"Journalistenausbildung ist Geldmaschinerie"
 

"Journalistenausbildung ist Geldmaschinerie"

Johannes Brunnbauer
Michael Fleischhacker (Quo Vadis Veritas), Anneliese Rohrer (Die Presse), Michael Grabner (Michael Grabner Media), Sonja Schwetje (n-tv) und Jan Fleischhauer (Hubert Burda Media) waren sich einig, dass Fact Checking den Journalismus aus Konsumenten-Sicht bereichert.
Michael Fleischhacker (Quo Vadis Veritas), Anneliese Rohrer (Die Presse), Michael Grabner (Michael Grabner Media), Sonja Schwetje (n-tv) und Jan Fleischhauer (Hubert Burda Media) waren sich einig, dass Fact Checking den Journalismus aus Konsumenten-Sicht bereichert.

Über die prekäre Lage für Qualitätsjournalismus herrscht bei den Österreichischen Medientagen 2019 Einigkeit - zur Überwindung der Journalismus-Probleme hat man vielfältige Ansätze im Panel "Journalismus: Wege aus der Bredouille" gefunden.

Noch nie sei das Zeitbudget für immer mehr neue Medienangebote so groß gewesen, sprach Moderator und Medienmanager Michael Grabner an, was den Medienschaffenden in der Grand Hall klar war, um eine schmerzhafte und doch unumstößliche Tatsache hinzuzufügen: Klassischer Journalismus muss zunehmend um das nackte finanzielle Überleben kämpfen.

N-tv-Chefredakteurin Sonja Schwetje sah im Qualitätsjournalismus dennoch "unsere größte Chance". Schließlich verfüge man über mehr Content denn je, und: "Wo ein Markt ist, lassen sich Bedürfnisse auch monetarisieren“. Eben jene Bedürfnisse der Konsumenten kommen für den langjährigen Spiegel- und nunmehrigen Focus-Journalisten Jan Fleischhauer unter Journalisten zu kurz: "Wenn ich die letzten 30 Jahre an Redaktionskonferenz reflektiere, in denen ich gesessen bin, kommt die Frage, was den Leser interessiert, kaum vor." Gradmesser sei vielmehr die Meinung der Branchen-Kollegen.

Dass online mehr potenzielle Reichweite bietet, darüber waren sich die Diskutanten weitgehend einig. Allein, über deren Chancen und Risiken gingen die Meinungen auseinander. Fleischhauer fürchtete, dass Journalisten zunehmend zu Aktivisten verkämen und dem Publikum unterschwellige Belehrungen aufdrückten.

Das Medienangebot müsse darauf ausgerichtet sein, "wie Menschen Medien konsumieren", appellierte Schwetje. "Der Aufbereitung kommt eine wichtige Rolle zu. Unser Job als Journalisten ist es, Komplexität so aufzubereiten, dass Menschen sie verstehen." Bei n-tv setze man hierfür verstärkt auf Diskussionen, damit sich die Zuseher aus mehreren Sichtweisen ihre eigene "Meinung bilden können. Aber es können auch kurze Posts sein. Ich bin ein Freund davon, so viele Nutzungssituationen wie möglich abzubilden".

Jedes Meinungsspektrum solle Medien-technisch abgedeckt sein, forderte Fleischhauer.
Johannes Brunnbauer
Jedes Meinungsspektrum solle Medien-technisch abgedeckt sein, forderte Fleischhauer.

Die komplette Fokussierung auf die eigene Zielgruppe sah auch Michael Fleischhacker, nunmehriger Herausgeber und Geschäftsführer bei Addendum, als Überlebenschance eines Mediums und nannte als Erfolgsbeispiel Die Zeit. Fleischhauer sah eine mögliche Renaissance der Tageszeitung als mögliches Zukunftsszenario: Eine Tageszeitung sei schließlich eine Art "Bildungsausweis" in Zeiten von Quellen wie Facebook, die einem "wenig seriösen RTL-2-Nachrichtenjournalismus" gleichkämen.

Die Verteidigung für den Sender aus der eigenen Mediengruppe kam prompt von Schwetje: "Auch RTL 2 ist erfolgreich in seiner jungen Zielgruppe. Ziel sollte es sein, dass alle glücklich sind, wie bei einem Buffet.

Geld vor Qualität

Dass Diversität in den Redaktionen weiter ein Fremdwort sei, darüber waren sich Schwetje und Fleischhauer wiederum einig. Studienabschluss und Volontariat seien noch weiter das klassische Karriere-Asset. Fleischhauer dazu: "Vielfalt ist eines der Buzz Words unserer Zeit, aber in Redaktionen nicht abgebildet".

Die klassische Tageszeitung sah Fleischhacker im langfristigen Sterben begriffen.
Johannes Brunnbauer
Die klassische Tageszeitung sah Fleischhacker im langfristigen Sterben begriffen.

Für Presse-Urgestein Anneliese Rohrer fängt das Übel bereits in der Ausbildung an: "Es gibt keine gesellschaftliche Gruppe in Österreich, die Interesse an Qualitätsjournalismus hat. Journalistenausbildungen wie Fachhochschulen sind eine Geldmaschinerie für Verbände und Wirtschaftsinstitutionen".

Kreativ aus der Krise

Für Schwetje war indes in der Frage, welche es Inhalte braucht, der Aspekt Kreativität unumgänglich. "Wir müssen junge Menschen ermutigen, etwas Neues auszuprobieren und dabei auch Fehler zugestehen, nach dem Prinzip trial and error. Die Jungen haben etwa Spaß an Mobile Reporting - genau sie sind es, die uns erklären können, wo wir uns strategisch hinbewegen müssen und auf welchen Plattformen."

Drastische Worte aus Rohrers Mund: "Die größten Feinde des Journalismus sind die Medienmanager. Ich wundere mich, wann Verleger draufkommen, dass sie sich mit Sparmaßnahmen die eigene Geschäftsgrundlage abgraben."
Johannes Brunnbauer
Drastische Worte aus Rohrers Mund: "Die größten Feinde des Journalismus sind die Medienmanager. Ich wundere mich, wann Verleger draufkommen, dass sie sich mit Sparmaßnahmen die eigene Geschäftsgrundlage abgraben."

Für Rohrer gestaltet sich der Daseinszweck des Journalismus einfach: "Es ist doch simpel: Es geht um Einzigartigkeit, Einfachheit und Unterhaltung. Aber all das braucht Zeit" - den zuständigen Medienmanagern fehle in Zeiten von Dauer-Spardruck und Co allerdings diese Gewissheit.




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