Inseratendebatte: Stadt Wien muss Inseratenko...
 
Inseratendebatte

Stadt Wien muss Inseratenkosten offenlegen und kontert Kritik

APA
Kritik an Michael Ludwig und an der Inseratenpolitik der Stadt Wien nach "Dossier"-Recherche.
Kritik an Michael Ludwig und an der Inseratenpolitik der Stadt Wien nach "Dossier"-Recherche.

"Dossier" setzte sich in jahrelangem Rechtsstreit durch - Rechercheplattform sieht weitere intransparente Geschäfte im SPÖ-Umfeld; Martin Schipany, Leiter des Presse- und Informationsdienstes der Stadt Wien, betont dagegen die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und sieht eine "mutwillig selektive Darstellung".

Nach dreijährigem Rechtsstreit um intransparente Inseratengeschäfte der Stadt Wien im SPÖ-Umfeld hat sich die Rechercheplattform Dossier nach eigenen Angaben nun durchgesetzt: Laut Entscheid des Verwaltungsgerichts Wien musste die Stadt offenlegen, dass für ein vom Bohmann-Verlag produziertes Heftchen 170.720 Euro an Steuergeld fällig wurden. ÖVP und FPÖ forderten als Reaktion lückenlose Aufklärung.


Im Zeitraum 2012 bis 2017 fand Dossier 13 ähnliche Fälle aus dem Hause der Dietrich Medien Holding GmbH (die den Bohmann-Verlag 2004 übernommen hat), hinter der Gerhard Milletich, seit kurzem ÖFB-Präsident, und Gabriele Ambros stehen. Beide, so Dossier in einer Aussendung, seien mit der SPÖ eng vernetzt und machten schon lange lukrative Geschäfte mit der Stadt.

Bei den Geschäften wird laut der Rechercheplattform eine Gesetzeslücke im Medientransparenzgesetz ausgenützt. Inseratengeschäfte müssen demnach nicht gemeldet werden, wenn das Medium seltener als vier Mal pro Jahr erscheint. Derselbe Umgehungstrick taucht laut Dossier auch in der aktuellen Affäre rund um Inserate des Finanzministeriums auf. Hier ging es um zwei nicht periodische Medien aus dem Hause Fellner rund um die Machtübernahme von Sebastian Kurz in der ÖVP.

16.954 Belege zu mutmaßlichen Inseratengeschäften

Ein weiteres Gerichtsverfahren zeigt für Dossier die Dimension der von der Stadt Wien nicht gemeldeten Inseratengeldflüsse auf: Es geht dabei um 16.954 Belege zu mutmaßlichen Inseratengeschäften, die vom 1. Quartal 2017 bis zum 1. Quartal 2021 nicht gemeldet wurden. Die Belege händisch zu durchforsten und danach offenzulegen, sei "wirtschaftlich nicht gerechtfertigt", argumentierte die Stadt. Für Dossier verwundert das: Um korrekte Meldungen der Medientransparenzdaten abgeben zu können, müssen ohnehin einmal im Quartal alle Inseratengeschäfte ausgewertet werden.

Heftige Kritik von Seiten der Opposition

Die ÖVP zeigte sich angesichts dessen empört. "Die SPÖ-geführte Bundeshauptstadt Wien hat die nun ans Tageslicht gekommenen geheimen Inserate-Deals, mit denen mutmaßlich ihr nahestehende Verlagshäuser regelrecht angefüttert wurden, umgehend aufzuklären", forderte der Wiener ÖVP-Abgeordnete und Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl in einer Aussendung. Illegales vermutete die FPÖ: "Eine anonyme Sachverhaltsdarstellung liegt auf dem Tisch. Auch die Inseratenpraxis der Stadt rund um den sozialen bzw. geförderten Wohnbau muss ausgeleuchtet werden", meinte Wiens FPÖ-Landesparteiobmann Dominik Nepp und attackierte auch die NEOS als SPÖ-Koalitionspartner.

Auch von den Grünen kam via Twitter Kritik: "SPÖ Wien inseriert Stadt Wien-Geld bei SPÖ-Freunden und zeigt keinen einzigen Beleg her. Der Koalitionspartner NeosWien wird angelogen wie wir zuvor. Das Verwaltungsgericht Wien zwingt jetzt die Stadt, vulgo die SPÖ, diese Daten offenzulegen", kommentierte Klubchef David Ellensohn die Causa. Gleichzeitig betonte er: "ÖVP und SPÖ machen dasselbe. Inserieren und auf gute Berichterstattung 'hoffen'. Kurz und Ludwig in dieser Frage nicht unterscheidbar, Ludwig gibt sogar mehr pro Kopf aus."

Update 17.30 Uhr: Beim Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien (PID) zeigte man sich über die Kritik und vor allem die Wortwahl von "Dossier" indigniert. Es würden alle rechtlichen Vorschriften eingehalten, betonte Dienststellenleiter Martin Schipany in einer Aussendung. Weder würden - wie im Artikel geschrieben - "geheime Geschäfte gemacht", "vorbeigeschleust", "Lücken genutzt" noch "Tricks gemacht", sondern die Vorgaben des Medientransparenzgesetzes befolgt. "Ich sehe es als außerordentlich kritisch an, dass mit einer solchen Wortwahl anscheinend bewusst versucht wird, das Bild eines unrechtmäßigen Vorgangs zu zeichnen und Werbemaßnahmen ganz generell in ein schiefes Licht zu rücken", so Schipany.

Gegenüber HORIZONT hält der PID zudem fest: "Als der Verwaltungsgerichtshof 2021 in den beiden genannten Verfahren entschieden hatte, wurden die angefragten Kosten umgehend offengelegt. Im Übrigen wurden diese Verfahren nicht nacheinander geführt, sondern zusammengefasst. Die Berichterstattung der 'Rechercheplattform' ist wohl bewusst lückenhaft, denn während von einer 'unsichtbaren Beilage' berichtet wird, für die diese Auftragssumme aufgewendet wurde, ist vielmehr richtig, dass um die genannte Medienkooperationssumme das Produkt an sich bezahlt wurde, sowie die Beilage zu einem Magazin inklusive Direktabo-Vertrieb, zwei reichweitenstarken Tageszeitungen in Wien, Der Standard und Kurier, Point of Interest-Verteilung sowie Zurverfügungstellung im Morawa-Kiosk."

Ganz generell sei das genannte Medienkooperationsprodukt ebenfalls ein Mittel zur Zielgruppenkommunikation hinter dem eine konkrete Leistung im Sinne von Redaktion, Produktion und Reichweite liegt, so wie bei allen anderen Maßnahmen und Aktivitäten, die im Rahmen der Stadtkommunikation gesetzt würden. Und: "Die dossier.at-Darstellung des aktuell noch laufenden Verfahrens ist dabei ebenfalls mutwillig selektiv gehalten worden. Die angeführten 16.954 Belege enthalten nämlich auch all jene Belege, die bereits der RTR gemeldet worden sind. Daher müssten diese Belege allesamt einzeln überprüft werden, um eine korrekte Auskunft gemäß Auskunftspflichtgesetz geben zu können, worin sich auch der geschilderte Verwaltungsaufwand niederschlägt."

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