Die Chefredakteurin der Kärntner "Kleinen Zeitung", Eva Weissenberger, im HORIZONT-Interview über ruppige Sitten gegenüber Journalistinnen und wie die "Kleine" online punktet.
Eva Weissenberger: Die Umstellung als innenpolitische Journalistin war die kleinste. Dass gleich danach ein Wahljahr ausgebrochen ist, hat mich nicht geschreckt, weil das ist ja das Einzige, was ich schon konnte (lacht). Das Hochwasser habe ich auch gut über die Bühne gebracht, aber eine Naturkatastrophe als nicht gelernte Chronikjournalistin ist sicher eine größere Herausforderung als vorgezogene Neuwahlen.
HORIZONT: Worin unterschied sich die Kärntner Politik unter dem FPK von der Bundespolitik? Dem handelnden Personal eilt ja ein gewisser Ruf voraus.
Weissenberger: In Wien geht es auch nicht fein zu, aber hier war es dreister, offensiver und öffentlicher, was die Beschimpfungen angeht. Im Sommer, als ich gekommen bin, war gleich der Parteitag der FPK, an dem Uwe Scheuch zurückgetreten ist und an Kurt Scheuch übergeben hat. In seiner ungefähr 50-minütigen Rede hat Kurt Scheuch die ersten 20 Minuten über die "Kleine Zeitung" geschimpft – inklusive Verweisen auf uns à la: „Da oben sitzen sie auf der Tribüne.“ Es folgten Buhrufe des ganzen Saals. Was er inhaltlich machen wollte, das hat nur fünf Minuten gedauert.
HORIZONT: Steckt man solche Angriffe schwer weg? In Klagenfurt läuft man sich ja auch ständig über den Weg. Weissenberger: Meine Kolleginnen, Antonia Gössinger und Andrea Bergmann, die das ja schon seit 15 Jahren ertragen, haben viel ausgehalten und sind trotzdem nicht daran zerbrochen. Ich selbst bin auch nicht als Person angegriffen worden. Davor haben mich zwar viele gewarnt, aber als ich kam, war gleich das Birnbacher-Geständnis, und ab da waren alle so mit sich selbst beschäftigt, dass es so weit eigentlich nicht mehr gekommen ist.
HORIZONT: Man hatte das Gefühl, dass bei den Angriffen auf Frau Gössinger ständig ein sexistischer Unterton herrschte. Ist das Geschlecht ein Kriterium, oder wurde hier nur die Funktion der Reporterin angegriffen?
Weissenberger: Das Paradoxe an der Kärntner Politik ist ja, dass es auf der einen Seite fast nur männliche Politiker gab und denen auf der anderen Seite aber fast nur Journalistinnen gegenüberstanden: Antonia Gössinger mit Andrea Bergmann bei der "Kleinen", Waltraud Dengel von der "Kronen Zeitung" und "Claudia Grabner" von der "KTZ". Insofern weiß man nicht, wie ein Mann angegriffen worden wäre. Die starken politischen Journalistinnen waren eben Frauen. Aber es ist natürlich eine Macho-Partie.
HORIZONT: In der Kärntner "Kleinen" sind mittlerweile zwei Journalistinnen tätig, die den Kurt-Vorhofer-Preis tragen, Sie und Antonia Gössinger. Ist das eigentlich nötig, die Exzellenz an die Drau zu schicken, weil die Herausforderungen so groß sind?Weissenberger: Wir sind zwar eine Regionalzeitung, aber wir sind auch eine Qualitätszeitung. Und jeden Tag machen wir den Spagat, die ganze Breite zu schaffen. Da braucht es alles. Ich muss vom Eishockeymatch bis zum Turrini-Interview überall sattelfest sein.
HORIZONT: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Grazer Büro? Dort gibt es Chefredakteur Hubert Patterer. Wie funktioniert das konkret?
Weissenberger: Es gibt zwei Geschäftsführer der "Kleinen Zeitung", Hubert Patterer und Dietmar Zikulnig. Darunter gibt es eine zweite Ebene für Chefredakteure in Graz und Klagenfurt. Patterer besetzt sozusagen beide Ebenen. Im Alltag funktioniert es so, dass wir jeden Tag eine Videokonferenz mit Wien und Graz haben.
HORIZONT: Wo gibt es Synergien?
Weissenberger: Bis auf die Außenpolitik und Beilagen gibt es alle Ressorts auch in Kärnten gespiegelt. Deren Chefs sind auf Augenhöhe und machen sich jeden Tag aus, was passiert. Das ist ein sehr großer Koordinationsaufwand. Das geht durch alle Ressorts. Redaktionsmanagement ist also eine gefragte Qualität (lacht).
HORIZONT: Auch in der "Kleinen Zeitung" ist gespart worden. Hat sich das in Kärnten bemerkbar gemacht?Weissenberger: Wir haben die Vorgaben in sechs Wochen erfüllt. Eine Maßnahme war sehr hart für mich. Der Rest ging mit Altersteilzeiten, Stundenreduktionen und Honorarkürzungen. Ich habe auch die Chance genutzt, jungen Kollegen dabei eine Chance zu geben. Dadurch sind zahlreiche Rochaden entstanden.
