"profil"-Herausgeber Christian Rainer zürnt dem "Falter", der seinem Magazin einen Kaputtsparkurs unterstellt. Wie er den Zustand des Heftes sieht und wo seiner Ansicht nach die Zukunft von Publikationen wie dem "Spiegel", "Stern" oder "profil" liegt, erzählt er im HORIZONT-Interview.
HORIZONT: Vor 15 Jahren waren es jedenfalls noch 38. Auch das schreibt der „Falter“. Rainer: Nachdem der „Falter“ auch noch Budget und Ergebnis verwechselt hat, was für den „Falter“-Leser vermutlich vollkommen egal ist, habe ich mir nicht die Mühe gemacht, nachzuzählen, wie viele Journalisten vor 15 Jahren hier waren. Ja, es sind einige weniger. Die beiden, die jetzt gehen, werden wir wohl nachbesetzen. Die „Falter“-Geschichte ist schlicht eine komplette Themenverfehlung gewesen.
HORIZONT: Was wäre denn das Thema gewesen?Rainer: Zum Beispiel: Dass „profil“ offensichtlich von der Crème de la Crème der österreichischen Journalisten anders gesehen wird und bei der Wahl der Journalisten des Jahres in den fünf Schwerstgewicht-Kategorien gewonnen hat, nämlich Innenpolitik, Investigatives, Wirtschaft, Kolumne und Journalistin des Jahres. Wenn die Kollegen uns so Gewichten, wird der „Falter“ uns wohl aus anderen als aus objektiven Gründen für eine totgesparte Redaktion halten. Soll heißen: Ich habe den Eindruck, dass das „profil“ so gut dasteht wie selten in seiner Geschichte. Wir verdienen Geld, sind hochangesehen, die Reichweite ist um 0,3 Prozentpunkte, also um sechs Prozent gestiegen. In der A-Schicht sind wir hinter der „Krone“ unter allen Print-Nachrichtenmedien nun an zweiter Stelle. Das heißt, wir liegen vor dem „Falter“, der ungefähr ein Fünftel unserer A-Schicht-Leser hat, vor allem aber vor „Standard“, „Presse“, „Kurier“, „News“ etc. Das finde ich sensationell.
HORIZONT: Die „profil“-Rendite ist laut „Falter“ dennoch eingebrochen. Dort ist die Rede von früher 15 Prozent, die nunmehr ein „hoher einstelliger“ Betrag sein soll. Ist das korrekt?Rainer: Ich darf keine Details ausplaudern, aber die Story ist auch dort etwas missverständlich. 15 Prozent war die angestrebte Rendite von Gruner + Jahr insgesamt. Es gab nie eine Renditevorgabe für das Verlagshaus hier. Und schon gar nicht für „profil“. Das wird wohl die aufstrebende „Falter“-Journalistin gemeint haben.
HORIZONT: Es gibt auch Kritik an Ihrer Person. Sind 15 Jahre Christian Rainer an der Spitze des „profil“ langsam genug?Rainer: Wenn ich mir die Fakten anschaue, von denen ich gerade gesprochen habe, scheinen noch ein paar Jährchen möglich zu sein. Mir selbst macht es unglaublichen Spaß, und anders als es in dieser Geschichte dargestellt wird, denke ich, dass die Redaktion insgesamt zwar nicht wahnsinnig glücklich darüber ist, dass die Printbranche im Umbruch ist, aber durchaus ein wechselseitiges Liebesverhältnis zwischen Redaktion und mir herrscht.
