,Hört nicht auf die Krankjammerer!‘
 

,Hört nicht auf die Krankjammerer!‘

#

Medienzukunfts-Preis‘: Der Kommunikationswissenschaftler Hannes Haas begleitet die neue Initiative des Manstein Verlags als Vorsitzender des ‚Zukunftsforums‘ – Im HORIZONT-Interview nimmt er eine Standortbestimmung der Medien vor

HORIZONT: Wenn Sie an das Begriffspaar „Medien“ und „Zukunft“ denken – welche Assoziationen haben Sie da?

Hannes Haas: Für ein Interview vermutlich zu viele. Als Kulturoptimist beginne ich mit den positiven Assoziationen: Chancen, neue Impulse, Innovation, kreative Herausforderung, Entwicklungspotenziale, Partizipation, ein Mehr an Medienkritik, nie gab es mehr Journalismus, mehr Medienkonsum als heute, eine neue Generation entdeckt neue Möglichkeiten, eine Konvergenzkultur mit analogem und digitalem Zusammenspiel entsteht, Medienunternehmer werden wieder „unternehmen“.
Negative: Orientierungslosigkeit, digitaler Schock, Verkrampfung, Verunsicherung beim Management, der Werbung und der Redaktionen, missachtetes Publikum, auf der Suche nach Geschäftsmodellen wird das Produkt Journalismus vernachlässigt.

HORIZONT: Die mediale Kommunikation wird – insbesondere durch die Digitalisierung – immer fragmentierter und kleinteiliger. Was bedeutet das für die Stellung von Massenmedien und in weiterer Folge für die Gesellschaft?

Haas: Medien, die ihre Bedeutung ausschließlich über Reichweiten definieren, durchleben schwere Zeiten. Wo der TKP und damit die Zahl der Kontakte und nicht die Zusammensetzung der Zielgruppe den Anzeigenpreis bestimmen, sinken die Werbeeinnahmen. Neben den alten Massenmedien entsteht eine fragmentierte Medienlandschaft, die jedenfalls einen Zuwachs an Vielfalt bringt. Deren Angebote sind im übrigen häufig vernetzt, sie verlinken sich gegenseitig, nehmen aufeinander Bezug. Das macht sie weniger kleinteilig. Und: Es gibt noch immer und es wird auch weiterhin Leitmedien geben, die Themen setzen, besondere Recherche-, Erklär- und Darstellungskompetenz aufweisen, die als Forum für wichtige Themen akzeptiert werden, die seriösen investigativen Journalismus garantieren, also Medien mit publizistischem Mehrwert. Die Gesellschaft braucht diese Medien als Orte des Zusammenhalts bei Fragen, die die gemeinsamen gesellschaftlichen Angelegenheiten – die res publica – betreffen.
Die Integrationsfunktion der Medien sorgt für diesen Zusammenhalt, sie ist der soziale Kitt, informiert und liefert Gesprächsstoff zu ganz unterschiedlichen Themen: von den Wahlen bis zur Hitzewelle, vom Royal Baby bis zu Prism...
Ich bin davon überzeugt, dass wir in den nächsten Jahren vermehrt Kooperationen von Medien bei manchen Themen und Großereignissen erleben werden. Damit schließen sich auch fragmentierte Öffentlichkeiten zusammen.

HORIZONT: Gerade in diesen Wochen beschäftigt sich die Fachwelt mit der Zukunft der Tageszeitung im Speziellen und der Zukunft von Journalismus im Allgemeinen. Ist die Aufregung ihrer Meinung nach gerechtfertigt, oder wird der Journalismus krank geredet?

