32 Prozent der Österreicher sind offen für Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit der Coronakrise. Menschen wollen, so Caroline Heinrich von der Universität Wien, so die Kontrolle über die Situation zurückgewinnen.
Eine aktuelle Umfrage des Market Instituts ergab, dass 32 Prozent der Österreicher offen für Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit der Coronakrise sind. Sie finden, dass an "Meinungen, dass es bei den Maßnahmen gegen die Coronakrise um etwas ganz anderes geht als das, was Politik und Medien sagen", etwas dran sei. Für 41 Prozent ist so ein Verdacht unbegründet, 27 Prozent waren unentschieden. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Market Instituts. Damit gebe immerhin ein knappes Drittel der Österreicher Verschwörungstheorien breiten Raum, schlussfolgerte das Linzer Institut. Die Umfrage wurde vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt. 1.000 Österreicher, repräsentativ für die Bevölkerung ab 16 Jahren wurden online interviewt.
Wenig überraschend
Dass derzeit so viele Verschwörungstheorien im Umlauf sind, ist für Caroline Heinrich, Professorin für Philosophie und Ethik in Schule und Gesellschaft an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien, wenig überraschend. "Denn Ereignisse, die bis zum Zeitpunkt ihres Eintritts für die meisten Menschen unvorstellbar waren, bilden den idealen Nährboden für Verschwörungsgeschichten."
Die COVID-19-Pandemie besitze zweifellos die Qualität eines solchen Nährbodens. Mit dem plötzlichen Einbruch des Virus in unser Leben hätten sich innerhalb kürzester Zeit die politischen Entscheidungen überschlagen – von der Schließung von Schulen, Universitäten, Grenzen bis hin zu weitgehenden Ausgangsbeschränkungen. Hinzu komme, dass "Corona" nicht einfach nur einen radikalen Schnitt zwischen dem Leben vorher und nachher gesetzt hat, sondern auch weiterhin den Alltag bestimmt. Die Angst vor dem Virus in der "Halbnormalisierung" führt zur beklemmenden Situation einer Sterilisierung des Lebens.
"Die Verschwörungsanhänger, die sich das Ereignis Corona mit dem großen Plan einer Verschwörung erklären, gewinnen mit ihrem Erklären scheinbar Kontrolle über die Situation zurück", folgert Heinrich. "Zugleich können sie sich überlegen fühlen und sich über jene erheben, deren geistige Kapazitäten zu beschränkt sind, um das Ereignis als Folge einer Verschwörung zu verstehen."
Junge misstrauen häufiger
Auffällig seien das zunehmende Misstrauen mit niedrigem Alter und nach Parteien. 34 der jüngsten, aber nur 30 Prozent der ältesten Gruppe meinten, dass an den Gerüchten etwas dran sei. Die Anhänger der Oppositionsparteien waren ebenfalls häufiger der Meinung, dass es bei den Maßnahmen um etwas anderes gehe als kommuniziert werde. 53 Prozent der FPÖ-Wähler, 46 Prozent der NEOS- und 44 Prozent der SPÖ-Getreuen gaben etwaigen Verschwörungstheorien Raum, aber nur 23 Prozent der ÖVP- und 24 Prozent der Grünen-Unterstützer.
Was die Auswirkungen der Pandemie betrifft, waren jene, die einer Verschwörungstheorie etwas abgewinnen konnten, pessimistischer. 39 Prozent von ihnen hielten die gesundheitlichen, 44 Prozent die wirtschaftlichen Auswirkungen für bedrohlich. In der Gruppe, die in puncto Verschwörung einen unbegründeten Verdacht sah, wurden die Auswirkungen nur von einem guten Viertel als angstmachend eingestuft, führte das Institut aus. Hervorgehoben wurde auch der Unterschied zu Deutschland, wo nur 20 Prozent (und nicht wie in Österreich 32 Prozent) in Betracht ziehen, dass mehr hinter den politischen Aussagen steckt, als Politik und Medien kommunizieren.
'Immer dasselbe Schema'
Hinter den Verschwörungstheorien steckt ein System. Heinrich: "Es ist immer dasselbe Schema: Ob Flugzeuge ins World Trade Center stürzen, Menschen in großer Zahl nach Europa flüchten oder Notre Dame brennt – kurze Zeit später ist die erste Verschwörungstheorie im Netz, die erklärt, welche Regierung, welcher Geheimdienst, welche Lobbygruppe dahintersteckt. Jetzt ist es Corona. Und wenn mit einem Schlag der Stephansdom in sich zusammenstürzte oder sonst irgendetwas Spektakuläres passierte, ginge die Sache von vorne los