HORIZONT: Täuscht der Eindruck, dass die Jungen weggehen und das „profil“ überaltert? Sie haben nur mehr eine Kollegin unter 40 in der Redaktion.Rainer: Ich habe nicht auf die Geburtsdaten der Redakteurinnen und Redakteure geschaut. Ich nehme an, dass die Redaktion sich ein bisschen auf die Altersgruppe zwischen 40 und 50 konzentriert, aber ich rechne wirklich nicht nach. Richtig ist, dass beim „profil“ der 20-Jährige Publizistikstudent von der Uni Klagenfurt möglicherweise nicht der ideale Kandidat ist. Ich bin froh, hier die erfahrensten Journalisten des Landes zu haben. Von einer Überalterung dieser Redaktion zu sprechen, kann wiederum auch nur jemand tun, der nicht bis 26 zählen will.
HORIZONT: Sie werden selbst mit den Worten zitiert: „Wir sind an der Grenze unserer Substanz angekommen“. Wieviel kann denn „profil“ noch sparen?
Rainer: Ich würde das wiederholen, was ich gesagt habe. Wir sind an den Grenzen angekommen, die man einhalten sollte, wenn man ein Produkt dieser Art machen will. Ich habe den nachhaltigen Eindruck, dass die Eigentümer ein Produkt dieser Art, nämlich ein klassisches Nachrichtenmagazin, besitzen wollen. Das mit weniger Leuten zu produzieren, würde die Substanz beschädigen. Aber: Niemand sagt mir, ich soll das mit weniger Leuten machen. Da wir immer gespart haben, musste ich mich in den vergangenen 15 Jahren auch nie von einem Angestellten aus Spargründen trennen. Das soll uns mal irgendjemand nachmachen.
HORIZONT: Wie ist denn das Binnenverhältnis unter den Eigentümern und Ihres mit diesen? Christian Konrad „mag“ Sie, sagt er. Rainer: Ich mag ihn auch.
HORIZONT: Er hat Ihnen die Stange gehalten als Oliver Voigt als früherer Chef der Verlagsgruppe News an der Spitze von „profil“ eine Veränderung vornehmen wollte. Dank Konrad mussten Sie lediglich ihre Agenden im „trend“ abgeben und führen seither nur noch das „profil“. Rainer: Auch das habe ich mit Interesse gelesen. Oliver Voigt wollte mich bei „profil“ niemals abmontieren. Richtig ist, dass ich nicht mehr Herausgeber des „trend“ bin. Aber mir ist neu, dass ich irgendwann von Oliver Voigt bei „profil“ in meiner Position gefährdet worden wäre. Es wäre ihm aber auch nicht zugestanden, weil es ja ein Vorschlagsrecht des „Kurier“ als Eigentümer der „profil“-Redaktionsgesellschaft gibt. Und mein Verhältnis in Richtung Hamburg zu Gruner + Jahr war immer gut. Ich verstehe jeden Eigentümer, der sparen will und Geld verdienen will. Auch zu Axel Bogocz (Geschäftsführer der Verlagsgruppe News, Anm.) habe ich ein gutes Verhältnis. Dass dieses zu Oliver Voigt nicht immer friktionsfrei war, ist bekannt.
HORIZONT: Das Verhältnis zu Raiffeisen ist ebenfalls ungetrübt? Rainer: Ja. Was bemerkenswert ist und vielleicht für beide Seiten spricht: Es wird immer übersehen, dass über die meiste Zeit des Bestehens von „profil“ der Bundeskanzler ein Roter war und der Bürgermeister von Wien ebenfalls. Nachdem dies die naheliegenden Personen sind, an denen man sich reibt, ist es vielleicht leichter für einen konservativen Eigentümer, diese Kritik lächelnd zu nehmen. Aber ab dem Jahr 2000 hatten wir eine schwarz-blaue Regierung (zeigt auf ein Cover mit der Schlagzeile „Schande Europas“), und auch das ist ohne jedes Problem gegangen.
HORIZONT: Das hängt aber nicht an der Person Christian Konrad.
Rainer: Ich glaube nicht. Egal ob Erwin Hameseder, Christian Konrad oder Klaus Buchleitner - ich wüsste nicht, wer von den genannten Personen „profil“ nicht schätzt. Wir sind dort geachtet, so wie wir das auch in Hamburg sind.
