UPDATE: Gewerkschaft weist Privilegien-Vorwurf zurück - Verleger begründen die Kündigung des Kollektivvertrags - Abschluss bis Jahresende erhofft
Der KV ist tot, lange lebe der KV: Ein solcher Befund böte sich nach dem nun schon mehr als dreieinhalb Jahre langen und bisher ergebnislosen Verhandlungsmarathon von Verlegern und Gewerkschaft um das Regelwerk für die Bezahlung von Journalisten an. Vorläufig letzter Höhepunkt in dem Drama war die Ende September bekanntgegebene
Aufkündigung des Kollektivvertrages per Jahresende durch den Verband Östererreichischer Zeitungen. (Die Gewerkschaft reagierte mit Streiktdrohungen,
HORIZONT online berichtete.)
Argumente gegen alten KV, neu vorgelegt Am Mittwoch hat der VÖZ ein Argumentationspapier vorgelegt, das noch einmal wortreich nachvollziehbar machen soll, wie es zu diesem Schritt kam und wieso ein neuer Kollektivvertrag notwendig sei. In dem
auf der Website veröffentlichten und per Aussendung verbreiteten Schreiben ist unter anderem von einem "Mondfenster" die Rede, das man genutzt habe: Sonst hätte die nächste Kündigungsfrist erst im Herbst 2013 bestanden. Außerdem habe die Arbeitgeberseite diese Entscheidung "beim besten Willen" nicht leichtfertig getroffen, schließlich habe es in den vergangenen dreieinhalb Jahren 31 Verhandlungsrunden gemeinsam mit dem Sozialpartner zu jeweils mehr als sechs Stunden gegeben. Ein Abschluss bis Jahresende sei aber "aus unserer Sicht in greifbarer Nähe", ließ sich VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger zitieren. Journalistengewerkschafter Franz C. Bauer habe dies ja Anfang September auch für denkbar gehalten. Dieser hatte vor Bekanntwerden der KV-Aufkündigung in einem Interview mit der APA recht optimistisch in die Zukunft geblickt.
"Anachronistische Privilegien", Jüngere benachteiligt
Einmal mehr betonten die Verleger, der geltende KV sei "nicht mehr zeitgemäß und leistbar". Die Privilegien müssten abgeschafft werden: "Fünfzehn statt der sonst üblichen vierzehn Monatsgehälter, Kündigungsfristen von bis zu einem Jahr, Urlaubsansprüche von knapp sieben Wochen und diverse kostenintensive Zulagen unter anderem für Bildschirmarbeit", sind für Grünberger "anachronistische Privilegien" und "stammen aus einer goldenen Zeit des Printjournalismus, weit vor Rundfunkmarktliberalisierung und der Erfindung des Internets" gelegen sei. Das habe zur Folge, dass Neuanstellungen aus Kostengründen vermieden werden müssten. "Junge Journalisten finden daher einen Arbeitsmarkt vor, auf dem bereits länger tätige Kollegen unter Bedingungen arbeiten, die den Jungen nicht mehr angeboten werden können", unterstreicht der VÖZ-Geschäftsführer.
Stichwort Generationengerechtigkeit: "Angestellte Journalisten verdienen im Schnitt über 70.000 Euro brutto jährlich, während jüngere Kollegen in den Online-Redaktionen, die nicht den kollektivvertraglichen Bestimmungen unterliegen, deutlich weniger bekommen", argumentiert Grünberger. "Der neue Kollektivvertrag kann die Unterschiede zwischen Jung und Alt zwar nicht vollständig beseitigen, leistet aber einen substantiellen Beitrag zur Lohngerechtigkeit".
"Werbemarkt eingebrochen" Der Journalistengewerkschaft wirft er einmal mehr vor, die Wirtschaftslage der Printmedien vollkommen zu negieren. "Während sie mit uns in den vergangenen Jahren stattliche Tariferhöhungen jenseits der Inflationsrate ausgehandelt hat und gleichzeitig keinen Zentimeter von ihren KV-Privilegien abgerückt ist, ist in Österreich – wie in ganz Europa – der Werbemarkt eingebrochen und die Zeitungsleser werden stetig weniger", erklärte er. "Dabei ist es richtig, dass es der Zeitungsnation Österreich deutlich besser geht als Zeitungen und Magazinen in anderen Ländern, wie in den USA oder Spanien. Trotzdem wächst in der heimischen Printmedienbranche nichts so zuverlässig wie die Lohnkosten, während die Einnahmen stagnieren oder zurückgehen".
Auf die Warnung der Journalisten-Gewerkschaft, die Kündigung des Journalisten-Kollektivvertrages würde eine Gefährdung einer "demokratierelevanten Säule" darstellen, hat der VÖZ-Geschäftsführer ebenfalls ein Gegenargument parat: "Pressefreiheit ist eine wertvolle Errungenschaft, für die es sich zu kämpfen lohnt. Dieses Gut jedoch für die Beibehaltung von Privilegien zu instrumentalisieren, lehne ich entschieden ab. 15 Monatsgehälter sind nicht demokratie- oder qualitätsrelevant."
UPDATE: Gewerkschaft weist Privilegien-Vorwurf zurück Die Journalistengewerkschaft hat sich am Mittwoch gegen die Vorwürfe der Verleger hinsichtlich angeblicher Journalistenprivilegien zur Wehr gesetzt. Dass etwa die 15 Monatsgehälter ein "Privileg" seien, will Franz C. Bauer, Vorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp, nicht gelten lassen. Ausschlaggebend sei das Jahreseinkommen und dies liege bereits im aktuellen Kollektivvertrag unter jenen der Kollegen im umliegenden deutschsprachigen Raum, argumentierte Bauer gegenüber der APA. Würden die Einstiegsgehälter bei mehr als 3.000 Euro liegen, wie etwa in Deutschland, würde man einen solchen Vertrag "gleich unterschreiben". Haltlos ist aus Sicht der Gewerkschaft auch der Vorwurf angeblich zu langer Urlaube. "Wir beobachten in den Redaktionen Wochenarbeitszeiten, die 50 Stunden teils massiv übersteigen. Brüche von Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz in den Redaktionen sind an der Tagesordnung", so Bauer. Der Urlaub sei daher immer auch als Kompensation für die vermehrte, für den Journalistenberuf typische Arbeitsbelastung zu sehen. Den aktuellen Kündigungsschutz sieht Bauer wiederum als unverzichtbares und "wesentliches Element der inneren Pressefreiheit". Wer nicht vorhabe zu kündigen, den koste der Kündigungsschutz auch keinen Cent. Dem Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) habe laut Bauer im Rahmen der KV-Verhandlungen ursprünglich eine 14-tägige Kündigungsmöglichkeit vorgeschwebt. "Bei derart unsinnigen Forderungen muss sich niemand wundern, dass wir einige Jahre brauchen, um die Verleger zur Vernunft zu bringen."