Im Gespräch mit dem HORIZONT erläutert Lilian Meyer-Janzek ihre Dissertation "Mediaforschung in Österreich", die Frage wie sich eine realitätsgetreue Reichweite für Werbung in Printmedien erfassen ließe und mehr.
Horizont: Ihre Dissertation beschäftigt sich mit Methoden der Reichweitenforschung mit Fokus auf Print und insbesondere die Media-Analyse. Sie ist soeben als Sachbuch erschienen. Warum haben Sie sich für dieses Thema entschieden?
Lilian Meyer-Janzek: Die Methode der Media-Analyse geht auf die 30er Jahre in Großbritannien zurück und wird in Österreich seit den 60er Jahren angewendet. 2005 launchte mein Arbeitgeber die Mediaagentur MediaCom ein Instrument zur elektronischen Messung von Printreichweiten. Der Barcode-Scanner ‚Mediascan’ stellte eine Innovation dar, im Vergleich zur etablierten Messung mittels Befragung, die sich für valide Daten auf die Erinnerungsleistung von Respondenten stützt. Die Methode der Media-Analyse geht auf die 30er Jahre in Großbritannien zurück und wird in Österreich seit den 60er Jahren angewendet. Nach meinem Wechsel als Marketingleiterin zum Standard war ich in die Diskussion rund um die neue Methode ‚Mediascan’ involviert. Leider konzentrierte man sich auf die Nachteile und weniger auf Verbesserungsvorschläge und das mögliche Potential der Methode. So entstand der Wunsch mich im Rahmen einer Bildungskarenz verstärkt mit dem Thema auseinander zu setzen.
Horizont: Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Dissertation?
Meyer-Janzek: Österreich steht mitten im Umbruch der Mediaforschung. Ende 2008 wurde mit dem Erneuerungsdialog des Vereins Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen die Weichen für eine neue Ausrichtung und Anpassung der Forschungspraxis an die Anforderungen des Marktes gestellt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund scheint es relevant, über bisherige Entwicklungen der Methoden der Reichweitenforschung zu reflektieren, sowie Schwachstellen und Potentiale möglicher Methoden zu analysieren. Im besten Fall liefert meine Arbeit Input für den Erneuerungsprozess der Media-Analyse.
Horizont: Wie nähern Sie sich dem Thema?
Meyer-Janzek: Es fließt sehr viel Geld in Werbung, die im Gegenzug Aufmerksamkeit in Form von Werbekontakten erzielt. Die Reichweitenforschung hat die Aufgabe das System Medien, das sich über Publizität, also Aufmerksamkeit, definiert, für das System Wirtschaft, das sich über Geld definiert, in Form einer ’Währung’ zu übersetzen.
Horizont: Nun gibt es aber unterschiedliche Erwartungen ...
Meyer-Janzek: ... der Akteure, richtig. Medien erwarten sich vereinfacht gesagt Zahlen, die immer aussagen, dass sie ‚super’ sind und die das Marketing für den Verkauf von Werbefläche nutzen kann. Agenturen benötigen umfassende Zahlen, denn sie müssen für ihre Kunden Leistungsnachweise für ihre Planung erbringen, Wirkungsforschung betreiben und Zusammenhänge herstellen, auch intermediale Vergleiche ziehen. Hier gilt es sich zu einigen.
Horizont: ... insbesondere im Hinblick auf den Media Server, der bis 2013 Wirklichkeit werden soll. Der Media Server hat eine Zielgruppenstudie im Zentrum, in die Medienstudien hineinfusioniert werden, um den Gesamtmarkt abzubilden. Wie lassen sich hier intermediale Vergleiche ziehen?
Meyer-Janzek: Das Internet misst Page Impressions und hat damit die härteste Messung auf Werbemittelebene. TV könnte den Werbemittelkontakt für einzelne Spots messen, der Teletest ermittelt allerdings nur die durchschnittliche Reichweite ganzer Werbeblöcke. Der neue Outdoor-Server bringt nächstes Jahr zum ersten Mal Daten, die auf dem Drei-Säulen-Modell – Frequenzlandschaft, Mobilitätsstudie und Werbeträger-Verortung basieren, und misst somit auf Werbemittelebene. Der Radiotest erfasst Viertelstundenreichweiten, basiert aber wie Print auf einer Befragung. Die misst somit auf Werbeträgerebene, was nicht mehr befriedigend ist.
Horizont: Dies gilt wohl insbesondere für den Media Server?
Meyer-Janzek: Für holistische Ansätze, wie es der Media Server ist, – er orientiert sich am britschen Modell IPA Touch Points, – sollten alle Medienstudien auf der Werbemittelebene messen. Die Media-Analyse misst auf Werbeträgerebene. Dies eignet sich nicht für den intermedialen Vergleich, denn erst eine Messung auf Werbemittelebene gibt Auskunft über den realen Werbekontakt und ermöglicht eine gemeinsame Währung und vergleichbare Reichweiten.
