Medienhaus-Wien-CEO Kaltenbrunner: Steuern 'r...
 
Medienhaus-Wien-CEO Kaltenbrunner

Steuern 'relativ gelassen' auf 'große Katastrophe' zu

CMC ÖAW
Andy Kaltenbrunner.
Andy Kaltenbrunner.

Verleger Horst Pirker sieht Inseratenverteilung nach 'Gutsherrenart', P7S1P4-Chef Markus Breitenecker ist gegen eine weitere Stärkung des ORF.

Wie abhängig Medien von Werbebuchungen der öffentlichen Hand sind, ist eine Frage, die aufgrund von Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) derzeit wieder heiß diskutiert wird. So auch bei einer Medienenquete der NEOS im Parlament am Montag. Laut Medienhaus-Wien-CEO Andy Kaltenbrunner besteht angesichts einer Inseratenverteilung nach "höchst unklaren Prinzipien" akuter Handlungsbedarf. Man steuere "relativ gelassen" auf eine "große Katastrophe" zu.


Die Inseratenvergabe der öffentlichen Hand sei im internationalen Vergleich pro Kopf sehr hoch. Vielfach seien die Mittel fehlgeleitet, im schlimmsten Fall nach politischen Interessen verteilt, so Kaltenbrunner. Eine Verteilung nach "Gutsherrenart" ortete auch Horst Pirker, CEO der VGN Medien Holding. Was an Inseratendeals derzeit sichtbar werde, sei "ein Teil der Wirklichkeit" und "die Regel". Dass Medien in Österreich nicht unter die Arme gegriffen werden muss, sei illusorisch, meinte Pirker. Aber wenn es schon sein müsse, dann lege er Wert darauf, dass es auf gesetzlicher Basis und nicht willkürlich erfolge.

Grünberger: 'Gar nicht so dramatisch'

Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ), meinte, dass der Anteil öffentlicher Werbung im Ländervergleich "gar nicht so dramatisch" sei. "Gemessen am Umsatz der Kaufzeitungen und Magazine bewegt sich der Anteil von öffentlichen Inseraten von Bund und Ländern zwischen 2,5 und 8 Prozent der Verlagshäuser." Nirgendwo stehe geschrieben, dass die Politik diese Summen aufbringen müsse. Es sei deren Verantwortung und nicht zwingend jene der Medien.

Mit der geplanten Novelle des Medientransparenzgesetzes, die weitreichendere Veröffentlichungspflichten und damit mehr Transparenz bringen soll, sei "ein kleiner Schritt nach vorne" erreicht, meinte Kaltenbrunner. Kritisch sieht er jedoch, dass auch an anderer Stelle - bei klassischen gesetzlichen Förderungen - intransparent agiert werde. So werde bei der erst unlängst erstmals ausgeschütteten Digitaltransformationsförderung "nicht einmal ansatzweise erklärt", wie die Fördersummen vergeben werden, bemängelte er. Dabei müsste man jetzt junge, innovative Projekte fördern, um nicht von technologischen Entwicklungen überrollt zu werden. Dass dies in Österreich kaum geschehe, sei ein "eklatantes Problem". Derzeit würde sich die Vergabe von Förderungen und Inseraten an Medien darauf konzentrieren, "das Kaputte am Leben zu erhalten".

Dass es keine Innovation gebe, könne man so nicht sagen, meinte wiederum VÖZ-Geschäftsfüher Grünberger. Für Innovation brauche es aber auch Geld und das sei am kleinen österreichischen Markt nicht so einfach.

Vertrauensverlust

Großes Kopfzerbrechen bereitete den Teilnehmern der Diskussion der Vertrauensverlust, mit dem Medien konfrontiert sind. "Sehr salopp formuliert ist eine Mehrheit der österreichischen Bevölkerung der Überzeugung, dass eine Mehrheit der Journalisten käuflich ist. Dafür ist die Gelassenheit im Land und auch bei der Medienpolitik groß", so Kaltenbrunner.

Pirker bezeichnete den Vertrauensverlust, der sich auf verhängnisvolle Weise zwischen Politik und Medien aufschaukele, als "toxisch für das System". "Das macht mir Angst und nicht die Frage, ob wir ein paar Inserate mehr oder weniger kriegen." Er wolle im gegenwärtigen System weiterleben und habe "keinen Appetit auf Orban'sche oder Putin'sche Verhältnisse". Das Überleben der repräsentativen Demokratie sei aber unter den gegebenen Rahmenbedingungen "mehr als fraglich", meinte Pirker.

Breitenecker gegen weiter Stärkung des ORF

Das duale Rundfunksystem überwinden will Markus Breitenecker, CEO der ProSiebenSat.1Puls4-Gruppe. Derzeit sei der ORF aufgrund seiner Gebührenfinanzierung und Werbemöglichkeiten "stark privilegiert", sagte er bei der Enquete. Was der ORF in Konkurrenz zu den Privaten mache, müsse zurückgefahren werden, was in Konkurrenz zu den Silicon-Valley-Giganten geschehe, müsse dagegen gestärkt werden.

Eine weitere Stärkung des ORF wäre eine "unüberwindbare Hürde", warnte Breitenecker am Montag. Es bleibe nur die Kooperation, um gegen die internationalen Digital-Giganten zu bestehen. Man müsse stärker in Richtung Content-Sharing denken. Der ORF könnte etwa Inhalte für junge Menschen produzieren und diese am Medienmarkt teilen, meinte der P7S1P4-CEO.

ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher betonte, dass es schon Zusammenarbeit mit den Privaten gebe - etwa im Rahmen des 4Gamechangers-Festivals. Wenig hielt sie davon, den ORF im digitalen Raum einzuschränken: "Die sozialen Medien als Sperrgebiet für den ORF zu definieren, halte ich für falsch. Wo denn sonst sollen wir junge Menschen mit qualitativen Inhalten erreichen?"




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