HORIZONT hat mit Peter Kropsch, Vorsitzender der APA-Geschäftsführung, gesprochen.
Peter Kropsch: Das Zitat hat einen ganz klaren Hintergrund: Wir in der APA haben uns in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen im Frühjahr angesehen, was denn eigentlich aktuell auf unser Geschäft wirkt. Es gibt zwei herausragende Kriterien: Erstens der technologische Fortschritt mit all seinen Ausprägungen, der Kommunikation im wesentlichen überall möglich macht und zum Zweiten der Wandel, wie Menschen mit Informationen, mit Kommunikation, umgehen. Das eine bedingt das andere – wenn ich praktisch immer und überall Zugang zu Informationen und zu meinen Netzwerken habe, dann sind die Rahmenbedingungen anders als in der Zeit, bevor das möglich war. Das sind die zwei großen Themen, die die Informations- und Kommunikationslandschaft in den nächsten Jahren prägen werden. Beide wirken über unsere Medienkunden und Eigentümer, aber auch über den Entscheidungsträgermarkt auf uns. Das sind zwei permanente, aktive Faktoren, die einen Strukturwandel bedingen, der von uns nicht beeinflussbar ist - das sind Megatrends. Das heißt, dass wir unsere Strukturen an das anpassen werden, was unsere Kunden, was unsere Nutzer in Zukunft brauchen werden und daher haben wollen. Darauf passen aber manche Schemata, wie wir sie in den letzten Jahren praktiziert haben, teilweise nicht mehr. Obwohl wir in der Vergangenheit überaus erfolgreich waren und diese Schemata über lange Jahre einen Teil der wirtschaftlichen Basis dargestellt haben. Wenn ich auf vergangenen Erfolgen sitzen bleibe, bin ich wie ein Zug ohne Lokomotive – der Zug rollt noch eine Weile, aber er bleibt unweigerlich stehen. Wir können die vergangenen Erfolge nicht in die Zukunft projizieren, sondern müssen die Situation permanent neu beurteilen. Wir müssen aber auch in einigen Bereichen den Mut haben zu sagen, dass manches, was in der Vergangenheit erfolgreich war, in der Zukunft nicht mehr erfolgreich sein wird - beziehungsweise sind diese Themen neu zu interpretieren und abzuwandeln. Das ist eigentlich der Hintergrund dieser Aussage.
HORIZONT: Und das heißt in der Realität?
Kropsch: In der Vergangenheit war Information natürlich textlastig. Es gibt einfach das Faktum, dass visuelle, multimediale Kommunikation – die Aufbereitung der Information im visuellen Umfeld, sei es durch Grafiken, durch Bewegtbild, sei es durch Verknüpfungen von Informationen miteinander – eine immer wichtigere Rolle spielt. Es ist eine Tatsache, dass wir diese neuen Umfelder brauchen. Natürlich wird die auf Text basierende Information immer ihren Platz haben – aber das Wirkungsgefüge verschiebt sich Richtung Multimedialität.
HORIZONT: Die Personalie Marcus Hebein ist eine Reaktion darauf?
Kropsch: Ja, das war eine Überlegung. Wir sind seit etwas über einem Jahr dabei, unser Redaktionssystem komplett zu erneuern, sodass auf allen Arbeitsplätzen multimedial gearbeitet werden kann und vor allem auch Verknüpfungen geschaffen werden können zwischen den einzelnen Bereichen. Der Newsroom wird vernetzt für alle Formate auf allen Ausgangskanälen produzieren können. Die komplexesten Formate sind natürlich multimediale, wo es nicht nur um die Information selbst geht, sondern vor allem auch um die Vernetzung miteinander – wie gehört was zusammen, welche Hintergründe gehören dazu … Da ist „semantisches Beschlagworten“ ein Thema. Das betrifft das Redaktionssystem. Dazu gehört aber auch, dass die Führungsstrukturen sich dem anpassen. Wir haben seit etwa einem halben Jahr den ersten Newsmanager aus der Abteilung MultiMedia. Der Newsmanager agiert in der in der Mitte des Newsrooms und steuert den Gesamtdatenstrom der APA-Nachrichten. Christian Kneil ist der erste Newsmanager, der aus APA-MultiMedia kommt. Marcus Hebein, der als stellvertretender Chefredakteur fungiert, hat einen umfangreichen Track-Record beim Aufbau der Multimedia-Dienste ab dem Jahr 1999. Das waren am Anfang rein Nachrichten für Websites und SMS-Dienste, mittlerweile haben sich diese Services auf sehr viele Formate ausgedehnt. Die Integration voranzutreiben, ist daher der nächste logische Schritt.
