Die österreichische Bevölkerung stellt den Medien und dem Journalismus in der aktuellen Situation ein gutes Zeugnis aus. Viele befürchten jedoch eine nachhaltige Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit.
Schon im vergangenen Monat erhob das Gallup Institut gemeinsam mit dem Medienhaus Wien die Einstellung der österreichischen Bevölkerung gegenüber Medien und Journalismus in Zeiten der Corona-Krise. Das Update (knapp drei Wochen später) zeigt: Nutzer fühlen sich noch besser informiert. Bei der ersten Befragungswelle am 16. bis 18. März gaben 77 Prozent an, sich "sehr gut"/"gut" informiert zu fühlen, im Erhebungszeitraum 7. bis 8. März lag der Wert bei 83 Prozent. Gleichzeitig hat die Mediennutzungsdauer teilweise abgenommen. In den ersten Tagen der Ausgangsbeschränkungen waren es noch mehr als die Hälfte, knapp 53 Prozent, die zwei Stunden oder mehr Zeit damit verbrachten, sich über Covid-19 zu informieren, Anfang April waren es nur noch 30 Prozent. Befragt wurden 1.000 Österreicher ab 16 Jahren, die Studie wird laufend mit verschiedenen Fragekomplexen weiter formuliert und vom Gallup Institut und dem Medienhaus Wien selbst finanziert. "Die vielen Stunden, die man sich mit dem Thema befasst hat, haben offenbar genützt: Insbesondere bei den jüngeren Gruppen scheint der Informationsbedarf weitestgehend erfüllt zu sein. Man hat nicht mehr den Eindruck, permanent am Informationstropf hängen zu müssen, es stellt sich Routine ein", meint Meinungsforscherin und Gallup-Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz.
Die Relevanz des Journalismus wird ungebrochen hoch eingeschätzt, sowohl auf der persönlichen Ebene mit 73 Prozent als auch für die Gesellschaft mit 77 Prozent der Befragten. 26 Prozent stehen Journalisten "positiv" gegenüber. Die überzeugtesten Anhänger finden die Medien dabei unter den Grün- und NEOS-Wählern (38 und 37 Prozent). Etwa acht Prozent der Bevölkerung stehen Journalisten "negativ" gegenüber. Die Krise würde dem Journalismus die "einmalige Chance" bieten, den Berufstand als "sinnvolle Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft" konkret unter Beweis zu stellen, mahnt Fronaschütz. Bezüglich der Nutzerbindung der einzelnen Titel sagt sie: "Die Nutzerbindung steht in einem direkten Zusammenhang mit diesen Kriterien und weist eine weite Spreizung auf: sehr hohe Werte bei ORF und Servus TV, ebenso beim Regionalradio und Ö1. Bei den Zeitungen erreichen ebenfalls die Qualitätszeitungen hohe Werte, die Gratistitel liegen hingegen auf einem Niveau mit Social-Media-Plattformen.“ Die Befürchtung, dass die Presse- und Meinungsfreiheit nach der Krise nachhaltigen Einschränkungen unterliegen, verneint genau die Hälfte der Teilnehmer. 45 Prozent jedoch haben "Befürchtungen" vor etwaigen Entwicklung. „Gleichzeitig zeigt der hohe Anteil jener, die zugeben, keine Meinung zu haben, dass eine gewisse Unsicherheit in der Einschätzung mitschwingt, insbesondere bei den Jüngeren. Dass die Wähler der beiden Regierungsparteien mehr Vertrauen haben, liegt in der Natur der Sache, aber dass die Wähler der NEOS mit 75 Prozent das höchste Vertrauen in die zukünftige Presse- und Meinungsfreiheit haben, kann man auch bei niedrigen Fallzahlen als Grundvertrauen in die demokratischen Strukturen werten“ sagt die Meinungsforscherin.
GIS-Gebühren stoßen auf wenig Akzeptanz
Besonders die Bedeutung von Zeitungen zur Informationsbeschafftung hat bei der zweiten Erhebungswelle um zehn Prozentpunkte auf 64 Prozent zugelegt, die Sozialen Medien und Online-Newsportale hingegen verzeichnen einen deutlichen Rückgang (von 41 auf 28 Prozent und von 27 auf 17 Prozent). Bei den Zeitungstiteln zeigen sich insbesondere die
Standard-Leser als ("eher") zahlungsbereit (36 Prozent), 20 Prozent antworteten mit "vielleicht", fast gleiche Zahlen gibt es für die
Salzburger Nachrichten. Für die
Heute würden die wenigsten bezahlen, nämlich nur elf Prozent. Die GIS-Gebühr stößt in der neuen Gallup-Studie auf eher weniger Akzeptanz. 34 Prozent der Befragten finden die Gebühren "in Ordnung", 56 Prozent würden sie "lieber abschaffen". Die GIS-Gegner finden sich besonders unter den FPÖ-Anhängern und "Verschwörungstheoretikern", die meinen, dass eine "fremde Macht" hinter der Corona-Krise stecke. „Die Verschwörungstheoretiker konzedieren dem ORF zwar weniger Glaubwürdigkeit und zeigen geringe Akzeptanz für Gebühren, das hält sie aber nicht davon ab, ihn intensiv zu nutzen“, kommentiert Fronaschütz.
Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage, die natürlich auch die Medien trifft, unterstützen 38 Prozent der Studienteilnehmer die Idee einer Sonderförderung für Medien. Fast genauso viele (39 Prozent) haben "keine Meinung" dazu. Das wichtigste Kriterium für eine Sonderförderung ist für die Befragten "Qualität" (43 Prozent). Darauf folgen "gute journalistische Praxis" (17 Prozent) und "Größe und Reichweite" (elf Prozent). "„Bedenklich wirkt, dass die Profession in eigener Sache keinen guten Job in der Kommunikation macht, die Österreicher konnten sich keine eindeutige Meinung bilden. Angesichts der Bedeutung von Berichterstattung und von Journalismus würde man sich breitere Unterstützung erwarten. Die Daten weisen auf mangelnde Information hin“, sagt Fronaschütz.
Der enorme Informationsbedarf in dieser Krisenzeit lässt bei fast drei Viertel der Befragten den Wunsch nach mehr persönlicher Medienkompetenz aufkommen, also Glaubwürdigkeit von Nachrichten besser einschätzen zu können. 55 Prozent sehen den Bildungsauftrag dahinter bei den Medien, 53 Prozent bei der Regierung, besonders die Jüngeren. Fronaschütz kommentiert: "Die Älteren wünschen sich diese Vermittlung eher von unabhängigen Institutionen. Die Meinungsforscherin: „Schon diese Verteilung zeigt, wie wichtig die Vermittlung von Medienkompetenz bei den derzeit jungen und somit künftigen Mediennutzern ist. Wer morgen mündige Leser beziehungsweise Hörer und Seher als Wähler möchte, ist gut beraten, diese Kompetenzen im Lehrplan zu verankern.“