Verleger Eugen A. Russ erzählt im HORIZONT-Interview über Meilensteine seines Unternehmens und die neue Marke Russmedia
HORIZONT:Was waren die letzten relevanten Meilensteine?
Russ: Die VN ist seit kurzem im Responsive Design auf allen Endgeräten in HTML5 verfügbar, das ist in Europa einzigartig. Wir haben die größte Jobplattform Ungarns im Portfolio. Wir bieten die größte Kleinanzeigenplattform im deutschsprachigen Raum, quoka.de, wo wir es geschafft haben ein Printunternehmen in ein reines Digitalunternehmen umzuwandeln, das nun hochprofitabel läuft. Mit der internationalen Vermietungsplattform erento.com haben wir seit einem Jahr einen Weltmarktführer im Haus, in einer kleinen Nische zwar, aber doch mit Präsenz in D-A-CH, England und den USA. Wir haben uns von einem lokalen österreichischen Unternehmen zu einem internationalen entwickelt, das in Nischen aktiv ist und weit über die Landesgrenzen präsent ist.
HORIZONT:
Nun gibt es in ihrem Haus zwei Stoßrichtungen: eine regionale und eine internationale ... Russ: Regional vertiefen wir uns immer weiter. Aber Print wird vielleicht seitwärts gehen oder auch ein wenig zurückgehen, wie im heurigen Jahr, dann werden wir uns verschlanken und nach anderen Geschäftsfeldern suchen müssen, auch regional. Das tun wir und wir werden auch in naher Zukunft neue Produkte nennen können. Wir binden Google und Facebook in die Arbeit ein und es wird weitere Initiativen geben, das gilt für Vorarlberg wie für die regionalen Medien in Ost-Ungarn und Nord-Rumänien. Daneben gibt es die internationale Schiene, wo wir unabhängig von Geographie, im digitalen Nischenbereich die Internationalisierung suchen und dort zumindest eine europäische Dominanz erreichen wollen, wie wir sie bei Kleinanzeigen, Wohnmobilen, Pferden und Nutzfahrzeugen im deutschsprachigen Raum schon erreicht haben.
HORIZONT:
Sie wechseln nun von einem eher sachlichen Namen zu einem emotionalen Markennamen ... Russ: Der Gedanke war: welchen gemeinsamen Absender gibt es in all diesen Projekten und der ist mein Großvater Eugen Ruß. So blicken wir in die Tiefe des Unternehmens. Eugen Ruß hat 1919 ein Druckereiunternehmen übernommen und die Tageszeitung "Vorarlberger Landeszeitung". Mit Russmedia dokumentieren wir die Herkunft des Hauses und der Name ist nicht unbekannt, weder in Österreich, noch in Deutschland oder im Osten. Die Markenagentur brand-trust hat bei der Namensfindung und dem Markenprozess hervorragend geholfen und eben auch eindrucksvoll nachgewiesen, dass es nicht sinnvoll ist, dass wir mit fünf Namen in fünf Ländern auftreten - dieser Prozess hat eineinhalb Jahre gedauert.
HORIZONT:
Was erwarten Sie sich von der neuen Marke? Russ: Die Marke soll uns auch im Employer Branding unterstützen. Bisher sind wir als Vorarlberger Medienhaus aufgetreten und keiner wusste, dass die Mehrheit der Mitarbeiter nicht hier im Land sitzt und die Schlagrichtung eine internationale ist. Um die besten Mitarbeiter zu bekommen muss man die internationalen Chancen in den Mittelpunkt rücken. Wir konkurrieren hier mit international agierenden Unternehmen wie Alpla, Blum oder Zumtobel im Kampf um die besten Talente.
HORIZONT:
Das klingt, als wäre es schwierig gute Mitarbeiter zu finden?
Russ: Um unser Unternehmen voranzutreiben brauchen wir gute Mitarbeiter. Mit der Namensänderung und der Änderung der CI machen wir klar, dass wir internationale Talente suchen und gute Mitarbeiter finden sich da wieder, wo sie die besten Karrierechancen erkennen. Es macht einen Unterschied, ob du in ein regionales Medienunternehmen eintrittst oder in ein international agierendes.
HORIZONT: Warum haben Sie sich für einen englischen Claim entschieden: 'Russmedia. new. everyday.'
Russ: Der Slogan wurde abgestimmt, er ist nicht kompliziert. Anfangs haben wir uns an 'everyday' ein bisschen gestört, weil das nicht der für uns relevante Zeitabschnitt ist - wir versuchen sekündlich aktuell zu sein. Aber dieser Slogan macht deutlich, dass wir jeden Tag auf die neuen Marktbedürfnisse reagieren. Eines ist wichtig: Die regionalen Marken treten weiterhin eigenständig auf. vol.at, die VN, die Antenne Vorarlberg werden mit dem Konsumenten kommunizieren wie bisher und nicht als Russmedia. Russmedia ist eine Business-to-Business-Marke.
HORIZONT:
Wie wird das Jahr 2012? Russ: Der Werbemmarkt ist insgesamt schwierig. Die verhaltene Werbewirtschaft spüren alle Teilnehmer im Markt, vom ORF bis zu den Zeitungen. In Wahrheit sind wir in einer Rezession, vor allem seit dem zweiten Halbjahr. Aber es gibt gute Anzeichen auf eine deutliche Verbesserung im letzten Quartal und auch das nächste Jahr sieht bei wichtigen Kunden, wie Handel und Automobil, gut aus. Horizont: Wie geht läuft es digital? Russ: Der digitale Umsatz liegt bei 25 Prozent im Gesamthauses.
