In Frankfurt traf sich die deutsche Kommunikationsbranche zu ihrem traditionellen Jahresauftakt zu einer kollektiven Tour d’Horizon zu den großen Herausforderungen am Beginn eines spannenden Jahres
Ein genauer Blick auf das Neue, eine kritische Betrachtung des Establishments, ein Appell an die Regulierungspolitik und eine feierliche Würdigung von herausragenden Persönlichkeiten des vergangenen Jahres – das alles bot der Deutsche Medienkongress am 21. und 22. Jänner 2015 in der Alten Oper zu Frankfurt. Highlight und gleichzeitig das inoffizielle Neujahrstreffen der deutschen Medien- und Kommunikationswirtschaft ist dabei die Auszeichnung der „Männer und Frauen des Jahres“ in den Kategorien Agenturen, Medien und Unternehmen. Diese gingen an Timotheus Höttges, den CEO der deutschen Telekom, an Marco Seiler von der Agentur Syzygy sowie an Donata Hopfen, die Geschäftsführung der Bild-Verlagsgruppe aus dem Axel Springer Verlag.
Außergewöhnlich an dieser Gala: Es gibt immer auch einen hochkarätigen inhaltlichen Akzent, der in diesem Jahr von Internet-Investor Oliver Samwer (Rocket Internet AG, unter anderem Zalando) kam. Samwer erzählte die Geschichte von drei Brüdern, die in wenigen Jahren ein Internet-Imperium mit mehr als 25.000 Mitarbeitern weltweit hochgezogen haben. Seine eigentliche Botschaft an die Zuhörer: Es ist noch nicht zu spät, der Siegeszug des mobilen Internets mischt die Karten neu. Er sieht Mobile als die „Nachkriegszeit des Internets“ und ist davon überzeugt, dass Europa, insbesondere Deutschland der sich abzeichnenden Weltherrschaft des Silicon Valley etwas entgegenhalten kann. Samwer: „Auch Deutsche können Internet.“
Grabner und das Kartellamt
Die zwei Kongresstage waren selbstredend auch von der Digitalisierung geprägt – doch lag ein Schatten über den deutschen Medienmachern, der sich am Besten mit dem unseligen Begriff „Lügenpresse“ beschreiben lässt, der es im Zuge der Pegida-Demonstrationen wieder an die Oberfläche zumindest in die Untiefen der Onlineforen geschafft hat. Gibt es einen breitflächigen Vertrauensverlust der klassischen Medien? Klare Antwort gab es darauf keine, sehr wohl aber ein spürbares Unbehagen. Der neue FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube dazu trocken: „Erstmal cool bleiben.“ Einer der wenigen verbliebenen „Medien-Österreicher“, Michael Grabner, Berater der Verlagsgruppe Holtzbrinck, wurde dazu auserkoren, in einem Zwiegespräch mit dem Chef des deutschen Bundeskartellamts für mehr Bewegungsfreiheit der Verlagsunternehmen im Rahmen von Zusammenschlüssen zu appellieren. Die praktizierten Marktabgrenzungen würden die neue Wettbewerbsrealität der Medienunternehmen in keiner Weise berücksichtigen, so Grabner.
Den Managern die Leviten gelesenFranziska Augstein, Tochter des Spiegel-Gründers und Feulliton-Journalistin bei der Süddeutschen Zeitung, las den versammelten Medienmanagern gehörig die Leviten, indem sie deren Hektik bei der Digitalisierung mit geschliffenen Worten kritisierte. Diese ginge, so Augstein, mit einer Missachtung der bestehenden Leserschaft einher und würde nicht berücksichtigen, dass „dem Onlinejournalismus kurz- bis mittelfristig mehr Lukrativität attestiert wird, als er einlösen können wird“.
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Dieser Artikel erschien bereits am 30. Jänner 2015 in der HORIZONT-Printausgabe 5/2015. Hier geht’s zur Abo-Bestellung.