Tag des Qualitätsjournalismus: "Was sagen die Eigentümer in Hamburg dazu, wenn die Rendite nicht hoch genug ist?"
Nicht nur die Einflussnahme und Erpressung via politischem Hebel oder Inseratenentzug ist eine Gefahr für den unabhängigen Journalismus, auch ein anderer Faktor hat die heimische Medienlandschaft sehr konkret im Griff: Der ökonomische Druck ist mittlerweile eine wesentliche Bedrohung für die viel beschworene Qualität im Journalismus, so der Tenor einer Expertendiskussion bei der vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und dem Manstein-Verlag veranstalteten "Tag des Qualitätsjournalismus".
"Vor 15 Jahren habe ich mir gedacht: 'Was wird der Eigentümer über die Geschichten sagen, vor allem am Friedrich-Wilhelm-Raiffeisenplatz Nummer 1?' Jetzt denke ich mir: 'Was sagen die Eigentümer in Hamburg dazu, wenn die Rendite nicht hoch genug ist?'", erklärte "profil"-Herausgeber Christian Rainer dazu. Inhaltlich sei er keinem Druck seitens der Shareholder ausgesetzt, wie er sagte. Die "Eigentümerpflege" gehöre zwar dazu, aber "die offene und inhaltliche Auseinandersetzung mit jemandem wie Christian Konrad (Raiffeisen-Generalanwalt und als solcher Mitgesellschafter des "profil", Anm.) ist notwendig und man kann sie auch überleben", so Rainer.
Ähnliches berichtete auch "Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter, dessen Zeitung wie "profil" im Miteigentum von Raiffeisen steht. Es gebe keine Anrufe zu unerwünschten Geschichten, sagte er. Den Qualitätsjournalismus sieht der "Kurier"-Chef "ganz und gar nicht am Ende", wie er betonte. Die Leser seien bereit dazu, Geld für Qualität auszugeben, so Brandstätter, der sich einen Seitenhieb auf die Gratiszeitungen nicht verkniff: "Dreck verkauft sich nicht."
Für die Chefredakteurin des "Standard", Alexandra Föderl-Schmid, ist die Lage nicht so schlimm, wie sie immer dargestellt werde, "auch wenn es die Österreicher gewohnt sind, mit oft weniger Personal mehr auf die Beine zu stellen und dabei auch teilweise besser sind". Der "Standard" habe beispielsweise die Berichterstattung im Ausland ausgebaut und schicke die Außenpolitikredakteurin Adelheid Wölfl als Korrespondentin nach Zagreb, sagte sie.
Föderl-Schmid kritisierte, dass die österreichischen Medien säumig in der Umsetzung einer EU-Richtline seien, die eine freiwillige Selbstkontrolle im Finanzjournalismus vorsieht. Diesem Modell zufolge müssten Berichterstatter ihre Beteiligungen an Firmen offen legen, um etwaige Interessenskonflikte transparent zu machen. Außerdem müsse man sich überlegen, wann eine materielle Zuwendung von Firmen an Journalisten noch in Ordnung sei. Gruner+Jahr habe hierfür beispielsweise eine Grenze von 40 Euro eingeführt.
VÖZ-Präsident Hans Gasser kritisierte einmal mehr die Kürzung der Presseförderung, die heuer nur mehr 12,5 Mio. Euro betrage. 1999 seien es noch knapp 20 Millionen Euro gewesen, schilderte er. Hier werde der VÖZ Druck ausüben, kündigte der Vorstandsvorsitzende des "WirtschaftsBlatt"an.
Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen müssten sich ändern. Um den Newsaggregatoren die Stirn bieten zu können, brauche es ein schlagkräftiges Urheberrecht sowie ein Leistungsschutzrecht. "Dann hat Qualitätsjournalismus auch im Web eine tragfähige Zukunft", so Gasser. Er brach auch eine Lanze für die Bezahlmedien: "Unsere Produkte haben mit dem bedruckten Papier, über das wir auf dem Weg zur U-Bahn stolpern, nur wenig zu tun."
Der Gründungsherausgeber des deutschen Politik-Magazins "Cicero", Wolfram Weimer, beklagte in seiner Keynote, dass die Medien zu einer "Derivateszene des Politischen" mutierten. Allerorten herrsche einerseits Alarmismus, gleichzeitig werde die Wahrheit als variable Größe aufgefasst, die sich stets der Mehrheitsmeinung anpasse. "Man orientiert sich nicht mehr an Wahrheiten, sondern an Stimmungen", kritisierte Weimer. Auch die Politik werde immer mehr "zum Reflex der Demoskopie", wenn nur mehr auf Umfragen zu einzelnen Themen geschielt werde. "Häufig liegt die Wahrheit nicht in der Mitte, sondern am Rand", sagte der Journalist und Verleger, der dazu das historische Beispiel von Christoph Columbus bemühte.
Kritik übte er in dem Zusammenhang an der digitalen Medienwelt, in der das "Google-Prinzip den Mechanismus der Ver-Mittung" verstärke. Statt Expertise gebe es häufig nur mehr Halbwissen, "eine Problematik der Schwarmintelligenz im Internet".