HORIZONT: Wohin führt das?
Kropsch: Das hängt einmal davon ab, auf welchen Endgeräten die Information kommuniziert werden soll – da sind wir über das Stadium der Websites schon weit hinaus. Das Thema mobile Services mit all seinen unterschiedlichen Endgeräten - das iphone ist da wie ein Pflug für neue Anwendungen. Sehr erfolgreich waren in den letzten Jahren auch Screen-Formate in Schaufenstern, Wartehallen, Autobussen – Informationsübermittlung ist mittlerweile völlig ortsungebunden. Die unterschiedlichen Geräte gehören in unterschiedlicher Art und Weise bespielt. Dazu müssen aber auch spezifische Formate zur Verfügung gestellt werden können. Anderes Beispiel: Die Darstellung von Sachverhalten über Grafiken. Grafiken sind eine attraktive Art und Weise, durch Information zu navigieren – die Kombination von Grafiken mit Information ist ein absolut zukunftsweisendes Thema.
HORIZONT: So wie der Fußball-Live-Ticker?
Kropsch: Der ist zunächst einmal für Medienunternehmen gedacht. Fußball kann man ja mit Röntgenaugen anschauen. Die Anzahl an statistischen Informationen, die es mittlerweile gibt – wieviele Passes, wieviele Kilometer gelaufen, wo gestanden, und so weiter – kann man über diese Grafik aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Dazu gibt’s quasi live die Berichterstattung über die Bundesliga-Spiele. Mittels Zeitband kann ich mir auch im Nachhinein einen Überblick verschaffen, was in diesem Spiel passiert ist. Dazu kommt jede Menge Hintergrundinformation zu Spielern, Vereinen, History und so weiter, die man verknüpfen kann. Also eine Menge komprimierter Information, die auch in der Produktion enorm aufwändig ist. Hier entstehen kleine Informationswelten. Dieser Dienst steht als Gesamtpaket den Medienpartnern zur einfachen Implementierung in ihre jeweilige Applikation und somit dem Enduser ab Start der Bundesliga zur Verfügung.
HORIZONT: Also Kombinationen…
Kropsch: Anderes Beispiel ist zum Beispiel eine noch nicht freigeschaltete Applikation für das iphone: Auf der Landkarte erscheinen Icons, wenn ich diese berühre, gibts die Information dazu – Lokales, Regionales, Chronik – was immer. Das wäre ein weiteres Beispiel einer Applikation, die wir als APA Medien anbieten, für ihre Kunden. Ein weiteres Beispiel, wie die Verknüpfung von Informationen aussehen könnte.
HORIZONT: Die APA lud zum APA-Online-Tag am 9. Juni ins ORF-Zentrum – was kann man dazu noch erzählen?
Kropsch: Vordringlich war, Innovation als Grundprinzip zu sehen. Wir als APA wollen unsere Kunden und insbesondere unsere Medienkunden in diesem schon genannten Strukturwandel unterstützen. Da gibt es eine Reihe von Aspekten, deren Beleuchtung lohnenswert ist – die neue Dimension des APA-OnlineManagers (AOM) – der Rechercheplattform für Medien und Informationsprofis -, mobile Applikationen, digitaler Pressespiegel und vieles mehr. Es steckt ein Grundgedanke dahinter: Welche Dinge kann man als Medienunternehmen gemeinsam machen, und wie kann man gemeinsam erfolgreich sein? Beispiel AOM: Die Applikation wird zukünftig nicht nur ein Auslieferungsinstrument für Informationen in allen Formaten sein – über dieses Tool können auch News-Items ausgetauscht werden. Wenn ein Medienunternehmen originär Informationen produziert und diese auch anderen zur Verfügung stellen möchte – tauschen, verkaufen, vermarkten –, dann wird das über dieses System möglich sein. In der neuesten Version gibt es eine vielfach verbesserte Schnittstelle zu Redaktionssystemen, sodass die Daten nicht mehr einkopiert werden müssen, sondern via drag-and-drop in den Workflow übernommen werden können. Das sind Schritte in Richtung digitale Ökonomie - es geht um kollaboratives Produzieren. Damit ist der AOM zeitgemäß interpretiert. Auch bei der Aufbringung von Nachrichten ist Kooperation sinnvoll: Wir reden derzeit mit Sportverbänden, um das Problem der Ergebnisaufbringung gemeinsam in den Griff zu bekommen. Die APA als ein zentraler Sammler von Sportergebnissen also. Ich glaube, dass das funktionieren kann. Damit haben die Medien einen zentralen Punkt, wo sie genau solche Informationen abholen können, die tief ins Regionale hineingehen. Wir versuchen damit, Prozesse, die jeder bisher allein ausführen musste, gemeinsam eleganter zu lösen.
