Die seit 1955 bestehende New Yorker "Village Voice", Rollenmodell für unzählige städtische Wochenzeitungen rund um die Welt, ist Geschichte. Am Wochenende wurde die Einstellung des Traditionsblattes verkündet.
Dass es der "Village Voice" nicht gut ging, war allgemein bekannt. Das Aus kam dennoch überraschend, die Hälfte der verbliebenen Mitarbeiter wurde noch am Freitag gekündigt, 15 bis 20 sollen für eine unbestimmte Zeit noch in den Redaktionsräumen beschäftigt bleiben, bis eine komplette digitalisierte Archivierung der 63-jährigen Publikationsgeschichte der Zeitung abgeschlossen ist, damit "kommende Generationen selbst feststellen können, was für ein soziales und kulturelles Juwel das für die Stadt und das ganze Land war", wurde Herausgeber Peter Barbey in einer Aussendung zitiert.
Mit dem Aus für die "Village Voice" endet ein Stück Mediengeschichte. 1955 von Schriftsteller Norman Mailer mitbegründet, stand die "Voice" über Jahrzehnte für Stilformen und das Ausprobieren neuer publizistischer Stilformen, die nicht selten Jahre später im Mainstream landeten. In der Zeitung veröffentlichten Schriftsteller wie Ezra Pound, Henry Miller, James Baldwin, Tom Stoppard und Allen Ginsberg. Matt Groening zeichnete dort Cartoons, als er noch "Underground" war und nicht der Vater der "Simpsons". Früher meist jahrzehntelang beschäftigte Kolumnisten wie Nat Hentoff waren oftmals die ersten Ansprechpartner für die New Yorker Prominenz vor allem aus Politik und Kultur.
Der Abstieg der Village Voice zog sich über Jahrzehnte hinweg. 1996 suchte das Blatt in der Umstellung auf Gratis-Vertrieb die Lösung. 2005 kaufte die New Media Group die Zeitung und entließ, halb aus Spargründen, halb wegen ideologischer Belange, fast alle bekannten Mitarbeiter. 2015 kaufte Barbey die schon darniederliegende Zeitung und stattete sie wieder mit namhaftem Personal aus. Weder das noch die Umstellung auf ein Onlinemedium konnten die Wende bringen. Wie viele andere im Printbereich "hatten wir gehofft, dass die Rettung um die nächste Ecke wartet", hieß es in Barleys Abschiedsstatement. Man wisse nicht, wie "Stabilität in diesem Geschäft zu erreichen" sei. Klar sei nur, "dass wir dieses Ziel nicht erreicht haben".