'Kurier' feiert 60. Geburtstag
 

'Kurier' feiert 60. Geburtstag

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Zum Jubiläum gibt's einen Tag der offenen Tür in den neuen Redaktionsräumlichkeiten

Zum 50er gab es einen Festakt im Wiener Konzerthaus, den 60er feiert der "Kurier" mit einem Tag der offenen Tür in den neuen Redaktionsräumlichkeiten: Am 18. Oktober 1954 war die Tageszeitung als der "Neue Kurier" erstmals erschienen. Dem Jubiläum widmet man sich seit einigen Wochen auch mit einem ausführlichen Blick zurück, der die eigene Geschichte ebenso beleuchtet wie die österreichische.

Immerhin begleitet der "Kurier" das gesellschaftliche und politische Geschehen nun seit sechs Jahrzehnten. Der Start war noch geprägt von einer Medienlandschaft, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Umbruch befand. Der "Neue Kurier" trat die Nachfolge des "Wiener Kurier" an, der vom amerikanischen Informationsdienst ab August 1945 herausgegeben worden war. Als dieser eingestellt werden sollte, nahm der Industrielle Ludwig Polsterer Verhandlungen mit den amerikanischen Behörden auf. Unter der Zusage, die demokratische Linie des Blattes beizubehalten, stimmten sie der Übergabe in österreichische Hände zu.

Gründungschefredakteur war Hans Dichand, der sich Hugo Portisch als Stellvertreter an seine Seite holte. Zu jener Zeit erschien der "Kurier" zweimal täglich, mit einer Morgen- und Mittagsausgabe. Turbulent gestalteten sich die Zeiten nach Dichands Abgang: Als dieser 1958 die "Kronen Zeitung" gründete, entwickelte sich mit dem gut etablierten "Kurier" ein ausgewachsener "Zeitungskrieg".

Der Medienwissenschafter Fritz Hausjell beschrieb in der aktuellen "Kurier"-Serie zum 60. Geburtstag der Tageszeitung deren Bedeutung vor dem historischen Hintergrund der Anfangsjahre: "Ob Neutralität oder Nazi-Vergangenheit, die neue Zeitung mit ihren jungen Blattmachern bezog Stellung. Das war damals unüblich." Und: "Man praktizierte einen gemäßigten Boulevard-Journalismus."

Unter Portisch als Chefredakteur spielte der "Kurier" in den 60er Jahren schließlich eine maßgebliche Rolle beim Rundfunkvolksbegehren, dessen Startschuss sich dieser Tage zum 50. Mal jährte. In der Folge beteiligten sich dutzende Zeitungen an der Initiative, die Portisch als "gewaltigen Schulterschluss" bezeichnete und in mehr als 830.000 Unterschriften resultierte. Nach in Kraft treten des neuen ORF-Gesetzes wechselte Portisch schließlich zum öffentlich-rechtlichen Sender, sein Nachfolger wurde Eberhard Strohal.

Der "Blaue Kurier"

Der "Kurier", der Anfang der 70er-Jahre an eine Industriellengruppe verkauft wurde, stellte zu dieser Zeit auch seine Mittagsausgabe, den sogenannten "Blauen Kurier", ein. In diesem Jahrzehnt gab es zudem ein recht intensives Kommen und Gehen in der Chefredaktion: Hubert Feichtlbauer folgte auf Strohal und wurde wiederum von Kurzzeit-Chef Gerd Bacher (12. Oktober 1975 bis 4. November 1975) abgelöst. Daraufhin leitete Kulturkritiker Karl Löbl die Zeitung bis Anfang 1979.

Er übergab die Chefredaktion dann an Gerd Leitgeb. Anfang 1986 folgte Günther Wessig, Mitte 1988 Franz Ferdinand Wolf. 1993 wurde Peter Rabl Chefredakteur und Herausgeber, was er bis 2005 blieb. In einer Übergangsphase fungierte der langjährige Innenpolitik-Ressortleiter Christoph Kotanko ab 1. November 2003 als geschäftsführender Chefredakteur und übernahm nach dem Ausscheiden Rabls die Chefredaktion. Auf ihn folgte schließlich mit 1. August 2010 Helmut Brandstätter, der seit 2013 auch Herausgeber ist.

Die 80er-Jahre brachten erstmals Farbe in den "Kurier", und ab Juli 1988 wurde die Zeitung komplett elektronisch hergestellt. Wesentliche Weichenstellung war ebenfalls im Jahr 1988 der Einstieg der WAZ-Gruppe (heute Funke Mediengruppe) beim "Kurier". Der deutsche Konzern war seit 1987 bereits bei der "Kronen Zeitung" an Bord. Resultat dieser Zeitungsehe war die Mediaprint als gemeinsame Produktions- und Vertriebstochter der beiden Zeitungen. Seit 1992 hält die Raiffeisen-Gruppe die Mehrheit am "Kurier".

Die 90er und danach

Seit den 90er Jahren wurde der "Kurier" nach dem Konzept einer "breiten Qualitätszeitung" und als aktuelles "Tagesmagazin" stetig weiterentwickelt. Nach Rabls Antritt im Jahr 1993 erhielt das Blatt etwa ein neues Erscheinungsbild, wobei auch das alte Logo (ein rotes "K") in Pension geschickt wurde. 2001 wurde das Layout ein weiteres Mal erneuert, und diese Prozesse setzen sich mittlerweile im digitalen Bereich fort. Der "Kurier" erhielt in den vergangenen Jahren mehrfach den European Newspaper Award und wurde heuer auch mit einem European Digital Media Award prämiert.

Im April 2014 erfolgte auch die Übersiedelung der Redaktion von der Lindengasse in Wien-Neubau in die direkte Nachbarschaft der Mediaprint-Schwester "Kronen Zeitung". Eine gemeinsame Adresse muss man sich in Wien-Heiligenstadt deshalb aber nicht teilen: Seit Anfang September residiert man am neu benannten Leopold-Ungar-Platz 1. Ein wesentliches Asset des neuen Standorts ist die stärkere Verschränkung von Print und Digital, wie Brandstätter im Vorfeld mehrfach betont hat. "Alle Ressorts beliefern unsere verschiedenen publizistischen Plattformen, von den Social Media bis zur Tageszeitung. Wir entscheiden, wann wir welche journalistischen Inhalte in welchem Medienkanal publizieren."

Im Vorjahr erzielte der "Kurier" laut Media-Analyse eine Reichweite von 7,6 Prozent, die Druckauflage lag laut ÖAK im ersten Halbjahr 2014 bei 186.865 Exemplaren, wovon 145.788 Stück verkauft wurden.

Einblick am 17. Oktober möglich

Zum Tag der offenen Tür am 17. Oktober begrüßen Herausgeber Helmut Brandstätter und Geschäftsführer Thomas Kralinger neben ehemaligen "Kurier"-Chefredakteuren auch Bundespräsident Heinz Fischer und Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Alle 20 Minuten gibt es Gelegenheit, in Kleingruppe an einer Führung durch die Redaktion teilzunehmen. Die Veranstaltung, die ebenfalls Lesungen von "Kurier"-Autoren sowie einen Auftritt von Kabarettist Michael Niavarani beinhalten wird, ist auch per Livestream im Internet zu verfolgen.
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