Horizont: Wurde in Großbritannien eine gemeinsame Währung gefunden?
Meyer-Janzek: Nein, die Studien werden so genommen wie sie sind. Eine gemeinsame Reichweite, für die man eine Gewichtung benötigt, tun sie sich nicht an. Man legt die Gewichtung in die Hände der Agenturen.
Horizont: Ist dieses Vorgehen für den Media Server auch zu erwarten? Meyer-Janzek: Das weiß ich nicht, aber möglicherweise ja. Horizont: Und wonach gewichten Agenturen?
Meyer-Janzek: Sie werden die Reichweiten an der Nutzungsintensität orientieren, um näher an den Werbemittelkontakt heranzukommen, denn man weiß, je mehr Seiten gelesen wurden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Werbung gesehen wird.
Horizont: Das heißt man muss sich nicht auf die Währung einigen ...
Meyer-Janzek: Ja, aber das ist Blödsinn, weil der Kunden bekommt dann je nach Agentur andere Werte und differierende Mediapläne.
Horizont: Und das wird den Medien am Ende auch nicht recht sein.
Meyer-Janzek: Eben. Daher ist die beste Variante die Kontaktchancen der Medien auf Werbemittelebene zu erheben und die Werbewirkung aus dem Spiel zu lassen, da sie von so vielen verschiedenen Faktoren abhängt: der Aufmerksamkeit, der Gestaltung der Werbung, persönlichen Interessen. Medien sind nur auf der Kontaktebene vergleichbar. Eine Printreichweitenstudie sollte drei Kriterien erfüllen: die realitätsgetreue Abbildung des, das heißt 20 Prozent Reichweite sollten auch für 20 Prozent der Bevölkerung stehen, damit habe ich einen absoluten Wert für die Leserschaft. Die Abbildung der Printnutzung sollte repräsentativ für die gesamte Bevölkerung sein und – auf Werbemittelebene erfolgen.
Horizont: Am Ende Ihrer Arbeit skizzieren Sie einen Idealvorschlag dafür. Wie sieht dieser aus?
Meyer-Janzek: Mein Vorschlag ist mehrteilig. Ich empfehle eine Umfrage, die auf Recognition basiert. Das heißt man macht nicht wie bisher eine Abfrage, die eine Logo-gestützte Erinnerungsleistung von den Befragten verlangt, sondern eine Abfrage mittels Covervorlage. Hier würde ich wie bisher ein möglichst großes Sample für die Repräsentativität empfehlen. Aus diesem Pool sollte ein Teil der Proponenten, apparativ messen, hierfür könnte eine handyfähige Software dienen. So erhalte ich Daten zur Intensität der Printnutzung – wie lange und wann wurde gelesen. Dann empfehle ich alle paar Jahre eine explorative Studie. Dieses Panel erfasst zusätzlich zum Nutzungsakt beispielsweise die Anzahl der gelesenen Seiten oder die Regelmäßigkeit des Lesens, was uns etwas über die Loyalität des Lesers aussagt. Eine Frage, die mit dieser Leserloyalität korreliert sollte schließlich in die Hauptumfrage integriert werden. Diese Art Studie könnte realistische Seitenkontaktchancen und weiterführende Erkenntnisse für die Werbeplanung liefern. Auch die redaktionelle Forschung und Vermarkter von Werbeflächen würden von den Ergebnissen profitieren.
Horizont: Welche Reaktionen gab es bisher auf ihre Arbeit?
Meyer-Janzek: Das Buch gibt es erst seit kurzem. Aber mein Doktorvater Prof. Dr. Hannes Haas vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft lobte die Arbeit als in allen Belangen State of the Art und in einigen sogar Avantgarde. GroupM-COO Peter Lammerhuber sieht in der Arbeit eine wertvolle Arbeitsunterlage für alle mit dem Media-Server betrauten Personen. Gerhard Turcsanyi, der mich bei meiner Dissertation sehr unterstützt hat und den ich als meinen „inoffiziellen Doktorvater“ betrachte, hält die Arbeit für wegweisend. Und mittlerweile kann man auch den VÖZ-Förderpreis als positive Reaktion auf die Arbeit werten.
Ad personam: Lilian Meyer-Janzek studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaften und promovierte im November 2010. Seit Herbst 2010 leitet sie als CEO die Internet Agenden der GroupM Interaction. Die Wienerin ist Lehrbeauftragte an der Fachhochschule St. Pölten. Sie ist darüber hinaus Vorstandsvorsitzende des Vereins Forum Media Planung. Meyer-Janzek startete ihre Karriere 1995 bei Meta Communication International, wo sie für Aufbau und Leitung einer Abteilung für Medienresonazanalysen verantwortlich war. Von 2000 bis 2005 war sie bei der Mediaagentur MediaCom tätig, von wo sie als Client Service Grouphead in die Marketingleitung der Tageszeitung Der Standard wechselte. In ihrer Bildungskarenz von 2008 bis 2010 widmete sich Meyer-Janzek dem Doktoratsstudium.