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Internationales Forum für Wirtschaftskommunikation

Felbermayr: 'Decoupling der Weltwirtschaft als Chance für Europa'

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Gabriel Felbermayr in der Pressestunde des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation.
Gabriel Felbermayr in der Pressestunde des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation.

WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr sprach im Internationalen Forum für Wirtschaftskommunikation (IFWK) über die weitreichenden Folgen des Ukraine-Konflikts.

"Die Ukraine wird wirtschaftlich gerade ausradiert: Viele Industrien und Wirtschaftszweige werden komplett zerstört, die Agrarwirtschaft kommt zum Erliegen. Dazu kommen die Sanktionen gegen Russland, die den Finanzmarkt, die Lieferketten und langfristig auch den Fachkräftemangel nachhaltig beeinflussen werden", sagte Gabriel Felbermayr, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), bei der Pressestunde des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK) dieser Tage in Wien. "Es wird ein massives Decoupling der Weltwirtschaft mit China und Russland geben, und dafür braucht es innereuropäische Kompensation. Europa hat nun regional riesige Chancen, eine Wende gegen die Abhängigkeiten von diesen Staaten herbeizuführen", betonte der WIFO-Chef, der auf Einladung von IFWK-Gründer Rudolf J. Melzer mit Journalist:innen, Wissenschaftler:innen und Wirtschaftstreibenden über die aktuellen Auswirkungen des Ukraine-Konflikts auf die Weltwirtschaft diskutierte.
      
Gabriel Felbermayr (WIFO-Direktor ), Doris Pokorny (APA- und Gentics-CFO), Verena Knott-Birklbauer (Treasury-Leiterin der Post AG) und Rudolf J. Melzer (IFWK-Gründer) (v.l.)
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Gabriel Felbermayr (WIFO-Direktor ), Doris Pokorny (APA- und Gentics-CFO), Verena Knott-Birklbauer (Treasury-Leiterin der Post AG) und Rudolf J. Melzer (IFWK-Gründer) (v.l.)

Mit richtigen Technologien Profit machen

Die aktuelle Lage zeige deutlich, dass es durchaus österreichische und europäische Unternehmen, vor allem im Energiebereich, gibt, die sich die Krise zu Nutzen machen: "Es ist gut, dass jene Unternehmen, die schon vor der Krise in erneuerbare Energien und die damit verbundenen Technologien investiert haben, jetzt damit Geld verdienen. Und mit diesem Geld können diese Firmen die Technologien wiederum skalieren. In diesem Sinne sind die hohen Preise bei Öl und Gas nicht nur schlecht, denn es kommt jetzt auf die Alternativen an und die können auch innereuropäisch hergestellt werden." Man dürfe nämlich bei dem ganzen Grauen, das momentan passiert, nicht vergessen, dass Russland eigentlich relativ unwichtig im Außenhandel sei.

Sanktionen gegen Russland

"Alle jene, die sagen, es störe den Kreml nicht, wenn Europa kein Erdöl und Gas mehr kauft, liegen falsch. Wenn ein Staat Exporteinnahmen im Ausmaß von zehn Prozent seiner Wirtschaftskraft verliert, schmerzt das sehr." Die Abhängigkeit sei aber natürlich eine beidseitige: "Zum einen fehlen uns die Alternativen zu vielen Rohstoffen, die wir aus Russland beziehen und zum anderen braucht Russland Europa für seine Pipelines. Denn die einfach so zu schließen und über andere Wege Gas zu exportieren, ist zeitlich und finanziell nicht möglich."

Russland reagiere auf die westlichen Sanktionen durchaus geschickt, denn die russischen Gas- und Ölexporteure müssen den Zahlungsverkehr auf Rubel umstellen: "Das ist ein Problem für Europa. Denn das Beschaffen von Rubel ist nicht einfach, nachdem die russische Zentralbank mit Sanktionen belegt wurde. Außerdem ist der Rubel keine Reservewährung, die wir in anderen Ländern und Banken vorrätig haben und wir brauchen große Mengen", so der Wirtschaftsforscher. "Da haben wir uns möglicherweise in eine Sackgasse manövriert."
 
Rudolf J. Melzer (IFWK-Gründer), Markus Gstöttner(Geschäftsführer Manstein-Verlag), Gabriel Felbermayr (WIFO-Direktor) und Jürgen Hofer (HORIZONT-Chefredakteur) (v.l.)
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Rudolf J. Melzer (IFWK-Gründer), Markus Gstöttner(Geschäftsführer Manstein-Verlag), Gabriel Felbermayr (WIFO-Direktor) und Jürgen Hofer (HORIZONT-Chefredakteur) (v.l.)

Kommunikation als manipulativer Sprengstoff?

Kommunikationsexperte und IFWK-Gründer Rudolf J. Melzer gab in der Diskussion zu bedenken, dass es in Krisenzeiten besonders auf unabhängige und neutrale Berichterstattung ankommt: "Schon bei früheren Konflikten, aber auch in der Pandemie und jetzt in der Ukraine-Krise zeigt sich, wie manipulativ Kommunikation eingesetzt wird. Glaubwürdige Kommunikation ist jetzt mehr denn je gefragt. Regierungen und Medien sollten die Waffe der Manipulation nicht als zusätzlichen Sprengstoff einsetzen."

Die IFWK-Pressestunde im Pressezentrum des Wiener Rapid-Stadions wurde von ORF-Wirtschaftsredakteurin Astrid Lexer-Petermann und HORIZONT-Chefredakteur Jürgen Hofer moderiert. An der Diskussion beteiligten sich u.a. der Generaldirektor der Salzburg AG, Leonhard Schitter, Verena Knott-Birklbauer, Leiterin des Bereiches "Treasury" bei der österreichischen Post AG, Doris Pokorny, CFO der APA und Geschäftsführerin von Gentics Software, Fraunhofer-Austria-Chef Wilfried Sihn, Markus Gstöttner, Geschäftsführer des Manstein-Verlages und Thomas Lutzky, Geschäftsführer von Phoenix Contact.



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