Haas: Das Thema ist nicht mehr neu. Spätestens seit Beginn der Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 steht es permanent auf der Tagesordnung. Die Aktualisierung in den letzten Wochen erfolgte nach dem Verkauf der Springer-Blätter, der Washington Post und einer durch ein Leitmedium, nämlich Spiegel-Online, angestoßene Debatte über die Zukunft der Zeitung, die bisher trotz (oder wegen?) der Beteiligung der „üblichen Verdächtigen“ kein neues Argument gebracht hat.
Die Krise mancher Medienunternehmen – sie betrifft ja keineswegs alle – hat auch Folgen für den Journalismus, wenn Ressourcen eingespart und damit Arbeitsbedingungen eingeschränkt werden.
Aber es stimmt: Medien wie Journalismus werden krank geredet und etwas voreilig als unheilbar befundet. Die wunderbaren Margen der letzten Jahrzehnte sind kleiner geworden, aber andere Branchen mit vergleichbaren Problemen würden nicht einmal einen Bruchteil jenes Platzes in den Medien erhalten, den diese für ihre eigene Leidensschau bereitstellen. Das ist kommunikativ ziemlich unprofessionell: der Journalismus – und ich meine das gar nicht zynisch – würde dringend PR brauchen. Und das Medienmanagement mehr Journalismus und etwas weniger BWL.
Die Zukunft der Medien wird jetzt entscheiden und sie wird neben einigen wenigen Platzhirschen, die unambitionierten Dienstleistungsjournalismus mit Unterhaltungskick liefern, vor allem Qualitätsangeboten mit erkennbarem Profil und Nutzerprofit gehören. Wer antizyklisch in die Qualität der Redaktion und damit in das Produkt – und das ist und bleibt Journalismus – investiert, das digitale Portfolio ausbaut und verbessert, hat gute Karten. Die „ZEIT“ macht es Woche für Woche vor.
Wer den Jungen vom Journalismus abrät, teilt mit, dass er nicht an die eigene Zukunft glaubt. Er verliert eine Generation und zwar sowohl im eigenen Nachwuchs als auch bei den jungen Nutzern, die die Welterklärung von Journalisten der Generation 40+ nicht zufrieden stellt. Wer für die Jungen nicht mehr spannend und interessant ist, wird es bald auch für die mittleren Altersschichten nicht mehr sein.

HORIZONT: Sie zeichnen für die Evaluierung der bestehenden Presseförderung verantwortlich und empfehlen eine deutlich erhöhte Förderung – wird Qualitätsjournalismus zum ewigen Subventionsfall?

Haas: Da muss ich ausholen. Die Staatsoper, die Festspiele, das Burgtheater und unsere wunderbaren Museen: sie alle sind ewige Subventionsfälle. Sie finanzieren sich durch staatliche Unterstützung, private Sponsoren und nur zum Teil über die Eintrittspreise. Eine Finanzierung alleine über die Eintrittspreise hätte fatale soziale Folgen, weite Teile der Bevölkerung wären vom Kulturkonsum ausgeschlossen. Ähnliches würde im Medienbereich drohen, bei dem das Kleinstaatenproblem massiv zum Tragen kommt. Die FAZ oder die SZ träumen von nationalen Reichweiten, die der Standard oder die Presse haben. Unser Leser- und Anzeigenmarkt ist um den Faktor 10 kleiner, aber er ist es, was die journalistische Qualität betrifft, in keiner Weise.
Viele Medien würden auch ohne Presseförderung überleben, für eine Handvoll entscheidet selbst die bescheidene aktuelle Presseförderung existenziell über Sein oder Nichtsein. Aber das gesetzliche Ziel der Presseförderung ist die Unterstützung und Sicherung von Vielfalt und Qualität. Die Unterstützung ist – bei klaren und transparenten Kriterien – eine Investition in die Lebensadern, in die Infrastruktur der Demokratie. Daher habe ich eine deutliche Erhöhung der Presseförderung empfohlen und zusätzlich noch ein „Media-Fit“-Paket, das in den Transformationsjahren, die ja schon längst begonnen haben, den Medien die Möglichkeit geben soll, in den Zeiten des Übergangs Modelle, Innovationen zu versuchen und die Grundpfeiler gesellschaftlicher Kommunikation digital wie analog weiterzuentwickeln. Das Paket ist zunächst zeitlich limitiert auf zwei bis drei Jahre vorgeschlagen, um Kooperationen, Innovation und Avantgarde zu fördern. Es würde demokratiepolitisch nicht zu unserem Schaden sein.

HORIZONT:
Müssten Sie eine Maxime für die Medienzukunft formulieren, wie würde sie lauten?

Haas: Hört nicht auf die Krankjammerer, versucht nicht länger, das Rad der Zeit zurück zu drehen, sondern nehmt die Herausforderungen der Zukunft an.
Passt nicht den Journalismus an die Unternehmen an, sondern die Unternehmen an den Journalismus. Holt euch auch publizistische Expertise in die Aufsichtsräte als Ausgleich zur produktfernen BWL-Expertise.
Wenn ihr nicht an euer Produkt glaubt, dann macht doch eines, an das ihr glauben könnt.
Lernt endlich eure Nutzer kennen. Die Online-Welt fördert den Vergleich, sie schafft auch kritischere Rezipienten.
Und – liebe Journalistinnen und Journalisten – checkt endlich, warum ihr bei den Umfragen über Berufsimages ganz unten (bei den Politikern) liegt. Lasst Innovationen zu, mischt alt und jung, seid selbstkritisch. Bildet euch aus und weiter, nutzt die sozialen Medien, sucht Kontakte mit den Rezipienten, das macht euch stärker und autonomer. Das Modell Armin Wolf beweist: es geht!
stats