14. Radio Research Day des Audiovermarkters RMS-Austria mit Richard David Precht, Georg Gartlgruber, Dietmar Dahmen, Doris Ragetté und Oliver Ratschka
"2013 ist ein Jubiläumsjahr. Heuer vor 15 Jahren startete Privatradio flächendeckend in ganz Österreich", rekapituliert Gastgeber Michael Graf, Geschäftsführer der RMS-Austria, den historischen Augenblick in der Nacht vom 31. März auf den 1. April 1998 - punkt Mitternacht läuteten damals die neuen Privaten mit einem Countdown die neue Ära ein. Graf im Namen der Privaten (die RMS vermarktet alle werbungtragenden Privatradios in Österreich, die im Radiotest erhoben und ausgewiesen sind):
"Wir können auf das Erreichte sehr stolz sein. Als Dank an alle, die diesen Erfolg ermöglicht haben - unsere Senderpartner, vor allem aber unsere Kunden und Agenturen - und auch als Geburtstagsgeschenk für uns selbst, haben wir heuer ein ganz besonderes Programm mit außergewöhnlichen Referenten zusammengestellt."
Die nachstehend zusammengefassten Referate stehen auf der RMS-Austria-Homepage zum "Nachhören" - mit einer Ausnahme, die hier ausführlicher gewürdigt sei: Philosoph Richard David Precht gab seine Rede "Die Philosophie der Marke - Die Marke als Wertersatz, Vertrauens- und Sinnstifter" nicht frei.
Das "Gruppenexperiment" von Nielsen/Ratschka und Ragetté/RMS gibt´s als Download via The Media-Consultants-Workshop. Werte. Werbung. Wirkung. Bereits seit 2000 veranstaltet der Privatradiovermarkter den "Radio Research Day" im Frühjahr - zur 14ten Auflage des Stelldicheins der privaten Radiobetreiber, Agenturen und Kunden hatte Content Managerin Doris Ragetté, Prokuristin und Researcherin bei der RMS, ein vor zehn Jahren mit dem Philosophen Peter Sloterdijk gesetztes Thema wieder aufgenommen: Im Jahr 2003 fragte Sloterdijk als Key-Note-Speaker noch nach "Die Marke als Wert, Werteersatz oder Gottersatz?" - Anno 2013 kann Richard David Precht ("Wer bin ich und wenn ja wie viele?") in einem mitreissenden Referat souverän herleiten: "Die Marke als Wertersatz, Vertrauens- und Sinnstifter".
Precht holt weit aus, wenn er sich zu Anfang seiner 40minütigen frei gesprochenen Key-Note "zuerst mit einigen grundsätzlichen Dingen über den Menschen" beschäftigt: Grundsätzlich hat der Mensch ein Bedürfnis nach Werten beziehungsweise Orientierung, Werte jedoch unterliegen mit der Gesellschaft einem Wandel und somit auch der Umgang mit Werten. Nach der hierarchischen Ordnung qua sozialem Rang und Position und deren Auflösung durch die Geldwirtschaft, einem großen "Gleichmacher", was Werte angeht, übernehmen Marken auf dem großen Markt Orientierungs- und Ankerfunktion. Orientierung als "So will ich sein", Anker als "da gehöre ich dazu".
Im Prinzip seien "Werte" wie das empfinden für Schönheit, Loyalität seiner Gruppe gegenüber oder das Gebot, nicht zu stehlen, universell, unterstreicht Precht - "die Unterschiede bestehen in der Interpretation". Und den Rahmenbedingungen: Noch die Generation der Großeltern vor nicht einmal 100 Jahren ist in ein relativ starres und vorgegebenes Wertesystem hineingeboren, erinnert Precht - "das hat sich absolut verändert: Es ist heute selbstverständlich, dass nichts selbstverständlich ist!"
Doch die wachsende Zahl von alternativen Möglichkeiten schaffe wiederum neue Probleme - hatten die Großeltern "keine Wahl", so haben die Urenkel das Luxusthema "wählen und entscheiden müssen" - denn es gibt keine Null-Option, weiss Precht. Der Forderung nach "psychischer und materieller Individuation" versucht der Mensch, erläutert Precht, mit ökonomisch-effizientem Denken, dem Einsatz der instrumentellen Vernunft als "Kosten-Nutzen-Kalkül", als "Was ist einzusetzen, um den größten Vorteil zu bringen?", gerecht zu werden.
Der globale Siegeszug der Marktwirtschaft seit 1989 habe die Reste bestehender Normen weggefegt - " es gibt keine Räume mehr ausserhalb der Marktnorm". Geblieben ist jedoch das zentrale Bedürfnis der Menschen nach Anerkennung und Orientierung. "Innerhalb der Marktnorm ist so eine Welt entstanden, die Vertrauen und Orientierung bündelt", beschreibt Precht: "Marken bündeln Lebensgefühle", sagt Precht, und: "Marken sind Ausdruck von Identität". Sie seien mittlerweile sogar "Teil von Persönlichkeit und Identität - Marken schaffen Territorien, die die bedrohte soziale Kompetenz ersetzen". Deshalb sei es wenig verwunderlich, wenn an Marken die direkte Forderung, "gut zu sein, nicht lügen zu dürfen" gestellt werde - eine Forderung, die nur stellen könne, wer glaube, Teil eines (Marken-) Versprechens zu sein", analysiert Precht.
