Gustav Soucek, Geschäftsführer des HVB, prognostiziert Nachwirkungen der Corona-Krise auf den österreichischen Buchhandel.
Mit und ohne Corona: Der österreichische Buchmarkt verzeichnet im ersten Halbjahr ein deutliches Minus.
Der österreichische Buchmarkt erwirtschaftete im ersten Halbjahr 2020 um 8,6 Prozent weniger Umsatz als im Vorjahreszeitraum. „Aufgrund eines sehr erfreulichen Zuwachses im Juni fällt die Halbjahres-Verkaufsbilanz aber weniger drastisch aus, als durch Corona erwartet“, heißt es in einer Aussendung des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels (HVB). Gleichwohl fällt die „Corona-Bilanz“ im März mit einem Minus von 24,3 Prozent drastisch negativ aus, im April, zur Hochzeit des Lockdowns, betrug der Gesamtverlust 31,8 Prozent. Berücksichtigt werden dabei alle Verkaufskanäle – der stationäre Buchhandel, die Nebenmärkte (Tankstellen, Elektro- und Drogeriemärkte, LEH) und der komplette E-Commerce/Online-Bereich. Alle Warengruppen verzeichneten dabei Verluste im zweistelligen Bereich. Das geringste Minus wies das Kinder- und Jugendbuch mit minus 17,4 Prozent auf. Der größte Umsatzverlust zeigte sich wenig überraschend bei der Reiseliteratur mit einem Minus von 81,8 Prozent. Noch höhere Verluste konnten dem HVB zufolge durch den raschen Umstieg auf Onlineshops vermieden werden.
Die Editionsform Hardcover hatte im ersten Halbjahr übrigens Einbußen von minus 8,8 Prozent hinzunehmen, das Taschenbuch etwas weniger mit minus 7,9 Prozent. Beim Hörbuch verzeichnete man ein Umsatzminus von 14,4 Prozent. Dennoch habe der stationäre Buchhandel „richtig und schnell reagiert. In der Woche nach Ostern war es stationären Buchhandlungen unter 400 Quadratmetern erstmals erlaubt, ihre Geschäftslokale zu öffnen. Einige entschieden sich aufgrund der volatilen Situation zu reduzierten Öffnungszeiten“, erklärt Rebecca Eder, Leitung PR & Marketing im HVB. Im Mai gab es mit lediglich minus fünf Prozent erste Anzeichen der Erholung. Der Monat Juni wiederum konnte „ein fulminantes Plus“ von 14,4 Prozent verbuchen.
Digitalisierungsfolgen
Und wie entwickelt sich das Verhältnis von analogem zu digitalem Buch? Laut Gustav Soucek, Geschäftsführer des HVB, „gleichbleibend mit leichtem Wachstum für digitale Formate“. Insgesamt liege der Anteil an elektronischen Büchern bei „deutlich unter zehn Prozent des Gesamtmarktes“. Die Digitalisierung habe den Buchmarkt klar verändert: „Vor allem in den Prozessen bei der Gestehung und Distribution eines Buches, also bei den Verlagen und Auslieferungen, und in der Buchbewerbung und -vermarktung durch Verlage, Buchhandel und Autoren.“ Die Digitalisierung werde in der Branche jedenfalls als Chance, nicht mehr als Bedrohung gesehen. Bestes Beispiel dafür seien die gut funktionierenden Web-Shops von Hunderten österreichischen Buchhändlern in Zeiten von Corona, „wo wir sogar Online-Marktanteile zurückgewinnen konnten“.
Apropos: Etwa ein Drittel aller in Österreich verkauften Bücher wird online bestellt, und zwar „bei stationären Buchhändlern, bei heimischen Filialisten, aber natürlich auch bei internationalen Online-Anbietern“, so Soucek. Die Senkung der Umsatzsteuer auf Bücher betrachtet er positiv: „Die Zielsetzung der Bundesregierung war es, die Corona-Auswirkungen auf die Buchwirtschaft insgesamt zu mindern.“ Die faire Aufteilung der Umsatzsteuersenkung unter den Verlagen, Auslieferern und Buchhandlungen bringe hoffentlich eine feststellbare Unterstützung der wirtschaftlichen Lage.
Weihnachten als Chance
Ob die Verluste im laufenden Jahr durch ein gutes Weihnachtsgeschäft kompensiert werden können, kann auch der Hauptverbandsgeschäftsführer nicht sagen: „Das wünschen wir uns. Und nachdem jedes Monat nach dem Corona-Shutdown eine Aufholjagd stattfand, sehen wir eine positive Entwicklung und einen guten Trend.“ Schließlich sei das Weihnachtsgeschäft traditionell für den Buchhandel und die Verlage sehr bedeutend: „Ein Drittel aller Bücher wird in den letzten Wochen vor Weihnachten verkauft.“ Soucek wagt auch eine vorsichtige Prognose für das kommende Jahr: „Nach dem Corona-Jahr 2020 kommt es hoffentlich zu einer Verbesserung. Aber: Corona ist leider noch nicht vorbei. Diese Erwartungshaltung einer Verbesserung hängt daher sehr stark von den Langzeitauswirkungen und Folgeschäden aus 2020 ab.“