HORIZONT: Stichwort Hamburg, wo der Haupteigner der Verlagsgruppe News, Gruner + Jahr sitzt. Sie haben dort vor zwei Jahren das „profil“ präsentiert. Rainer: Da ging es darum zu zeigen, wie ein Nachrichtenmagazin in einem Land funktioniert, das in seinem Werbevolumen und in der Zahl der möglichen Leser ein Zehntel der Größe Deutschlands hat. „profil" ist ein Produkt, von dem ich zu behaupten wage: Ein unbedarfter Leser merkt nicht sofort, dass dieses sich sehr stark vom „Spiegel“ oder „Stern“ unterscheidet. Ich habe damals versucht zu erklären, wie das geht: Durch hohen Einsatz hervorragender Leute und kluge Planung. Darum ging es damals.
HORIZONT: Orten Sie zwei Jahre später eine Magazinkrise? Der „Spiegel“ hat gerade seine beiden Chefredakteure überraschend gefeuert. Das amerikanische „Newsweek“ sperrte zu. Gibt es Nachrichtenmagazine in dieser Form auch in fünf Jahren noch?Rainer: Das „profil“ wird es auch in 50 Jahren noch geben. Nachrichtenmagazine, wenn sie gut gemacht sind, gehören genau zu jener Kategorie von Magazinen, die unverzichtbar sind. Mir fallen einige Kategorien ein, die als Kategorie verzichtbar sind, ebenso einige Produkte für sich. Aber gerade das Nachrichtenmagazin, wenn es einen USP hat, ist unverzichtbar. Dass „Newsweek“ diesen USP neben dem „Time“-Magazine nicht hatte, ist Faktum. Ob „Focus“ diesen USP neben dem „Spiegel“ hat, da bin ich auch nicht ganz sicher. Man sollte in dem Markt, in dem man tätig ist, der Beste sein. Abgesehen davon sollte man auch als Marke beständig und durchgehend nachvollziehbar sein. Das ist „profil“ meiner Meinung nach.
HORIZONT: Was beim „Spiegel“ ein Riesenthema war, ist die Zusammenarbeit zwischen Print und Online. „profil“ hat niemals ein derart großes tagesaktuelles Portal aufgebaut. Aber dennoch: Ist das ein Thema?Rainer: Bei „profil“ ist die Zusammenarbeit friktionsfrei, wobei „profil“ natürlich niemals in der Form in Online investieren konnte, wie es der „Spiegel“ gemacht hat. Ich wage allerdings zu sagen, dass „Spiegel Online“ in seiner ökonomischen Bedeutung völlig falsch eingeschätzt wird. „Spiegel Online“ ist als Nachrichtenmedium wichtig, macht aber meiner Schätzung nach nur ein Zehntel der Umsätze des Printproduktes. Wenn ich mich nicht irre, lag der Gewinn im 2011 oder 2012 bei drei Millionen Euro. Das schafft das eine oder andere Magazin in diesem Verlag hier auch. Man sollte "Spiegel Online" schon dort verorten, wo es hingehört: Es ist ein spannendes journalistisches Produkt, aber nicht unbedingt der Beweis dafür, dass die Monetarisierung von Journalismus im Netz funktionieren muss.
HORIZONT: Wenn eines der Leitmedien des deutschsprachigen Raums im Magazinbereich solche Überlegungen anstellt und das Management auf Basis dieser solche Schritte setzt, zeigt das ja in eine Richtung. Müssen Sie nicht auch darüber nachdenken?Rainer: In einem Markt, der ein Zehntel der Größe von Deutschland hat, ist ein Produkt wie „Spiegel Online“ nicht ökonomisch betreibbar. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob man auch dort von „ökonomisch betrieben“ sprechen kann, wenn man alle Investitionen der Vergangenheit bei „Spiegel Online“ addiert. In Österreich kommt erschwerend dazu, dass wir mit ORF.at einen Konkurrenten haben, der mit Zwangsabgaben gespeist wird. Nachzudenken ist darüber, ob man als Nachrichten- und Meinungsmagazin Produkte kostenpflichtig machen kann, die abseits vom schnellen Nachrichtengeschäft Gewicht haben. Da denken wir sehr stark an Schreib- und Meinungsstücke, für die „profil“ auch immer bekannt war. Gerade bei „profil“ halte ich das aber nicht für die allerwichtigste Aufgabe.
