hat ihren Beratern die Verwendung des Begriffs „digital“ verboten. Weil es darauf nicht ankommt. Es kommt auf die Werbe- und Kommunikationsidee an, das Verstehen der Zielgruppe und die Zielsetzung – dann fallen die Kanäle logisch runter!

Es ist eine Selbstverständlichkeit, alle Kanäle, die zum Konsumenten führen, zu evaluieren, auf Basis der Aufgabenstellung und der Zielgruppenbefindlichkeiten die bestgeeigneten zu identifizieren und zu bespielen. Digital ist in unserer Denke eine Selbstverständlichkeit mehr, so wie TV. Oder Print. Es ist und bleibt doch ganz simpel: Was immer für ein Kommunikationskanal die Zielgruppe erreicht, wird auf Basis des Briefings des Kunden und der Zielsetzung evaluiert.

Es ist wie bei Aschenputtel: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.

HORIZONT: Wieweit kommt know-how aus der internationalen Maxus Welt zum Tragen?

Zinggl: Wir sind ja ein sehr junges Netzwerk, das sich in einer rasanten Entwicklung befindet. Heisst: Da ist noch wenig vorgegeben, sehr viel offen. Wir reden einfach sehr viel miteinander, grenzüberschreitend. Und natürlich lernen wir an und mit unseren Kunden – wenn man einen globalen Etat wie Fiat an Bord hat, ist das schon ein Fundus an Anstößen und Fragestellungen… .

HORIZONT: Wie entwickelt sich die Werbekonjunktur aus Sicht – für das zweite Halbjahr deutet sich eine Verlangsamung, wenn nicht sogar Abschwächung des Wachstums an?

Zinggl: Naja, wenn es im ersten Halbjahr 2011 ein Medium gegeben hat, das Probleme hatte – na, dann muss dieses Medium wirklich etwas ganz falsch machen! Wir hatten einen gewissen Rückstau aus 2009 und 2010 – Produkte wurden nicht eingeführt, Line-Extensions wurden nicht gemacht, Budgets sind zurückgeschraubt worden oder überhaupt gegen Null gestellt worden. Das erklärt für mich das starke erste Halbjahr 2011. Wir als Maxus – wobei unsere Basis sehr überschaubar ist – spüren im Moment überhaupt nichts von einer Stimmungsänderung für das zweite Halbjahr.

Bei allen unseren Kunden haben wir sogar Budgetsteigerungen, mit einer Ausnahme – und das hat in diesem Fall mit den gestiegenen Rohstoffpreisen zu tun.

HORIZONT: Zuletzt: Der ORF hat einen neuen, alten Generaldirektor…was wünscht sich eine Mediaagentur für die nächsten fünf Jahre?

Zinggl:
Prinzipiell ist einmal zu sagen, dass im ORF der Generaldirektor bestellt wurde, der schon auf Grund der Fülle der „Herausforderungen“ für das Unternehmen wenig - mit Ausnahme von Auftritten auf Events – Wünsche einer Agentur erfüllen kann. Die GD-Bestellung ist das, was die Politik entscheidet.

Bei seinem Auftritt bei der IAA kurz vor der Wahl hat der aktive und nunmehr wiedergewählte Generaldirektor davon gesprochen, sich ein paar Werbeminuten mehr oder weniger zu wünschen beziehungsweise zu fordern. Thomas Kralinger von der Mediaprint/“Kurier“ hat ihm dazu geantwortet „Über weniger kann man immer reden“.

HORIZONT: Das ist wohl eindeutig die Verleger-Position.

Zinggl: Das meine ich auch mit Politik, diesfalls Medienpolitik: Alles was Medienpolitik in Österreich betrifft, ist letztlich ein Konsens zwischen VÖZ, VÖP und dem ORF.

Wrabetz´ Wunsch nach mehr Werbeminuten würde ich eher als eine Ansage einordnen, um Spielgeld in die Hand zu bekommen: Wrabetz weiß, dass die Verleger und die Privaten TV-Sender ihm Werbezeit wegnehmen wollen – er wird also großzügig auf eine Erweiterung verzichten. Was bringt ihm denn die Minute beim Frühstücksfernsehen? Wenn das Frühstücksprogramm gut gemacht ist verbietet ihm niemand, Werbeminuten aus dem Nachmittag oder Vorabend zu verlagern und teurer anzubieten. Wenn das Programm entsprechende Leistung bringt.

Wir kaufen ja keine Sekunden ein, sondern Kontakte von Zielgruppen, die uns das Programm liefert.

Aber noch einmal: Solange es keinen medienpolitischen Gestaltungswillen gibt seitens der Politik und die sich nur zurücklehnt und abwartet, was der Konsens der Gruppierungen ist, kommen eben so Blödheiten heraus wie die inhaltlichen und zeitlichen Werbebeschränkungen für Printmedien.
Das ist ein bisschen Kafka und Kakanien in einem.

HORIZONT: Nochmal: Wunsch an den ORF, Ära Wrabetz II?


Zinggl: Für die Werbewirtschaft wesentlich bedeutender sind die Positionen des kaufmännischen Direktors und der ORF-Enterprise-Geschäftsführerung und wie sie im Markt agieren. Da gehe ich mit heutiger Kenntnis zwei Wochen nach der Wrabetz-Wahl davon aus, dass es keine Veränderungen geben wird.

Aber eine Anmerkung zur Enterprise muss schon sein: Wenn man schon von „Trimedialität“ spricht, so ist es völlig unverständlich, dass man in drei unterschiedlichen Vereinbarungssystemen diese Trimedialität vermarktet. Im TV gibt es keine Cash-Rabatte mehr – Online werden sie erst recht eingeführt, im Radio gibt es beides.

Stichwort Online: Über die Regelungen für orf.at sollte eine breitere Diskussion als bisher stattfinden! Auf gut wienerisch gesagt: Die unter sanfter Mithilfe des Verlegerverbandes entstandene „Einigung vulgo Krot“ müssen nun der ORF und seine Finanzierer, die Werbewirtschaft schlucken – niemand kann nachvollziehen, warum der Online-Werbeumsatz ein Prozentsatz der Gebühreneinnahmen ist. Da gibt es keine immanente Logik – zum Schaden eigentlich aller.
Wie schon gesagt: Kafka und Kakanien!
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