Editorial von Sebastian Loudon, Herausgeber (HORIZONT 25/2013)
Da ist sie wieder, die ORF-Diskussion. Was darf, was soll er, wo muss er sparen. Gerade noch müssen sich die Mitarbeiter in einem emotionalen Hoch gefühlt haben. Mit seiner flächendeckend „Wie Wir“-Kampagne landete der ORF einen kommunikativen Hit, der Song „Westcoast“, der die TV- und Radiospots unterlegt, erobert die Herzen und Ohre des Publikums und mausert sich auch in den Charts nach vorne. Die Kampagne polarisiert, das ist nicht nur zu erwarten gewesen, sondern auch gut. Marktbegleiter und Politiker kritisieren die Investitionen in Werbung, Kritiker echauffieren sich über den anbiedernden Duktus. Da muss die Frage erlaubt sein: Steht es einem öffentlich-rechtlichen Sender nicht gut zu Gesicht, sich mitsamt manchen seiner Stars auf Augenhöhe des Publikums zu begeben? Ist das so verkehrt oder gar anbiedernd?
Parallel dazu bekam der ORF unerwarteten Aufwind aus dem östlichen Mittelmeerraum, genauer gesagt von der griechischen Regierung, die über Nacht den dortigen Staatssender abgedreht hatte und damit für einen Aufschrei quer durch Europa gesorgt hatte. Man darf den griechischen ERT nicht annähernd mit dem ORF vergleichen, er bedeutet dem Durchschnittsgriechen so gut wie gar nichts, davon konnte sich der Autor dieser Zeilen in der vergangenen Woche im Gespräch mit Bewohnern der Insel Korfu überzeugen. Spiros, ein Beamter der Küstenwache, etwa, der heute 6.000 Euro weniger im Jahr verdient als noch vor ein paar Jahren, ist ehrlich froh darüber, wenn die Regierung Sparmaßnahmen setzt, die ihm nicht weh tun. Wann er das letzte Mal einen ERT-Sender gehört oder gesehen hat, will ihm nicht und nicht einfallen. Die Krise in Griechenland ist überall spürbar, und heilige Kühe gibt es schon länger nicht mehr. Einen neuen, günstigeren und modernen Sender hochzuziehen, hält er für eine gute Idee, die Skepsis, ob das auch tatsächlich so umgesetzt wird, ist jedoch spürbar. Für Europa war die Maßnahme, insbesondere die Schnelligkeit und Kompromisslosigkeit, ein Schock, der noch nicht verdaut ist. Und plötzlich genossen die eigenen öffentlichen Rundfunkanstalten ein ganz neues Image. Man wusste plötzlich, was man an ihnen hat, weil es anderen urplötzlich weggenommen wurde. So brachte es Doris Knecht in ihrer Kurier- Kolumne auf den Punkt: „Man schimpft viel über den ORF. Meistens zu Recht. Aber die Idee, dass es ihn morgen nicht mehr geben könnte, ist wirklich zutiefst erschreckend.“ Wie wohltuend solche Zeilen für jeden ORFler sein müssen …
Und jetzt? Nach diesem Gefühls-High kommt der Katzenjammer: Die Privaten gehen in die Offensive, was das ORF-Hamstern von TV-Rechten betrifft, und die Absage des Bachmann-Preises bringt dem ORF wieder einmal harsche Kritik von allen Seiten (siehe rechts). Der große Vorteil eines Lebens auf der Hochschaubahn? Fad wird einem bestimmt nicht.