HORIZONT:
Ihr Großvater Eugen Ruß ist Namensgeber der neuen Marke - gibt es eine persönliche Anekdote, die Sie uns erzählen können? Russ: Er starb 1962, ich bin 1961 geboren und kann mich leider nicht mehr an ihn erinnern. Aber er war ein disziplinierter Facharbeiter, der aus dem Schwabenland nach Vorarlberg kam, die Chance zum Unternehmertum erkannte und wahrnahm. Es war keine einfache Situation, denn seine Frau starb jung und es waren sechs Kinder, unter ihnen mein Vater, großzuziehen.
HORIZONT:
Leider ist auch Ihr Vater früh verstorben.
Russ: Ja, 1969, da war ich acht Jahre alt. Mit acht Jahren war ich Mehrheitseigentümer des Unternehmens. Meine Mutter als VN-Herausgeberin und mein Onkel haben es gemeinsam weitergeführt, leider zusammen mit dem Vormundschaftsgericht, das sich allen Innovationen widersetzte. Aber sie haben das sehr gut gemacht. Mit 20 Jahren habe ich schließlich das Unternehmen übernommen. Ich hatte viel Unterstützung seitens der Mitarbeiter. Die Bewegung, die Chemie der Veränderung als ich in das Unternehmen eintrat wurde sehr willkommen geheißen nach den Jahren des Stillstands.
HORIZONT:
Gibt es Mitarbeiter, die Sie bis heute begleiten? Russ: Herbert Hager ist in der Geschäftsführung, Gerard Hann ist Key Account Manager für Großkunden und es gibt noch einige mehr. Ich bin stolz darauf, was das ganze Team des Hauses geschafft hat. Wir sind heute ein progressives Nischen-Medienunternehmen, das international agiert ...
HORIZONT:
... mit einem Vorbild in Skandinavien. Russ: Ja, mit Schibsted als ein wichtiges Vorbild.
Wegmarken: 1919 - Kauf der Buchdruckerei Franz Müller in Bregenz durch Eugen Ruß (1877-1962). Die Buchdruckerei gibt die Vorarlberger Landeszeitung heraus. 1945 - Erste unabhängige Ausgabe der Vorarlberger Nachrichten
1984 - Kauf der Wochenzeitung Wann & Wo.
1987 - Die Vorarlberger Nachrichten sind die erste Tageszeitung der Welt, die mit Desktop-Publishing (Apple) produziert wurde und die erste Tageszeitung europaweit, die Infografiken einsetzte.
1990 - Übernahme der NEUE Vorarlberger Tageszeitung
1992 -Das Vorarlberger Medienhaus ist der weltweit erste Zeitungsdrucker, der die Technik "Computer to Plate" in der Praxis einsetzt.
1993 - Mit der revolutionären Druckmaschine GEOMAN Nr. 1 werden die Vorarlberger Nachrichten die erste durchgehend vierfärbige Tageszeitung der Welt.
1995 - Gründung von Vorarlberg Online (VOL.AT)
1996 - Umzug von der Bregenzer Kirchstraße in das Vorarlberger Medienhaus in Schwarzach.
1997 - Teleport wird der private, landesweite Anbieter von Breitband-Internet in Vorarlberg.
1998 - Antenne Vorarlberg geht auf Sendung.
1998 - Eugen A. Russ übernahm 100 % der Funk Verlag GmbH in Ungarn, an der er seit 1991 beteiligt war. Als Schwestergesellschaft des Vorarlberger Medienhauses verfügt die Inform Media in Ungarn und Rumänien über ein ähnliches Portfolio: Tageszeitungen, Wochenzeitungen und Onlineportale.
2001 - Die Inform Media GmbH erwarb in Oradea/Rumänien zwei regionale Tageszeitungen.
2003 - Weitere Expansion in Timisoara und Resita (Rumänien)
2005 - Der deutsche Kleinanzeigenverlag Quoka wird zu 100% übernommen. 2006 - Der norddeutsche Kleinanzeigenverlag AVIS wird übernommen. "Vorarlberger Nachrichten" werden auf dem 59. Weltkongress der Zeitungen in Moskau als "Newspaper oftheyear 2006" ausgezeichnet.
2007 - Gründung einer Beteiligungstochter (VM Digital) in Deutschland.
2009 - Mit CV Online wurde unter anderem das führende Job-Portal in Ungarn gekauft.
2010 - Mit VOLmobil gelang es dem Unternehmen, als erster regionaler Anbieter in das Mobilfunkgeschäft einzusteigen und Reseller für das Apple iPhone zu werden.
2011 - VOL.AT bringt die erste HTML 5 Nachrichten-App im deutschsprachigen Raum auf das iPad.
2012 - Gemeinsame Dachmarke "Russmedia"
Factbox: Russmedia hat 1500 Mitarbeiter in Österreich, Deutschland, Ungarn, Rumänien, davon 450 am Stammsitz in Schwarzach/Vorarlberg. 10 Tageszeitungen 80 Wochenzeitungen über 100 Online-Portale mit 19,7 Mio. Unique Clients/Monat und 330 Mill. Page Impressions/Monat
Auswahl der Marken:
Quoka.de - Führendes Kleinanzeigenportal in Deutschland mit 5 Mill. privaten Anzeigen pro Monat
Erento.com - Weltweit größte Online-Mietplattform mit 1,2 Mill. Artikeln.
"Vorarlberger Nachrichten" - Reichweitenstarke Tageszeitung für Vorarlberg
vol.at - Erfolgreiches Regio-News-Portal
austria.com/plus - Digitalvermarktungstochter von Russmedia