Karl Javurek übergibt mit Jahresende seine Agenden als Generaldirektor. Mit HORIZONT spricht er über 20 Jahre bei der Gewista, die Branche und die Zukunft der Außenwerbung.
Karl Javurek: (lacht) Eigentlich ja. Aber irgendwann muss der Moment sein und ich glaube, das Unternehmen ist in einer Phase, in der es sich wieder einmal neu aufstellen muss. Ich glaube auch, dass jetzt ein Generationensprung notwendig ist.
Ist mit Ihrem Nachfolger Franz Solta der richtige Mann dafür bestellt?Er kommt viel mehr als ich aus dem Gebiet der neuen Medien, hat mit digitalen Buchungssystemen viel mehr Erfahrung. Und er ist mir von der Persönlichkeitsstruktur her sehr ähnlich. Er wird den Stil des Unternehmens weiterführen, ohne einen großen Bruch zu machen. Aber er wird neue Qualitäten einbringen und das ist es, was das Unternehmen jetzt braucht.
Sie gelten als „Mister Gewista“. Das sind große Fußstapfen.Natürlich weiß ich, dass das Unternehmen sehr stark mit meiner Person identifiziert wird. Aber mein Nachfolger wird in diese Fußstapfen treten können und ich werde ihn auch dabei unterstützen, dass er über sie hinauswächst. Klar ist aber: Ab 1.1. 2017 bin ich nicht mehr der Mister Gewista. Ich bin alt genug – und jung genug – auch noch ein paar neue Sachen zu machen.
Welche werden das sein?Ich habe zwei Firmen gegründet, habe einige Beraterverträge. Aber ich werde in Zukunft etwas weniger arbeiten als jetzt und vor allem meine Zeit selbst einteilen. Ich will ein bisschen mehr Lebensqualität haben und mich ausklinken aus dem Alltag eines Generaldirektors. Ich habe auch nie bewusst einen Personenkult betrieben, war eher zurückhaltend. Ich habe versucht, meine Mitarbeiter in den Vordergrund zu spielen. Aber ja, ich bin nun mal gerne unter Leuten, bin gerne freundlich …
… aber Sie können auch streiten.Ja, aber einen Streit kann man nur führen, wenn man sich von anderen Sachen freispielt. Wenn man 20 Kriege gleichzeitig führt, ist schon mal ein tausendjähriges Reich untergegangen. Daher: So viel Frieden wie möglich. Aber dort wo es sein muss, muss man auch in die Schlacht ziehen.
Wo sind Sie in Ihrer Laufbahn bei der Gewista schon mal in so eine Schlacht gezogen?Ich war immer der Meinung, dass unser Medium in einer Welt, in der immer mehr Menschen sich immer länger im öffentlichen Raum aufhalten, eine bedeutendere Rolle spielen wird. Außenwerbung war stets ein unterbewertetes Medium in den Media-Spendings.
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass unser Medium mehr leistet, als es die sieben Prozent Marktanteil der Werbekommunikation ausdrücken und habe Stück für Stück Schritte gesetzt, dass wir zu einer wahren Beurteilung der Leistungskraft unseres Mediums kommen. Die mittelfristige Perspektive ist, dass wir mit Out of Home auf einen zweistelligen Marktanteil in den Media-Spendings kommen und das halte ich für durchaus realistisch.
Durch die digitalen Werbeflächen?Die Digitalisierung ist ein echter Wachstumstreiber. Wir sind das letzte Jahr im digitalen Segment um mehr als 34 Prozent gewachsen und heuer nochmal um rund 50 Prozent. Der nächste Schritt wird sein, dass wir von Wien aus in weitere Bundesländer gehen.
Aber es fließt deshalb ja nicht mehr Geld in den Werbemarkt.Stimmt, es sind Verschiebungen – aber zu unseren Gunsten. Wir haben in den letzten Jahren jedes Jahr ein neues Rekordergebnis geschrieben. Und wir haben auch noch viel Arbeit vor uns, denn jedes der einzelnen Out-of-Home-Medien hat seine speziellen Gesetzmäßigkeiten. Wir wollen zu kreativeren Lösungen kommen, die dem Kunden mehr bringen. Dieser Prozess ist im Gange, auch mit einer eigenen Innovate-Abteilung, die wir schon vor Jahren gegründet haben. Sie befasst sich mit neuen Technologiethemen aber auch mit Sonder-Ambient-Media-Lösungen.
