„Nein“, meinen Karin Strobl, Franz Fischler, Richard Grasl, Gerald Grünberger und Rainer Nowak zur Diagnose von Wissenschafter Haas
In seiner zehnminutigen Keynote zeichnete Hannes Haas, Professor an der Universität Wien, ein einprägsames Bild: „Während sich die Kommunikatoren im Trainingslager befinden, liegt der Journalismus auf der Intensivstation“. Ein Bild, dass bei allen anderen Diskutanten - Karin Strobl (Regionalmedien Austria AG), Franz Fischler (Franz Fischler Consult, ehem. EU-Agrarkomissar), Richard Grasl (ORF), Gerald Grünberger (VÖZ) und Rainer Nowak (Die Presse) in der Diskussionrunde in verschiedenster Intensität ablehnten.
Nowak wurde emotional: „Wo leben Sie bitte?“ fauchte er, als Haas meinte, dass in der PR und Werbung Leute gesucht werden würden, während die Medienbranche den Jungen signalisiere „wir sind voll, da ist kein Platz für euch.“ Nowak untermauerte die Haassche-Realitätsferne mit einem Verweis auf mehrere Werbeagenturen, die in den letzten Jahren und Monaten ihre Pforten schlossen. Der Chefredakeur der Presse kann das Krankjammern des Journalismus nicht mehr hören. „In meiner Redaktion arbeiten mehr Kollegen, als dies je vorher der Fall war“, stieß Nowak nach. Allerdings komme es in manchen Regionen Österreichs auch vor, dass die Kopfanzahl der politischen Pressemannschaft diejenige der örtlichen Redakteure übersteige. Zwar würden die Medien unter einem Kostendruck leiden. Aber die gebotene Qualität sei sehr gut, so Nowak und forderte zur Lektore von 30 Jahre alten Printprodukten zur Untermauerung dieser These auf.
Haas begründete sein Bild von der Intensivstation dann so: Komplexe Themen wie Euro, Pensionen oder Europa würden von den Redaktionen gemieden, da sie recht recherche- und damit personalintensiv wären. „Eine wirkliche Information und Auseinandersetzung dazu gibt es nicht“, so der Wissenschafter.
Welchen Beitrag liefert Journalismus für die Demokratie
Grasl: „Das Aufkommen dieser großen Player stellt und alle vor die Frage, wie wir Qualitätsjournalismus überhaupt noch finanzieren können.“ Denn diese Großen würden Nachrichteninhalte absaugen, mit denen sie dann Werbegelder aus nationalen Töpfen ausschöpfen. Und diese Mittel würden dann den heimischen Playern fehlen. Die Politik sei nun gefordert, die vierte Säule für die Herausforderung zu stärken, ohne dass sie sich selbst in deren Tun einmische. Mit der vierten Säule sind – erraten – die Medien gemeint.
Diese Stärkung soll auch von institutioneller Natur sein. Grünberger: „Wir fordern ein Informationsfreiheitsgesetz und die Abschaffung des Amtsgeheiminisses.“ Dieses Regelwerk sprach auch Ex-EU-Kommissar Fischler jeden Sinn ab. „Hier wäre eine gemeinsame europäische Lösung gut“, meinte der Ex-Politiker im Hinblick auf die Zustände in Ungarn.
Hans-Jörgen Manstein erneuerte in seiner Eröffnungsrede erneut die Kritik am Investigativ-Journalismus, so wie er teilweise heute praktiziert wird. Grasl ist vom Gegenteil überzeugt: „Investigativjournalismus ist besser geworden – bisweilen schlägt das Pendel allerdings in eine Richtung zu stark aus.“ Allerdings komme es auch immer wieder vor, dass die Medien trachtet, die Rolle der Justiz zu übernehmen. „Nicht jede Anzeige, besonders nicht jede anonyme Anzeige, ist eine Verurteilung“, so Grasl.
Die Diskussion, ob Social Media wichtig für die Demokratie wären oder nicht, war hingegen eher unerquicklich. Grünberger: „Social Media können Menschen verbinden – aber das ist es auch schon.“ Es sei freilich ungestritten, dass Twitter und Co bei politischen Umbrüchen eine Rolle gespielt hätten. „Allerdings ist der Datenschutz bei diesen Kanälen sehr unterentwickelt“, mahnte der VÖZ-Geschäftsführer. Und witzelte im Hinblick auf die anstehende Wahl: „Ich wähle die NSA, weil die sich wenigsten für mich interessiert.“