Und überlegt, am Beispiel der Kosmetik: Keine Frau glaube, dass die Creme sie tatsächlich jünger mache - aber sie hängt der Illusion nach, Teil eines Versprechens zu sein". Diese Forderung nach Transparenz und Moralität in der Markenkommunikation - "Moralität ist ein Teil dessen, wie man sich selbst in der Marke begegnen will" - werden die Herstellerindustrie und die Werbewirtschaft, meint Precht, noch ungeahnt herausfordern. Donnernder Applaus.
Der Vorgabe von Precht, differenziert ein Thema abzuhandeln, wurden Georg Gartlgruber (Carat/Aegis Media Austria), ein fulminanter Dietmar Dahmen und Doris Ragetté im Duett mit Oliver Ratschka, Nielsen Österreich, auf stupende Weise gerecht: Jeder Referent nahm einen der Gedanken von Precht auf; Ratschka gelang sogar das Kunststück, eine eher "trockene" Fallstudie mit Precht-Zitaten aufzupeppen.
Radio Top Model Die
CCS-Studie von Aegis Media wurde von HORIZONT schon mehrfach thematisiert - Gerog Gartlgruber nutzte den RRD, die "Consumer Connectivity Study" unter dem Gesichtspunkt Media-Mix-Entscheidungen vorzustellen: Um cross-media-Kampagnen optimieren zu können, braucht es "konvergente Tools", demonstriert Gartlguber: An drei Beispielen - zweimal TV und Radio, einmal Radio und Online ergibt sich aus Kumulationswerten der beiden Werbeträger eine optimierte Ausschöpfung der Zielgruppe (bei der Kombi TV und Radio im Media-Verhältnis 80 zu 20 und im Online und Radio-Beispiel sogar 80 zu 20 für das Radio als Leitmedium). Audiofile
hier.
Radio macht ,Werbumm' Der von Ragetté als "Derwisch der Kreativszene" benannte
Dietmar Dahmen wurde seinem Ruf als provozierender Analyst vollauf gerecht: "Wollen Sie Täter oder Opfer sein?" fragt Dahmen und zeigt Maschinenpistolenträger als Täter - und einen Sarg für das Opfer, "das kommt ins Loch!". "Nowism" ist das (Werbe-) Credo von Dahmen - "alles wird schneller alt". 200.000 Produkte hätte der US-Retailer WalMart gelistet - "unser aktiver Wortschatz hat aber nur 6000 Worte". Das verdichtet den emotionalen Faktor bei Kaufentscheidungen - und der wird vor allem durch (Werbe-) und Markenbotschaften beeinflusst.
"Hören ist der älteste und wirksamste Sinn des Menschen", erläutert Dahmen - mit dem Radio lasse sich die "emotionale Differenz einer Marke, der gefühlte Wert", verankern. "Unter 500 Pferden bleibt das einzige Zebra in Erinnerung", malt Dahmen ein Bild: "Machen Sie akustische Zebra-Werbung" fordert der Kreative, "schaffen Sie Relevanz, eine ,Now'-effekt - werden Sie Täter, riskieren Sie was!" Absolut hörenswerte Performance
hier.
Bestätigung der impliziten Wirkung von Radio Doris Ragetté, Prokuristin und Researcherin beim Audiovermarkter RMS-Austria und Oliver Ratschka,
A.C.Nielsen Österreich, präsentierten eine Versuchsanordnung zur impliziten Werbewirkung von Radio:
Drei Testgruppen werden zur Lösung zweier Aufgabenstellungen gebeten - einmal ein Puzzle fertigstellen, einmal einen Text korrigieren, beides unter Zeitvorgabe. Eine Gruppe sitzt nur vor dem Bildschirm, der zweiten Gruppe wird am Bildschirm Bannerwerbung eingespielt und die dritte Gruppe ist während der Lösung der Aufgabe mit Bannerwerbung und Radio im Hintergrund konfrontiert (Musik, Werbeintro und Radiospots).
Eindeutiges Ergebnis: Eine Marke wie "ja, natürlich", die bereits eine Markenbekanntheit von 94 Prozent aufweist, wird nach Konfrontation mit Bannerwerbung während der Aufgabenlösung ungestützt von 14 Prozent erinnert, in Kombination mit einem Radiospot von 49 Prozent.
Ragetté: "Radio aktiviert die implizite Brand Awareness auch dann, wenn der Kontakt unter Ablenkungsbedingungen stattfindet!" Dietmar Dahmen hatte es zuvor schon so ausgedrückt: "Hören ist der älteste und wirksamste Sinn des Menschen" - mit dem Radio lasse sich die "emotionale Differenz einer Marke, der gefühlte Wert" verankern. Audiofile
hier , Präsentation zum Download
hier .
Zu den Gewinnern des 8. RMS Radio Award siehe bitte
hier für die Sieger und
hier für die Bildergalerie.
Anmerkung: Die
Präsentationsspots im Stil von "Was bin ich" sind wirklich sehenswert!!!