HORIZONT: Was wäre die?Rainer: In einem insgesamt rückläufigen Werbemarkt die Monetarisierung des Printproduktes abzusichern. „profil“ liegt gut, wir mussten im ersten Quartal keinen Rückgang des Werbevolumens verzeichnen. Aber ich mache mir keine Illusionen: Auf den Stand, den wir vor drei Jahren hatten, werden wir nicht mehr kommen. Die Monetarisierung kann meiner Meinung nach nur darin liegen, dass unsere Leser bereit sind, wesentlich mehr für das Printprodukt zu zahlen. Das tun sie auch: Wir haben jetzt eher mehr Abonnenten als vor einigen Jahren und diese zahlen für ein Jahresabo nicht mehr 89 Euro, sondern 129 Euro. Das funktioniert. „Spiegel“ kostet an die 200 Euro und der „Stern“ auch nicht viel weniger. Vielleicht werde ich es hier noch erleben, dass ein klassisches „profil“-Abo zu einem den deutschen Nachrichtenmagazinen entsprechenden Preis verkauft wird. Das Verhältnis von Vertriebserlösen zu Anzeigenumsätzen verschiebt sich.
HORIZONT: Wie ist das Verhältnis derzeit?Rainer: Bei vielen deutschen Produkten ist es 50:50. Und beim „profil“ gehen wir auch in diese Richtung. Da ist es natürlich wichtig: Für etwas, das teuer ist, muss man natürlich auch ein Premium-Produkt liefern. Ein unverzichtbares Luxusprodukt. Soll heißen: Man muss „profil“ nicht haben, um zu überleben, aber um intelligente Saunagespräche zu führen, braucht man es ganz unbedingt (grinst).
HORIZONT: Wo endet die Toleranz der Leser bei Preiserhöhungen?Rainer: Wir hatten befürchtet, dass der Sprung über die 100-Euro-Grenze eine Rolle spielen könnte. Was ist passiert? Gar nichts. Die Abozahlen sind unverändert geblieben. Wir wollen nicht mutwillig etwas herausfordern, aber ich sehe die Grenze noch nicht. Die vorhin genannten 200 Euro sind eine mögliche Zahl. Aber es ist natürlich nicht so, dass wir unmittelbar etwas derartiges geplant hätten.
HORIZONT: Bei Gruner + Jahr hat es kürzlich ziemlich gekracht. Auslandsvorstand Torsten-Jörn Klein ist Geschichte, die Österreich-Beteiligungen werden nun vom in Frankreich sitzenden neuen Europachef Rolf Heinz betreut. Was erwarten Sie sich von der Rochade?Rainer: Die News-Gruppe wird eine der wichtigsten Auslandsbeteiligungen bleiben. Sie ist ein Unternehmen, das hervorragend geführt wird, und brav seine Renditen abliefert. Und dass „profil“ vom Vorstand als Vorzeigeobjekt ausgewählt wurde, heißt durchaus: Man ist stolz darauf, hier über ein Produkt zu verfügen, das sowohl Geld verdient, als auch journalistisch vorbildlich gemacht ist. Ich habe immer den Eindruck gehabt, das sind Eigentümer, die wissen, was bei Journalismus wichtig ist. Sie wissen, was ein „Stern“ ist, was eine „Brigitte“ ist, was ein „profil“ und was ein „Woman“ ist. Darum erwarte ich eigentlich keine großen Veränderungen.