HORIZONT: Also Kooperation bis zur Verflechtung?
Kropsch: Ich glaube, wir müssen stark unterscheiden zwischen dem, was zur Marke beiträgt und dem, was vorhanden sein muss. Wie eine technische Infrastruktur: Damit kann man sich nicht von anderen absetzen, das muss einfach funktionieren. Hier bieten wir – Beispiel Moser-Holding – Synergiebereiche an. Mit unserem medienspezifischen Know-how können wir solche Infrastrukturen bestens servicieren – wie auch beim ORF, der Kurier-Gruppe, BMW und Cineplexx, um nur einige zu nennen.
HORIZONT: 2008 war die APA deutlich im Plus, wie entwickelt sich 2009?
Kropsch: Wir haben ja bereits in der zweiten Jahreshälfte 2008 einen stetigen Abschwung der Konjunktur erlebt. Nicht umsonst haben wir uns im ersten Halbjahr mit Strategien befasst, wie wir unsere Mitgliedsmedien besser unterstützen können. Das sind Zeiten, wo wir alle sehr viel lernen und viel offener für Kooperationen sind. Angesichts der finanziellen Lage ist es durchaus nachdenkenswert, Türen, die bisher verschlossen waren, zu öffnen. Es wäre unrealistisch, dass Rückgänge am Werbemarkt nicht auch auf uns wirken würden. Im Bereich Bildverkauf haben die sinkenden Volumina bei manchen Print-Produkten eine ganz direkte Auswirkung. Wir sehen, dass sehr viele Projekte nach hinten verschoben werden. Das wird auch unser Geschäftsjahr beeinflussen – wir hatten 2008 ohne Akquisitionen ein organisches Wachstum von knapp sieben Prozent. Ich gehe davon aus, dass wir solche Zahlen in den nächsten Jahren nicht sehen werden. Wenn wir ein zartes Wachstum zustande bringen, werden wir sehr zufrieden sein.
HORIZONT Das – schlüssige - Geschäftsmodell für die neuen Kanäle existiert aber noch nicht?
Kropsch: Auch hier macht sich der zitierte Strukturwandel bemerkbar. Die Nachfrage der Nutzer nach diesen neuen Kanälen ist sehr hoch – die Finanzierungsmöglichkeiten sind allerdings derzeit unterdurchschnittlich.
HORIZONT: Welche Perspektive hat das Modell „Paid Content“?
Kropsch: Bei der Frage ‚Hat Paid-Content Zukunft?´ kann ich nur sagen: Entlang der Wertschöpfungskette zahlt immer jemand! Ob das der Endkunde ist, ein Werbefinanzier oder eine Mischung aus beiden. Die Kunst dabei wird das Aufsetzen entsprechender Geschäftsmodelle sein, um digitale Services nachhaltig erfolgreich machen. Die User nutzen diese Angebote, tragen aber faktisch unterdurchschnittlich zum Einkommen bei. Diese Kluft muss überwunden werden. Ich möchte jedoch sehr davor warnen, klassische Geschäftsmodelle sofort über Bord zu werfen. In weiten Teilen funktionieren sie und werden das auch noch lange tun.
HORIZONT Der Medienbeobachter Eisenbacher, eine APA-Tochter, sitzt nun auch am Naschmarkt?
Kropsch: Ja, vor zwei Wochen ist die Firma Eisenbacher übersiedelt, und wir freuen uns sehr, sie jetzt hier bei uns zu haben. Mit dieser Akquisition können wir den Markt der Entscheidungsträger besser servicieren. Dieser fällt in zwei große Bereiche auseinander: In Entscheidungsträger, die zeitkritische Informationen brauchen, also Organisationen mit starkem public-exposure wie börsenotierte Unternehmen, Politik, Ministerien usw., die sehr rasch wissen müssen, was sich rund um ihren Bereich tut. Das ist das Metier der APA-DeFacto. Dann gibt es ein Feld, in dem geht es um Dokumentation von Erfolg oder Nennungen. Hier ist die Firma Eisenbacher angesiedelt. Denken Sie an Sponsor-Beobachtung oder an die Nachweiserbringung, wie oft ein Logo im Bild ist. Erfolgsmessung der Präsenz, das ist das Versprechen der Firma Eisenbacher.
Ein Auszug des Interviews erscheint in HORIZONT 27-2009 am 3. Juli 2009.