Sie schätzten in einem Interview einmal, dass bei der Gewista das Plakat nur mehr 30 Prozent zum Umsatz beiträgt, 70 Prozent kämen aus Medien, die in den letzten 15 bis 20 Jahren entwickelt wurden. Läuft das Digitale dem Analogen irgendwann komplett den Rang ab?Das Interessante ist, dass das Alte nicht verschwindet. Ich kann mit einer Plakatkampagne ganz Österreich bis in die letzte Kleingemeinde erreichen. Auf der anderen Seite entstehen digitale Medien. Ich bediene diese nicht mehr, indem ich jemanden hinschicke, der dort mit Kleister ein Plakat aufklebt. Sondern ich bediene das an einem Arbeitsplatz bei uns im Haus. Die Werbung wird ausgeschickt und kann sekundengenau gewechselt werden.
Welche Auswirkungen hat das auf die Arbeitsplätze, und damit verbunden Ihrer Meinung nach auf die Wirtschaft?Mein Ziel war es immer, durch Umsatzwachstum und neue Produkte die Arbeitsplätze sicher zu halten. Wir haben in der Gewista in etwa noch genau so viele Arbeitsplätze wie zu jener Zeit, in der ich gekommen bin. Nur die Aufgaben haben sich gewandelt. Als ich kam, hatten wir 50 Prozent Angestellte und 50 Prozent Arbeiter.
Die Arbeiter habe ich in eine eigene Gesellschaft ausgelagert und ein breites Netz an Sublieferanten geschaffen, die in unserem Auftrag mit eigenen Leuten die Arbeit vor Ort erledigen. Jetzt haben wir fast 100 Prozent Angestellte und fast keine Arbeiter mehr. Durch die Strategie der gezielten Auslagerung und der Kooperation mit Subunternehmen ist es auch gelungen, die Kostenstruktur im Griff zu behalten.
Dafür ist die Ausstattung teurer geworden. Ein digitaler Screen kostet sicher mehr als eine Plakattafel.Das ist korrekt. Früher ist eine Plakattafel aus Holz errichtet worden – die kostet 1.000 bis 2.000 Euro. Jetzt steht bei jedem Rolling Board quasi ein Mittelklasse-Mercedes. Wir haben auch einen relativ hohen Instandhaltungsaufwand bei digitalen Flächen, weil die nach ein paar Jahren ausgetauscht werden müssen. Dafür sind sie aber wieder in der Wartung extrem günstig.
Als ich gekommen bin, war die Gewista ein Plakatunternehmen. Dann haben wir neue Produkte wie City Lights, Rolling Boards, Total Branding in den U-Bahn-Stationen und auf Straßenbahnen ausgebaut zu einem urbanen Medium. Damit wollte ich auch bewusst eine Unterscheidung zu non-urban schaffen. Der Plan ist aufgegangen.
Nochmals zurück zu den Einnahmen, mit denen Sie diese Kosten ja decken müssen. Die Kommunikationsbranche ist seit der Krise sehr unter Druck. Der Bruttowerbedruck ist massiv gestiegen, vor allem in den vergangenen Jahren. Inwiefern haben Sie das bei der Gewista gespürt?Ja, der Bruttowerbedruck ist gestiegen, aber nicht der Nettowerbedruck umgesetzt in Euro. Wenn ich mir die Zahlen der Werbeabgabe anschaue, sind wir derzeit in etwa auf dem Vor-Krisenniveau 2007. Netto. Brutto sind wir irgendwo im Nirvana – sprich: Die Rabatte sind jedes Jahr gestiegen.
Netto aber ist es der Gewista gelungen in den letzten Jahren Marktanteile zu gewinnen. Auf der einen Seite intermedial und auf der anderen Seite intramedial. Aber weder inter- noch intramediale Wettbewerber würde ich jemals öffentlich kritisieren. Mein Fokus war immer: Machen wir es einfach besser als die anderen.