HORIZONT: Die Kärntner "Kleine" ist kürzlich bundesweit damit aufgefallen, dass sie im Web übertragene Elefantenrundenmit den Spitzenkandidaten veranstaltet hat, dafür gab es viel positives Feedback. Besetzen Sie da eine Nische,damit kein anderer reingeht, oder verdienen Sie damit Geld?Weissenberger: Geschäftsmodell ist es noch nicht, außer dass natürlich die Online-Zahlen nach oben gingen. Wir machen ja nicht nur Livestreams. Der auch über Twitter verbreitete Ausschnitt, wo Gerhard Dörfler Mohammed Ali und Cassius Clay gegeneinander antreten ließ, stammte von uns. Das war aus einem Chat, der aufgezeichnet wurde. Darüber hinaus haben wir ein Videoteam, das jeden Tag ein bis drei Videos macht. In der ÖWA legen wir in allen Kategorien zu und sind auch in der Verweildauer gestiegen. Wir gehen davon aus, dass die Videos dabei eine Rolle spielen. Am Wahltag hatten wir ab 15.30 Uhr per Livestream eine dreistündige Wahlsendung, wo der Grazer Wirtschaftschef Ernst Sittinger moderiert hat – ein Naturtalent. Er kann drei Stunden ohne Backoffice kompetent durchmodiereren. Es schaut natürlich nicht aus wie der ORF, aber man kann es sich anschauen.
HORIZONT: Aber wo führt das hin? Es ist noch kein Geschäftsmodell, aber super, wenn man es hat?Weissenberger: Wir stehen in der "Kleinen Zeitung" am Beginn eines großen Relaunch- und Reorganisationsprozesses. Die Aufgabe dieses Prozesses ist ein Relaunch aller Plattformen, und Video ist eine Untergruppe der Plattformen Digital und Mobile. In zwei Jahren wird man mehr wissen. Aber nachdem uns das allen so viel Spaß macht, wird das auch bleiben, das ist unser USP. Bei solchen Dingen ist uns auch nicht der Standard, der sonst in Online-Belangen in Österreich die Nase vorn hat, voraus. Das Thema Video wurde von Elisabeth Zankel (Digitalchefin, Anm.) gepusht, und wir tragen das mit.
HORIZONT: Wie sieht denn die Zusammenarbeit zwischen Print und Online inder Kärntner "Kleinen Zeitung" derzeit aus?Weissenberger: Sehr gut. In Kärnten besser als in der Steiermark, weil wir ja schon seit Jahren in einem Newsroom sitzen. Sie haben zwei gemeinsame Sitzungenam Tag, wo Digital – noch – wie ein Ressort behandelt wird. Von der menschlichen Zusammenarbeit funktioniert es sehr gut, weil alle auch dabei sein wollen. Vor ein paar Jahren war es noch so, dass Einzelne erklärt haben: „Ich spreche nicht für ein Video eine Analyse, weil das nicht in meinem Vertrag steht.“ Und jetzt will fast jeder dabei sein.
HORIZONT: Wie oft schreiben Printredakteure für Online?Weissenberger: Sehr oft, aber nicht täglich, sondern anlassbezogen auf freiwilliger Basis. Daher bin ich auch froh, wenn der Kollektivvertrag so kommt, wie es aussieht, weil man dann auch die Struktur ändern kann.
HORIZONT: Die Kärntner "Kleine" ist stabil, hat in den letzen Jahren aber wie alle Zeitungen an Reichweite verloren. Derzeit liegen Sie laut Media-Analyse bei rund 51 Prozent. Gibt es eine Wasserlinie, die nicht unterschritten werden darf? Weissenberger: Mir wurde keine genannt. Man muss schon sagen: Wir haben zwar auch verloren in den letzten Jahren, aber viel weniger als die anderen. Wir haben ja teilweise innerhalb der Nullerjahre auch Anstiege gehabt. Wir wissen nicht, ob wir die ganz normale Marktentwicklung zehn Jahre hinausgezögert haben oder ob wir so toll sind (lacht). Von einer Wasserlinie haben wir nie gesprochen, sondern wir schauen uns umgekehrt an, wie wir uns breiter auf allen Kanälen aufstellen können. Natürlich lebt die Zeitung derzeit von Print.
HORIZONT: Wie lange wird es die "Kleine" als gedruckte Zeitung noch geben?Weissenberger: Ich möchte das so beantworten: Als Marke gibt es sie noch sehr lang. Aber auf welcher Plattform diese Marke dann spielt? Ich weiß es nicht. Schon noch einmal etliche Jahre, würde ich sagen. Die Marke ist sehr stark und die "Kleine Zeitung" ist in Kärnten wirklich omnipräsent.
HORIZONT: Die Aufmerksamkeit der Leser ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist die Anzeigenkrise.
Weissenberger: Das haben wir wie alle letztes Jahr gespürt, aber heuer waren Jänner und Februar gut, auch ohne Wahlkampfinserate der regierenden FPK – sie haben erst an den letzten zwei Tagen jeweils eine Anzeige geschaltet. Und selbst ohne Wahlkampf liegen wir gut im Plan. Das ist aber nicht meine Baustelle.
HORIZONT: Was macht eigentlich eine erfolgreiche Zeitung aus? Qualität?Weissenberger: Ohne klare Positionierung – und damit meine ich nicht weltanschaulicher Art – kommt man nicht aus. Das ist bei uns das Regionale, bei dem ich dennoch Weltpolitik, Kunst und Kultur auf einem hohen Niveau mitgeliefert bekomme. Das ist ja eigentlich selten. Sie haben vorher sinngemäß gemeint, mein Team sei für eine Provinzzeitung eigentlich überqualifiziert: Eine Provinzzeitung, aber mit exzellenten Journalisten. Das ist unser Erfolgsgeheimnis.
Eva Weissenberger (40) ist seit Mitte 2012 in der Kärntner "Kleinen Zeitung" als Chefredakteurin tätig. Die Trägerin des Kurt-Vorhofer-Preises war zuletzt in
der Wien-Redaktion der Zeitung, davor u.a. bei "Falter", "Presse" und ORF.