Und wie glauben Sie wird die Marktentwicklung weitergehen?Die Branche wird sich vorsichtig positiv entwickeln. Einige Medien sind unter Druck, aber andere Medien werden das auffangen. Insgesamt werden die Kommunikation und Marktkommunikation einen immer wichtigeren Stellenwert haben. Der Markt wird sich weiter konzentrieren und globalisieren. Viele Kampagnen haben sich internationalisiert. Auf der anderen Seite entsteht aber auch viel neues Kleines, das Potenzial hat, größer zu werden. Und alles, was sich im Bereich Mobile Marketing abspielt – Stichwort Programmatic Advertising – wird wichtiger werden, aber es hat sich noch nicht strukturiert.
Was wollten Sie der Branche eigentlich immer schon mal sagen?Dass es die tollste Branche ist, die es gibt. Sie soll nur aufpassen, dass sie sich nicht an den schnöden Mammon und an die Profitabilität verkauft. Das was wir betreiben, ist in Wirklichkeit die Sprache der Produkte und Ideen. Ich kann das sagen, weil ich alle Bereiche mitgemacht habe. Ich war Werbeleiter, Wahlkampfleiter, Verlagsleiter und Agenturleiter. Ich bin jedem Auftrag nachgerannt und dann in die Medienbranche zur Gewista gegangen. Dort habe ich versucht, dem ältesten aller Medien zu einem neuen Höhenflug zu verhelfen.
Apropos alt: Betrachtet man die Medienszene, so ist noch nie eine traditionelle Mediengattung verschwunden, weil eine neue hinzukam. Betrachten wir nun die Außenwerbung: Wie sollte das „alte Analoge“ hier nun eingesetzt werden – und wie hat sich das in den vergangenen 20 Jahren verändert?Österreich ist ein Sonderfall. Kein Land in Europa hatte so viele Plakate pro Einwohner, das ist historisch gewachsen. Durch politische Umstände, weil jeder Bürgermeister eine Plakattafel mit seinem Gesicht sehen wollte. Und durch die Bombenschäden nach dem Zweiten Weltkrieg, um große zerstörte Areale einzuplanken. Dadurch ist eine solche Dichte an Plakaten entstanden.
Mir war klar, dass eine Weiterentwicklung in Richtung Quantität nicht sinnvoll sein wird und daher war die Strategie „Qualität statt Quantität“. Dazu habe ich eine naheliegende territoriale Expansionsmöglichkeit gesehen – durch den damals fallenden „Eisernen Vorhang“. Wir sind als Erster mit unseren Angeboten in die Nachbarländer gegangen. Und schließlich, 1998, haben wir das Portfolio um das erste digitale Produkt erweitert – mit Infoscreen.
Ihr Nachfolger Franz Solta kommt von eben dort. Wird es nun zu einer Verschmelzung von Infoscreen und Gewista kommen?Es sind Pläne vorbereitet zur Neugestaltung des Betriebsgebäudes. Weil ja, Infoscreen gehört jetzt stärker eingebunden. Digital-Out-of-Home hat mit Infoscreen viel mehr Berührungspunkte als mit analogem Out of Home. Die Vorbereitungen sind eingeleitet, aber das ist ein Prozess, der die nächsten drei Jahre in Anspruch nehmen wird.
Was soll das Ergebnis davon sein?Unser Medium wird mit der digitalen Werbung perfekt zusammenwachsen. Wir werden mit dem Kunden über die Werbefläche direkt in Kommunikation treten können, etwa durch WLAN-Verbindungen. Da wird noch einiges entstehen. Alle internationalen Prognose-Institute sagen, dass Mobile Marketing in den nächsten Jahren am stärksten wachsen wird, gefolgt von Digital-Out-of-Home. Mit der Verknüpfung dieser beiden wachstumsstärksten Mediensegmenten hat die Gewista eine fantastische Zukunft. Der Zug fährt, aber der Lokomotivführer wird ein anderer sein.
[Marlene Auer und Hans-Jörgen Manstein]